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Lohenstein, Daniel Casper von: Ibrahim Sultan. Leipzig, 1673.

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Nur unglückselig sey.
Mufti. Ach ja! du urtheil'st recht!
Jch würde durch mein Thun nur des Tyrannen Knecht
215Der Boßheit Werckzeug seyn. Doch/ wie bald kan der fehlen/
Der seine Menge nicht des Elends weiß zu zehlen?
Ein Amboß-hartes Hertz/ wird weich und krumm beweg't
Auf das so oft und sehr des Unglücks Hammer schläg't.
Bectas. Die Glutt der Rache kan es härten und geräden/
220Und des verletzers Blutt heil't des verletzten Schäden.
Zeuch den befleckten Dolch der Ambren auß der Brust/
Und stoß ihn ihm in's Hertz; Nimm's Merckmal seiner Lust
Das Gold-gestückte Tuch/ das er zum Liebes-Zeichen
Der Aermsten schickte zu. An dem sol er erbleichen!
225Jch schwer es! wo kein Fall das Leben mir verkürtz't.
Rom lehr't uns am Tarquin: daß wenn man Schänder stürtz't/
Die unser Haupt gleich sind/ Gott pfleg't das Werck zu segnen.
Jch seh auß Ambrens Brust Lucretzens Bluttschaum regnen/
Ja eine Sündfluth kwell'n/ ein Rothes Meer entstehn
230Jn dem der Pharao wird schrecklich untergehn.
Mufti. Es bleibe/ ja/ bey dem/ was wir schon vor geschlossen:
Daß sein und Achmets Blutt als Vihisch sol vergossen/
Jhr Grimm verkürtzet seyn. Jch wil mich stracks bemüh'n
Des Sultans Mutter selbst in unsern Bund zu zih'n.

235
Mehem. Wird mit der Mutter sich diß sicher wagen lassen?
Mufti. Glaub't: daß die Mutter mehr/ als Schlang und Spinnen/ hassen/
Die die Verletzung reitz't. Sie kehr'n in Gall und Gift
Die susse Mutter Milch. Jhr Eyver übertrifft
Jm Munde Natter-Zähn/ in den ergrimmten Augen
240Der Basilißten Blitz. Die ärgsten Drachen taugen
So wohl zur Rache nicht in unversohnbarn Rath/
Als wenn sich eine Taub' erboost entrüstet hat.
Bectas. Er und die Mutter ist bereit versöhn't zusammen.
Mufti. Die ärgste Rache deck't mit Asche Zorn und Flammen.
245Und Zuckert schlimmstes Gift durch Bisam an und Wein.
Ja hüll't ihr Schlangen Maul in Engel-Lippen ein.
Laß mich in diesem Stück umb unsern Vorschlag sorgen.
Mehemet. Des Abends Anschlag krön ein wohl außschlagend Morgen!
Der Schau-Platz verwandelt sich in Kiosems
Gemach.
Amuratens Geist. Kiosem.
Amuratens Geist. AUf! Mutter/ auf! es ist nicht schlaffens Zeit/
250Wenn Strang und Tod auf ihr verderben wachet.
Ein falsches Hertz koch't Gift und Hertzeleid/
Wenn Lipp' und Mund mit Zucker-Rosen lachet.
Versöhnung ist die Asche/ die die Flammen
Der Rache nur verdeck't/ sie aber nicht lösch't auß.
255Ein Nebel/ den ein Lüftlein theil't von sammen;
Worauf die frische Glutt gebieret Brand und Grauß.
Denn Liebe gleich't sich zarten Berg-Chrystallen/
Die keine Kunst nicht zu ergäntzen weiß/
Wenn sie sind einst zerschellet und zerfallen.
260So bau't sie nur auf Spiegel-glattes Eiß/
Wirf't Aucker in den Trübsand/ Grundstein in Moräste/
Wo sie vermeynt; sie steh itzt hoch und fäste.
