Lohenstein, Daniel Casper von: Ibrahim Sultan. Leipzig, 1673.
Mit schönen Beeren wird/ sey Tod und Strick gestel't. Der Gunst-Strahl/ der auf mich von's Sultans Augen fäll't/ Wil mich ein Sterbe Licht und Todten-Fackel deuchten/ 350Die mir lebendigen voran zu Grabe leuchten. So tieff bin ich gefall'n! So geht's; wer in die Luft Leg't Schlösser in den Grund/ der bau't in tiefster Kluft Jhm Fall-Bräck und Verderb. Ach! Kiosem/ itzt lerne: Der Erde Sonnen sind Jrrlichter/ keine Sterne. Kiosem. Mufti. 355 Mufti. WJe treff ich so bestürtz't die grosse Käyserin So still' und einsam an? Kiosem. Ach! wirf den Tittel hin/ Und dencke: daß diß nur mehr durch das Hertze schneidet/ Wenn/ was man war/ nicht sey/ der Tittel uns bescheidet. Mufti. Sie lasse dieses Ach und diese Klage mir/ 360Den Jbrahim/ der doch läß't ieden Sclaven für/ Dem gleich sein Kopf nicht so/ mie mir mein Hertze brennet/ Von seinem Antlitz stöß't; mich Hund und Ketzer nennet/ Mir Strick und Mörsel dreu't. Doch gib't der Tod der Schmach Und unser eigen Leid der Kinder Unfall nach. 365Es gräm't mich: daß solch Schimpf nicht bleiben kan verdecket: Wie Jbrahim mein Kind durch Noth-Zwang hat beflecket/ Auf die Geschändete so Fluch und Unflat spei't/ Ja sie als Hur und Magd zu meinem Hertzeleid Halb-nackt nach Hause schick't. Solch Elend geh't durch's Hertze/ 370Friß't Marck und Adern auß! Mit was für einem Schmertze Kwäl't sich denn Kiosem? Jhr Bild und Ansehn gleich't Pompejens Seule ja/ die keinem Wetter weich't/ See/ Well' und Nord verlach't. Jch sehe ja vergnüget: Daß Sie vom Sultan hat die Freyheit wieder krieget. 375 Kiosem. Die Freyheit? leider ja! man läß't ein wenig frey Ein angefässelt Wild/ wenn's Jägers Tyranney Zu seiner Kurtzweil wil den wüttenden Moloßen Sein Lehen opfern auf. Der so viel Blutt vergossen/ Der solche Greuclthat an's Mufti Hauf' außüb't/ 380Der seine Mutter oft biß auf den Tod betrüb't/ Der/ die die Kron ihm gab/ in Kesichte verstricket/ Sein eigen Fleisch und Blutt sich zu ermorden schicket/ Wird nur so lange noch mit meinem Jammer spiel'n; Biß ich den Blutt-Zahn werd in meinen Därmern fühl'n. 385 Mufti. Geduld und Hofnung mach't des Unglücks scharffe Pfeile/ Des Grimmes Klingen stumpf; Ja reiß't die Donner-Keile Tyrannen auß der Hand. Der Tugend Eigenschaft Gleich't Palmen/ denen gib't die Unterdrückung Kraft/ Mehr als des Glückes West. Die wird mit ihr noch blühen/ 390Und alles Wetter sich in Sonnenschein verziehen. Ja/ weil mein Strauden sie nur trifft am Ufer an Nicht zweifelnd: daß ein Wort von ihr mir helffen kan; Geruhe sie mich doch beym Sultan einzulieben. Kiosem. Wen sol die setzen ein/ die selber wird vertrieben? 