Lohenstein, Daniel Casper von: Ibrahim Sultan. Leipzig, 1673. Der Schauplatz stellet für ein warmes Bad. Reyen Des badenden Frauen-Zimmers. Die Frauen. WJe seelig sind! die GOtt in 'zarte Seide Geschickter Glieder hüllet ein! 525Denn Schönheit schein't ja selbst des Himmels Kreide/ Ein Brunkwäll des Gelück's zu seyn. Sie ist der Lieb und der Vergnügung Wiege/ Die Wollust schläff't auf ihrer Brust. Die Kinder führ'n auch wider Käyser Kriege/ 530Bekämpfen sie durch süsse Lust. Der Fürst muß lassen Ambren holen/ Weil ihr bloß Ruhm ihm's Hertz gestolen. Die Jungfrauen. JHr Thörichten! preiß't ihr für ein Gelücke/ Wenn reiner Keuschheit Einfalt fäll't 535.Jn's Wollust-Garn/ in geiler Jäger Stricke? Die Keuschheit ist der Schatz der Welt/ Die Jungfrauschaft gantz unbefleckte Sonnen/ Die Lieb' ein Jrrwisch/ der auß Tacht Unreiner Seel- und Hertzen wird gesponnen; 540Ein Wurm/ der nur gläntz't bey der Nacht. So laß't uns denn von gantzem Hertzen/ Der Ambre Raub und Fall beschmertzen. Die Frauen. EJnfältige! die ihr auß leeren Krügen Nur Luft statt unsers Nectars trinck't; 545Was nütz't ein Feld/ das stets muß brache liegen? Ein Kwäll/ der in den Sand versinck't? Ein Balsam/ der in Wüsteney verrauchet? Die Rose/ die der Wind verheert? Wenn Eisen nicht und Schönheit wird gebrauchet/ 450Verlieren sie durch Rost den Werth; Und Schätzen/ die vergraben bleiben/ Kan niemand Ruhm und Preiß zuschreiben. Die Jungfrauen. DJe Jungfrauschaft ist von so edlen Steinen/ Die kein geil' Auge schätzen kan. 455Die Sternen/ die am allermeisten scheinen/ Steh'n in den Himmel oben an. Der Sonne Gold/ für der sich Stern' entröthen/ Heck't mehr/ als des Saturnus Bley/ Geschwäntzte Stern' und schädliche Cometen. 460Und Schönheit schläfft mehr Lastern bey/ Ja ihr auch Schwanen-reinen Wangen Gebehren Feuer/ hecken Schlangen. Die Frauen. EJn Mund/ der nie hat Wein und Milch geschmecket/ kan leicht als bitter sie verschmeh'n. 465Geh't schan't: wie sie so Gold als Purper decket/ Wie sie beym Sultan ist gesehn; Wie
Der Schauplatz ſtellet fuͤr ein warmes Bad. Reyen Des badenden Frauen-Zimmers. Die Frauen. WJe ſeelig ſind! die GOtt in ’zarte Seide Geſchickter Glieder huͤllet ein! 525Denn Schoͤnheit ſchein’t ja ſelbſt des Himmels Kreide/ Ein Brunkwaͤll des Geluͤck’s zu ſeyn. Sie iſt der Lieb und der Vergnuͤgung Wiege/ Die Wolluſt ſchlaͤff’t auf ihrer Bruſt. Die Kinder fuͤhr’n auch wider Kaͤyſer Kriege/ 530Bekaͤmpfen ſie durch ſuͤſſe Luſt. Der Fuͤrſt muß laſſen Ambren holen/ Weil ihr bloß Ruhm ihm’s Hertz geſtolen. Die Jungfrauen. JHr Thoͤrichten! preiß’t ihr fuͤr ein Geluͤcke/ Wenn reiner Keuſchheit Einfalt faͤll’t 535.Jn’s Wolluſt-Garn/ in geiler Jaͤger Stricke? Die Keuſchheit iſt der Schatz der Welt/ Die Jungfrauſchaft gantz unbefleckte Sonnen/ Die Lieb’ ein Jrrwiſch/ der auß Tacht Unreiner Seel- und Hertzen wird geſponnen; 540Ein Wurm/ der nur glaͤntz’t bey der Nacht. So laß’t uns denn von gantzem Hertzen/ Der Ambre Raub und Fall beſchmertzen. Die Frauen. EJnfaͤltige! die ihr auß leeren