Man miß't mit Bley des tieffen Meeres Grund/
Durch Glaß erforsch't man's Himmels Heimligkeiten;
265Kein Schau-Glaß nur/ kein Bley-Maaß ist uns kund/
Die Nachwelt wird auch keines nicht bereiten/
Das der Menschlichen Gemüther tieffes Welt-Meer gründen kan;
Kein Compaß/ der sich're Farth in der Höfe Strudeln zeiget/
Keine Kette/ die die Räder des Gelückes hemmet an.
270Keine Sonne gehet auf/ die die Zeit nicht West-werts neiget;
Ja/ Jbrahims Genad ist wie ein Rohr bewand/
Das den/ der sich drauf lehn't/ beschädigt in die Hand.
Jch selbst muß in der Gruft bestürtz't erfahren:
Daß Affen grimmiger als edle Löwen sind;
275Daß wenn Gewalt und Aberwitz sich paaren;
Jhr Grimm mehr Mord/ als klugen Eyfer spinn't.
Es
Nur ungluͤckſelig ſey.
Mufti. Ach ja! du urtheil’ſt recht!
Jch wuͤrde durch mein Thun nur des Tyrannen Knecht
215Der Boßheit Werckzeug ſeyn. Doch/ wie bald kan der fehlen/
Der ſeine Menge nicht des Elends weiß zu zehlen?
Ein Amboß-hartes Hertz/ wird weich und krumm beweg’t
Auf das ſo oft und ſehr des Ungluͤcks Hammer ſchlaͤg’t.
Bectas. Die Glutt der Rache kan es haͤrten und geraͤden/
220Und des verletzers Blutt heil’t des verletzten Schaͤden.
Zeuch den befleckten Dolch der Ambren auß der Bruſt/
Und ſtoß ihn ihm in’s Hertz; Nimm’s Merckmal ſeiner Luſt
Das Gold-geſtuͤckte Tuch/ das er zum Liebes-Zeichen
Der Aermſten ſchickte zu. An dem ſol er erbleichen!
225Jch ſchwer es! wo kein Fall das Leben mir verkuͤrtz’t.
Rom lehr’t uns am Tarquin: daß wenn man Schaͤnder ſtuͤrtz’t/
Die unſer Haupt gleich ſind/ Gott pfleg’t das Werck zu ſegnen.
Jch ſeh auß Ambrens Bruſt Lucretzens Bluttſchaum regnen/
Ja eine Suͤndfluth kwell’n/ ein Rothes Meer entſtehn
230Jn dem der Pharao wird ſchrecklich untergehn.
Mufti. Es bleibe/ ja/ bey dem/ was wir ſchon vor geſchloſſen:
Daß ſein und Achmets Blutt als Vihiſch ſol vergoſſen/
Jhr Grimm verkuͤrtzet ſeyn. Jch wil mich ſtracks bemuͤh’n
Des Sultans Mutter ſelbſt in unſern Bund zu zih’n.

235
Mehem. Wird mit der Mutter ſich diß ſicher wagen laſſen?
Mufti. Glaub’t: daß die Mutter mehr/ als Schlang und Spinnen/ haſſen/
Die die Verletzung reitz’t. Sie kehr’n in Gall und Gift
Die ſuſſe Mutter Milch. Jhr Eyver uͤbertrifft
Jm Munde Natter-Zaͤhn/ in den ergrimmten Augen
240Der Baſilißten Blitz. Die aͤrgſten Drachen taugen
So wohl zur Rache nicht in unverſohnbarn Rath/
Als wenn ſich eine Taub’ erbooſt entruͤſtet hat.
Bectas. Er und die Mutter iſt bereit verſoͤhn’t zuſammen.
Mufti. Die aͤrgſte Rache deck’t mit Aſche Zorn und Flammen.
245Und Zuckert ſchlimmſtes Gift durch Biſam an und Wein.