395Ach Trübsand-voller Grund! weil mir mein Amurath Schon meinen Untergang bestürtz't eröfnet hat. Mufti. Jhr längst-entblaster Sohn? Kios. Der kaum von mir entwichen/ Als du in's Zimmer trat'st. Mufti. wahr ist's: wenn/ die erblichen/ Durchbrechen Sarch und Gruft/ uns Warnung bringen bey; 400So gläub ich: daß das Beil schon auf den Racken sey. Und denn ist's Wachens Zeit und auf sein Heil zu sinnen. Der edle Mustafa hätt' allzu wohl entrinnen Des Rustans List gekönn't; hätt' er nicht außer Acht Geschlagen; was ein Geist im Traum ihm zugebracht/ 405Sein Priester außgeleg't. Jmfall ihr nur zu rathen/ So komme sie selbst für des Sultans Mörderthaten. Kiosem. Zeig' uns für die Gefahr ein sicher Mittel an. Mufti. Wer sicher geh't/ erdrück't den Wurm/ der schaden kan. Kiosem. Solt' ich in's Sohnes Blutt die Mutter-Hände tauchen? 410 Mufti. Der ist kein Sohn/ der vor läß't Lieb und Hold verrauchen. Kiosem. Für dieser That entsetz't sich die Natur in mir. Mufti. Die eig'ne Wolfarth geht der Kinder-Liebe für. Kiosem. Wer hat so jämmerlich ie auf sein Fleisch gewüttet? Mufti. Wie viel hat Suleiman nicht Kinderblutt verschüttet? Er
Mit ſchoͤnen Beeren wird/ ſey Tod und Strick geſtel’t. Der Gunſt-Strahl/ der auf mich von’s Sultans Augen faͤll’t/ Wil mich ein Sterbe Licht und Todten-Fackel deuchten/ 350Die mir lebendigen voran zu Grabe leuchten. So tieff bin ich gefall’n! So geht’s; wer in die Luft Leg’t Schloͤſſer in den Grund/ der bau’t in tiefſter Kluft Jhm Fall-Braͤck und Verderb. Ach! Kioſem/ itzt lerne: Der Erde Sonnen ſind Jrrlichter/ keine Sterne. Kioſem. Mufti. 355 Mufti. WJe treff ich ſo beſtuͤrtz’t die groſſe Kaͤyſerin So ſtill’ und einſam an? Kioſem. Ach! wirf den Tittel hin/ Und dencke: daß diß nur mehr durch das Hertze ſchneidet/ Wenn/ was man war/ nicht ſey/ der Tittel uns beſcheidet. Mufti. Sie laſſe dieſes Ach und dieſe Klage mir/ 360Den Jbrahim/ der doch laͤß’t ieden Sclaven fuͤr/ Dem gleich ſein Kopf nicht ſo/ mie mir mein Hertze brennet/ Von ſeinem Antlitz ſtoͤß’t; mich Hund und Ketzer nennet/ Mir Strick und Moͤrſel dreu’t. Doch gib’t der Tod der Schmach Und unſer eigen Leid der Kinder Unfall nach. 365Es graͤm’t mich: daß ſolch Schimpf nicht bleiben kan verdecket: Wie Jbrahim mein Kind durch Noth-Zwang hat beflecket/ Auf die Geſchaͤndete ſo Fluch und Unflat ſpei’t/ Ja ſie als Hur und Magd zu meinem Hertzeleid Halb-nackt nach Hauſe ſchick’t. Solch Elend geh’t durch’s Hertze/ 370Friß’t Marck und Adern auß! Mit was fuͤr einem Schmertze Kwaͤl’t ſich denn Kioſem? Jhr Bild und Anſehn gleich’t Pompejens Seule ja/ die keinem Wetter weich’t/ See/ Well’ und Nord verlach’t. Jch ſehe ja vergnuͤget: Daß Sie vom Sultan hat die Freyheit wieder krieget. 