Kruͤgen Nur Luft ſtatt unſers Nectars trinck’t; 545Was nuͤtz’t ein Feld/ das ſtets muß brache liegen? Ein Kwaͤll/ der in den Sand verſinck’t? Ein Balſam/ der in Wuͤſteney verrauchet? Die Roſe/ die der Wind verheert? Wenn Eiſen nicht und Schoͤnheit wird gebrauchet/ 450Verlieren ſie durch Roſt den Werth; Und Schaͤtzen/ die vergraben bleiben/ Kan niemand Ruhm und Preiß zuſchreiben. Die Jungfrauen. DJe Jungfrauſchaft iſt von ſo edlen Steinen/ Die kein geil’ Auge ſchaͤtzen kan. 455Die Sternen/ die am allermeiſten ſcheinen/ Steh’n in den Himmel oben an. Der Sonne Gold/ fuͤr der ſich Stern’ entroͤthen/ Heck’t mehr/ als des Saturnus Bley/ Geſchwaͤntzte Stern’ und ſchaͤdliche Cometen. 460Und Schoͤnheit ſchlaͤfft mehr Laſtern bey/ Ja ihr auch Schwanen-reinen Wangen Gebehren Feuer/ hecken Schlangen. Die Frauen. EJn Mund/ der nie hat Wein und Milch geſchmecket/ kan leicht als bitter ſie verſchmeh’n. 465Geh’t ſchan’t: wie ſie ſo Gold als Purper decket/ Wie ſie beym Sultan iſt geſehn; Wie
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Reyen
Des badenden Frauen-Zimmers.
Die Frauen.
WJe ſeelig ſind! die GOtt in ’zarte Seide
Geſchickter Glieder huͤllet ein!
Denn Schoͤnheit ſchein’t ja ſelbſt des Himmels Kreide/
Ein Brunkwaͤll des Geluͤck’s zu ſeyn.
Sie iſt der Lieb und der Vergnuͤgung Wiege/
Die Wolluſt ſchlaͤff’t auf ihrer Bruſt.
Die Kinder fuͤhr’n auch wider Kaͤyſer Kriege/
Bekaͤmpfen ſie durch ſuͤſſe Luſt.
Der Fuͤrſt muß laſſen Ambren holen/
Weil ihr bloß Ruhm ihm’s Hertz geſtolen.
Die Jungfrauen.
JHr Thoͤrichten! preiß’t ihr fuͤr ein Geluͤcke/
Wenn reiner Keuſchheit Einfalt faͤll’t
Jn’s Wolluſt-Garn/ in geiler Jaͤger Stricke?
Die Keuſchheit iſt der Schatz der Welt/
Die Jungfrauſchaft gantz unbefleckte Sonnen/
Die Lieb’ ein Jrrwiſch/ der auß Tacht
Unreiner Seel- und Hertzen wird geſponnen;
Ein Wurm/ der nur glaͤntz’t bey der Nacht.
So laß’t uns denn von gantzem Hertzen/
Der Ambre Raub und Fall beſchmertzen.
Die Frauen.
EJnfaͤltige! die ihr auß leeren Kruͤgen
Nur Luft ſtatt unſers Nectars trinck’t;
Was nuͤtz’t ein Feld/ das ſtets muß brache liegen?
Ein Kwaͤll/ der in den Sand verſinck’t?
Ein Balſam/ der in Wuͤſteney verrauchet?
Die Roſe/ die der Wind verheert?
Wenn Eiſen nicht und Schoͤnheit wird gebrauchet/
Verlieren ſie durch Roſt den Werth;
Und Schaͤtzen/ die vergraben bleiben/
Kan niemand Ruhm und Preiß zuſchreiben.
Die Jungfrauen.
DJe Jungfrauſchaft iſt von ſo edlen Steinen/
Die kein geil’ Auge ſchaͤtzen kan.
Die Sternen/ die am allermeiſten ſcheinen/
Steh’n in den Himmel oben an.
Der Sonne Gold/ fuͤr der ſich Stern’ entroͤthen/
Heck’t mehr/ als des Saturnus Bley/
Geſchwaͤntzte Stern’ und ſchaͤdliche Cometen.
Und Schoͤnheit ſchlaͤfft mehr Laſtern bey/
Ja ihr auch Schwanen-reinen Wangen
Gebehren Feuer/ hecken Schlangen.
Die Frauen.
EJn Mund/ der nie hat Wein und Milch geſchmecket/
kan leicht als bitter ſie verſchmeh’n.
Geh’t ſchan’t: wie ſie ſo Gold als Purper decket/
Wie ſie beym Sultan iſt geſehn;
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