Ja huͤll’t ihr Schlangen Maul in Engel-Lippen ein.
Laß mich in dieſem Stuͤck umb unſern Vorſchlag ſorgen.
Mehemet. Des Abends Anſchlag kroͤn ein wohl außſchlagend Morgen!
Der Schau-Platz verwandelt ſich in Kioſems
Gemach.
Amuratens Geiſt. Kioſem.
Amuratens Geiſt. AUf! Mutter/ auf! es iſt nicht ſchlaffens Zeit/
250Wenn Strang und Tod auf ihr verderben wachet.
Ein falſches Hertz koch’t Gift und Hertzeleid/
Wenn Lipp’ und Mund mit Zucker-Roſen lachet.
Verſoͤhnung iſt die Aſche/ die die Flammen
Der Rache nur verdeck’t/ ſie aber nicht loͤſch’t auß.
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Worauf die friſche Glutt gebieret Brand und Grauß.
Denn Liebe gleich’t ſich zarten Berg-Chryſtallen/
Die keine Kunſt nicht zu ergaͤntzen weiß/
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260So bau’t ſie nur auf Spiegel-glattes Eiß/
Wirf’t Aucker in den Truͤbſand/ Grundſtein in Moraͤſte/
Wo ſie vermeynt; ſie ſteh itzt hoch und faͤſte.
Man miß’t mit Bley des tieffen Meeres Grund/
Durch Glaß erforſch’t man’s Himmels Heimligkeiten;
265Kein Schau-Glaß nur/ kein Bley-Maaß iſt uns kund/
Die Nachwelt wird auch keines nicht bereiten/
Das der Menſchlichen Gemuͤther tieffes Welt-Meer gruͤnden kan;
Kein Compaß/ der ſich’re Farth in der Hoͤfe Strudeln zeiget/
Keine Kette/ die die Raͤder des Geluͤckes hemmet an.
270Keine Sonne gehet auf/ die die Zeit nicht Weſt-werts neiget;
Ja/ Jbrahims Genad iſt wie ein Rohr bewand/
Das den/ der ſich drauf lehn’t/ beſchaͤdigt in die Hand.
Jch ſelbſt muß in der Gruft beſtuͤrtz’t erfahren:
Daß Affen grimmiger als edle Loͤwen ſind;
275Daß wenn Gewalt und Aberwitz ſich paaren;
Jhr Grimm mehr Mord/ als klugen Eyfer ſpinn’t.
Es
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[40/0058] Nur ungluͤckſelig ſey. Mufti. Ach ja! du urtheil’ſt recht! Jch wuͤrde durch mein Thun nur des Tyrannen Knecht Der Boßheit Werckzeug ſeyn. Doch/ wie bald kan der fehlen/ Der ſeine Menge nicht des Elends weiß zu zehlen? Ein Amboß-hartes Hertz/ wird weich und krumm beweg’t Auf das ſo oft und ſehr des Ungluͤcks Hammer ſchlaͤg’t. Bectas. Die Glutt der Rache kan es haͤrten und geraͤden/ Und des verletzers Blutt heil’t des verletzten Schaͤden. Zeuch den befleckten Dolch der Ambren auß der Bruſt/ Und ſtoß ihn ihm in’s Hertz; Nimm’s Merckmal ſeiner Luſt Das Gold-geſtuͤckte Tuch/ das er zum Liebes-Zeichen Der Aermſten ſchickte zu. An dem ſol er erbleichen! Jch ſchwer es! wo kein Fall das Leben mir verkuͤrtz’t. Rom lehr’t uns am Tarquin: daß wenn man Schaͤnder ſtuͤrtz’t/ Die unſer Haupt gleich ſind/ Gott pfleg’t das Werck zu ſegnen. Jch ſeh auß Ambrens Bruſt Lucretzens Bluttſchaum regnen/ Ja eine Suͤndfluth kwell’n/ ein Rothes Meer entſtehn