375 Kioſem. Die Freyheit? leider ja! man laͤß’t ein wenig frey Ein angefaͤſſelt Wild/ wenn’s Jaͤgers Tyranney Zu ſeiner Kurtzweil wil den wuͤttenden Moloßen Sein Lehen opfern auf. Der ſo viel Blutt vergoſſen/ Der ſolche Greuclthat an’s Mufti Hauf’ außuͤb’t/ 380Der ſeine Mutter oft biß auf den Tod betruͤb’t/ Der/ die die Kron ihm gab/ in Keſichte verſtricket/ Sein eigen Fleiſch und Blutt ſich zu ermorden ſchicket/ Wird nur ſo lange noch mit meinem Jammer ſpiel’n; Biß ich den Blutt-Zahn werd in meinen Daͤrmern fuͤhl’n. 385 Mufti. Geduld und Hofnung mach’t des Ungluͤcks ſcharffe Pfeile/ Des Grimmes Klingen ſtumpf; Ja reiß’t die Donner-Keile Tyrannen auß der Hand. Der Tugend Eigenſchaft Gleich’t Palmen/ denen gib’t die Unterdruͤckung Kraft/ Mehr als des Gluͤckes Weſt. Die wird mit ihr noch bluͤhen/ 390Und alles Wetter ſich in Sonnenſchein verziehen. Ja/ weil mein Strauden ſie nur trifft am Ufer an Nicht zweifelnd: daß ein Wort von ihr mir helffen kan; Geruhe ſie mich doch beym Sultan einzulieben. Kioſem. Wen ſol die ſetzen ein/ die ſelber wird vertrieben? 395Ach Truͤbſand-voller Grund! weil mir mein Amurath Schon meinen Untergang beſtuͤrtz’t eroͤfnet hat. Mufti. Jhr laͤngſt-entblaſter Sohn? Kioſ. Der kaum von mir entwichen/ Als du in’s Zimmer trat’ſt. Mufti. wahr iſt’s: wenn/ die erblichen/ Durchbrechen Sarch und Gruft/ uns Warnung bringen bey; 400So glaͤub ich: daß das Beil ſchon auf den Racken ſey. Und denn iſt’s Wachens Zeit und auf ſein Heil zu ſinnen. Der edle Muſtafa haͤtt’ allzu wohl entrinnen Des Ruſtans Liſt gekoͤnn’t; haͤtt’ er nicht außer Acht Geſchlagen; was ein Geiſt im Traum ihm zugebracht/ 405Sein Prieſter außgeleg’t. Jmfall ihr nur zu rathen/ So komme ſie ſelbſt fuͤr des Sultans Moͤrderthaten. Kioſem. Zeig’ uns fuͤr die Gefahr ein ſicher Mittel an. Mufti. Wer ſicher geh’t/ erdruͤck’t den Wurm/ der ſchaden kan. Kioſem. Solt’ ich in’s Sohnes Blutt die Mutter-Haͤnde tauchen? 410 Mufti. Der iſt kein Sohn/ der vor laͤß’t Lieb und Hold verrauchen. Kioſem. Fuͤr dieſer That entſetz’t ſich die Natur in mir. Mufti. Die eig’ne Wolfarth geht der Kinder-Liebe fuͤr. Kioſem. Wer hat ſo jaͤmmerlich ie auf ſein Fleiſch gewuͤttet? Mufti. Wie viel hat Suleiman nicht Kinderblutt verſchuͤttet? Er
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Mit ſchoͤnen Beeren wird/ ſey Tod und Strick geſtel’t.
Der Gunſt-Strahl/ der auf mich von’s Sultans Augen faͤll’t/
Wil mich ein Sterbe Licht und Todten-Fackel deuchten/
Die mir lebendigen voran zu Grabe leuchten.
So tieff bin ich gefall’n! So geht’s; wer in die Luft
Leg’t Schloͤſſer in den Grund/ der bau’t in tiefſter Kluft
Jhm Fall-Braͤck und Verderb. Ach! Kioſem/ itzt lerne:
Der Erde Sonnen ſind Jrrlichter/ keine Sterne.
Kioſem. Mufti.
Mufti. WJe treff ich ſo beſtuͤrtz’t die groſſe Kaͤyſerin
So ſtill’ und einſam an?
Kioſem. Ach! wirf den Tittel hin/
Und dencke: daß diß nur mehr durch das Hertze ſchneidet/
Wenn/ was man war/ nicht ſey/ der Tittel uns beſcheidet.
Mufti. Sie laſſe dieſes Ach und dieſe Klage mir/
Den Jbrahim/ der doch laͤß’t ieden Sclaven fuͤr/
Dem gleich ſein Kopf nicht ſo/ mie mir mein Hertze brennet/
Von ſeinem Antlitz ſtoͤß’t; mich Hund und Ketzer nennet/
Mir Strick und Moͤrſel dreu’t. Doch gib’t der Tod der Schmach
Und unſer eigen Leid der Kinder Unfall nach.
Es graͤm’t mich: daß ſolch Schimpf nicht bleiben kan verdecket:
Wie Jbrahim mein Kind durch Noth-Zwang hat beflecket/
Auf die Geſchaͤndete ſo Fluch und Unflat ſpei’t/
Ja ſie als Hur und Magd zu meinem Hertzeleid
Halb-nackt nach Hauſe ſchick’t. Solch Elend geh’t durch’s Hertze/
Friß’t Marck und Adern auß! Mit was fuͤr einem Schmertze
Kwaͤl’t ſich denn Kioſem? Jhr Bild und Anſehn gleich’t
Pompejens Seule ja/ die keinem Wetter weich’t/
See/ Well’ und Nord verlach’t. Jch ſehe ja vergnuͤget:
Daß Sie vom Sultan hat die Freyheit wieder krieget.
Kioſem. Die Freyheit? leider ja! man laͤß’t ein wenig frey
Ein angefaͤſſelt Wild/ wenn’s Jaͤgers Tyranney
Zu ſeiner Kurtzweil wil den wuͤttenden Moloßen
Sein Lehen opfern auf. Der ſo viel Blutt vergoſſen/
Der ſolche Greuclthat an’s Mufti Hauf’ außuͤb’t/
Der ſeine Mutter oft biß auf den Tod betruͤb’t/
Der/ die die Kron ihm gab/ in Keſichte verſtricket/
Sein eigen Fleiſch und Blutt ſich zu ermorden ſchicket/
Wird nur ſo lange noch mit meinem Jammer ſpiel’n;
Biß ich den Blutt-Zahn werd in meinen Daͤrmern fuͤhl’n.
Mufti. Geduld und Hofnung mach’t des Ungluͤcks ſcharffe Pfeile/
Des Grimmes Klingen ſtumpf; Ja reiß’t die Donner-Keile
Tyrannen auß der Hand. Der Tugend Eigenſchaft
Gleich’t Palmen/ denen gib’t die Unterdruͤckung Kraft/
Mehr als des Gluͤckes Weſt. Die wird mit ihr noch bluͤhen/
Und alles Wetter ſich in Sonnenſchein verziehen.
Ja/ weil mein Strauden ſie nur trifft am Ufer an
Nicht zweifelnd: daß ein Wort von ihr mir helffen kan;
Geruhe ſie mich doch beym Sultan einzulieben.
Kioſem. Wen ſol die ſetzen ein/ die ſelber wird vertrieben?
Ach Truͤbſand-voller Grund! weil mir mein Amurath
Schon meinen Untergang beſtuͤrtz’t eroͤfnet hat.
Mufti. Jhr laͤngſt-entblaſter Sohn?
Kioſ. Der kaum von mir entwichen/
Als du in’s Zimmer trat’ſt.
Mufti. wahr iſt’s: wenn/ die erblichen/
Durchbrechen Sarch und Gruft/ uns Warnung bringen bey;
So glaͤub ich: daß das Beil ſchon auf den Racken ſey.
Und denn iſt’s Wachens Zeit und auf ſein Heil zu ſinnen.
Der edle Muſtafa haͤtt’ allzu wohl entrinnen
Des Ruſtans Liſt gekoͤnn’t; haͤtt’ er nicht außer Acht
Geſchlagen; was ein Geiſt im Traum ihm zugebracht/
Sein Prieſter außgeleg’t. Jmfall ihr nur zu rathen/
So komme ſie ſelbſt fuͤr des Sultans Moͤrderthaten.
Kioſem. Zeig’ uns fuͤr die Gefahr ein ſicher Mittel an.
Mufti. Wer ſicher geh’t/ erdruͤck’t den Wurm/ der ſchaden kan.
Kioſem. Solt’ ich in’s Sohnes Blutt die Mutter-Haͤnde tauchen?
Mufti. Der iſt kein Sohn/ der vor laͤß’t Lieb und Hold verrauchen.
Kioſem. Fuͤr dieſer That entſetz’t ſich die Natur in mir.
Mufti. Die eig’ne Wolfarth geht der Kinder-Liebe fuͤr.
Kioſem. Wer hat ſo jaͤmmerlich ie auf ſein Fleiſch gewuͤttet?
Mufti. Wie viel hat Suleiman nicht Kinderblutt verſchuͤttet?
Er
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Zitationshilfe: | Lohenstein, Daniel Casper von: Ibrahim Sultan. Leipzig, 1673, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_ibrahim_1673/60>, abgerufen am 16.02.2025. |