Jn dem der Pharao wird ſchrecklich untergehn. Mufti. Es bleibe/ ja/ bey dem/ was wir ſchon vor geſchloſſen: Daß ſein und Achmets Blutt als Vihiſch ſol vergoſſen/ Jhr Grimm verkuͤrtzet ſeyn. Jch wil mich ſtracks bemuͤh’n Des Sultans Mutter ſelbſt in unſern Bund zu zih’n. Mehem. Wird mit der Mutter ſich diß ſicher wagen laſſen? Mufti. Glaub’t: daß die Mutter mehr/ als Schlang und Spinnen/ haſſen/ Die die Verletzung reitz’t. Sie kehr’n in Gall und Gift Die ſuſſe Mutter Milch. Jhr Eyver uͤbertrifft Jm Munde Natter-Zaͤhn/ in den ergrimmten Augen Der Baſilißten Blitz. Die aͤrgſten Drachen taugen So wohl zur Rache nicht in unverſohnbarn Rath/ Als wenn ſich eine Taub’ erbooſt entruͤſtet hat. Bectas. Er und die Mutter iſt bereit verſoͤhn’t zuſammen. Mufti. Die aͤrgſte Rache deck’t mit Aſche Zorn und Flammen. Und Zuckert ſchlimmſtes Gift durch Biſam an und Wein. Ja huͤll’t ihr Schlangen Maul in Engel-Lippen ein. Laß mich in dieſem Stuͤck umb unſern Vorſchlag ſorgen. Mehemet. Des Abends Anſchlag kroͤn ein wohl außſchlagend Morgen! Der Schau-Platz verwandelt ſich in Kioſems Gemach. Amuratens Geiſt. Kioſem. AUf! Mutter/ auf! es iſt nicht ſchlaffens Zeit/ Wenn Strang und Tod auf ihr verderben wachet. Ein falſches Hertz koch’t Gift und Hertzeleid/ Wenn Lipp’ und Mund mit Zucker-Roſen lachet. Verſoͤhnung iſt die Aſche/ die die Flammen Der Rache nur verdeck’t/ ſie aber nicht loͤſch’t auß. Ein Nebel/ den ein Luͤftlein theil’t von ſammen; Worauf die friſche Glutt gebieret Brand und Grauß. Denn Liebe gleich’t ſich zarten Berg-Chryſtallen/ Die keine Kunſt nicht zu ergaͤntzen weiß/ Wenn ſie ſind einſt zerſchellet und zerfallen. So bau’t ſie nur auf Spiegel-glattes Eiß/ Wirf’t Aucker in den Truͤbſand/ Grundſtein in Moraͤſte/ Wo ſie vermeynt; ſie ſteh itzt hoch und faͤſte. Man miß’t mit Bley des tieffen Meeres Grund/ Durch Glaß erforſch’t man’s Himmels Heimligkeiten; Kein Schau-Glaß nur/ kein Bley-Maaß iſt uns kund/ Die Nachwelt wird auch keines nicht bereiten/ Das der Menſchlichen Gemuͤther tieffes Welt-Meer gruͤnden kan; Kein Compaß/ der ſich’re Farth in der Hoͤfe Strudeln zeiget/ Keine Kette/ die die Raͤder des Geluͤckes hemmet an. Keine Sonne gehet auf/ die die Zeit nicht Weſt-werts neiget; Ja/ Jbrahims Genad iſt wie ein Rohr bewand/ Das den/ der ſich drauf lehn’t/ beſchaͤdigt in die Hand. Jch ſelbſt muß in der Gruft beſtuͤrtz’t erfahren: Daß Affen grimmiger als edle Loͤwen ſind; Daß wenn Gewalt und Aberwitz ſich paaren; Jhr Grimm mehr Mord/ als klugen Eyfer ſpinn’t. Es

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Ibrahim Sultan. Leipzig, 1673, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_ibrahim_1673/58>, abgerufen am 18.05.2024.