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Lohenstein, Daniel Casper von: Ibrahim Sultan. Leipzig, 1673.

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Kiosem. Jhr Helden/ lasset euch die Mutter doch erbitten;
Laß't so viel Thränen sie vergebens nicht verschütten!
Und sänftig't mit Vernunft und Gnade strenges Recht.
Ein Herr/ ermordet nicht/ stracks/ wenn er fehl't/ den Knecht.
Wie/ daß denn euer Haupt/ dafern es was verbrochen/
640Stracks sol zermalmet seyn? GOtt hat auch stets gerochen
Verübten Fürsten-Mord. Nicht einer/ der durch Blutt
Des Oßmanns sich befleck't/ ja der nur seinen Muth
Und Muthwill'n hat gekühl't an seiner Todten Leiche/
Bläss't mehr den Athem auß. Der selber/ der im Reiche
645Dem Sultan folgen wird/ wird strenger Recher seyn.
Denn durch diß setzt ein Fürst sich fest in Bügel ein.
Mufti. Umbsonst! der Blutthund kan/ wo uns des Himmels Rache
Nicht selber stürtzen sol/ mit seiner bösen Sache
Der Strasse nicht entgeh'n.
Bectas. Fort mit ihm! greiff't ihn an!
650
Kiosem. Jhr Helden/ wo er ja nicht ungestrafft seyn kan;
So straft nicht übers Maaß; und schon't des Fürsten-Bluttes.
Mehemet. Kein furchtsam Mittel schaf't im Straffen etwas Guttes.
Die Wasserwolcke/ die der Fürsten Aug einhüll't/
Steck't voller Donnerkeil und ist mit Rach erfüll't.
655Ja wer ein hohes Haupt beleidiget/ nicht fället/
Thut Thör'chter/ als der sich nach der Verletzung stellet
Dem Löwen Wehrloß für/ ja sonder ein Geschooß
Ein grimmes Waldschwein neck't.
Kios. Jhr seyd des Kummers loß/
Wenn Jbrahim gib't Heft und Waffen auß den Händen.

660
2. Cadilesch. Laß't euch durch solchen Dunst nicht Hertz' und Augen bländen/
Weil sich die Schlange rühr't/ versuch't sie Gift und Stich.
Kiosem. Vielleicht ist Jbrahim zu lencken: daß er sich
Des Zepters selbst entzeucht.
Ibrah. Ha! laß uns lieber sterben!
Kiosem. Nimm Zeit und Nothstand wahr. Der Abend kan erwerben/
665Was uns der Mittag raub't. Als Mustafa gleich fiel
Jn Kercker von dem Thron/ erlang't er doch das Ziel
Des Herrschens durch den Tod des Sultan Oßmanns wieder.
Auch leg't Geduld und Zeit den grösten Eyfer nieder.
Ibrah. Wer würde denn nach mir des Oßmanns Zepter führ'n;
670
Kiosem. Wer? als dein Sohn. Hierumb darffstu kein Wort verlier'n.
Ibrah. Sie mach's denn/ wie sie kan.
Kios. Euch Helden wird bewegen:
Daß sich der Fürst entschleust den Zepter abzulegen.
Solch hoher Fall wird euch ja Straffe seyn genung.
Wer Fürstlich ist gezeug't/ im Purper worden jung/
675.Das Herrschen hat geschmeck't; kan ärger nicht erblassen/
Der ist schon lebend todt/ der's Reich muß fahren lassen.
Mehemet. Betrug und Stachelist von Süssigkeit nicht fern;
Ibrah. Ach! möget ihr mich doch in ersten Kercker sperr'n.
Mufti. Ob mich der Blutthund gleich am ärgsten hat verletzet/
680So wäre doch mein Rath: daß er würd eingesetzet
Jn Kercker/ wo ihn Sonn und Monde nicht beschein't.
Bectas. Er hat zwar mehr verkerb't; doch weil es Mufti meyn't/
Die Sultanin für ihn so gar beweglich bittet/
Sol Er nicht nach Verdienst mit Rache seyn beschüttet.
685Geh't aber schlepp't ihn bald in's ersten Kerckers Loch.
Mufti. Eröfnet durch die Stadt: des Blutthunds strenges Joch
Sey glücklich abgeweltz't; und daß von seinen Söhnen
Man itzt den Eltsten wird zum Türck'schen Sultan krönen.
Printz Machmet werd' alsbald hieher ins Zimmer bracht.

690
Kiosem. Verwirrtes Trauerspiel! verkehrte Mitter-Nacht!
Da ich den Sohn vergeh'n/ den Enckel wachsen schaue.
Leb't iemand/ welchem nicht für diesem Zucker graue
Des Herrschens/ der zu letzt als Gall und Essig schmeckt?
Wie/ daß Regiersucht den fast iede Seel' ansteck't?

695
Mufti. Daß man den grossen Printz auf Oßmans Steul erhebe!
1. Cadilesch. Daß ein Schneeweiß Gewand des Printzen Leib umbgebe.
2 Cadilesch. Heng't ihm den Mantel umb von Gold und Karmosin.
Mufti. Reich't ihm den grünen Bund/ die Seiger-Federn hin.
1. Cadil. Die Säbel gürtet ihm des Oßmans umb die Lenden.
700
2. Cadil. Erhebt und tragt nunmehr den Machmet auf den Händen.
Mehemet. Das Volck erkläre sich: Sol Machmet Käyser seyn?
Alle. Der Sultan Machmet herrsch! Jedweder stimmet ein.
1. Cadil. Diß Jahr/ das seinen Lauff führ't nach der Arth des Löwen/
Weissagt: daß ihn die Welt als ein solch Thier wird scheuen.
Daß
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Kioſem. Jhr Helden/ laſſet euch die Mutter doch erbitten;
Laß’t ſo viel Thraͤnen ſie vergebens nicht verſchuͤtten!
Und ſaͤnftig’t mit Vernunft und Gnade ſtrenges Recht.
Ein Herr/ ermordet nicht/ ſtracks/ wenn er fehl’t/ den Knecht.
Wie/ daß denn euer Haupt/ dafern es was verbrochen/
640Stracks ſol zermalmet ſeyn? GOtt hat auch ſtets gerochen
Veruͤbten Fuͤrſten-Mord. Nicht einer/ der durch Blutt
Des Oßmanns ſich befleck’t/ ja der nur ſeinen Muth
Und Muthwill’n hat gekuͤhl’t an ſeiner Todten Leiche/
Blaͤſſ’t mehr den Athem auß. Der ſelber/ der im Reiche
645Dem Sultan folgen wird/ wird ſtrenger Recher ſeyn.
Denn durch diß ſetzt ein Fuͤrſt ſich feſt in Buͤgel ein.
Mufti. Umbſonſt! der Blutthund kan/ wo uns des Himmels Rache
Nicht ſelber ſtuͤrtzen ſol/ mit ſeiner boͤſen Sache
Der Straſſe nicht entgeh’n.
Bectas. Fort mit ihm! greiff’t ihn an!
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Kioſem. Jhr Helden/ wo er ja nicht ungeſtrafft ſeyn kan;
So ſtraft nicht uͤbers Maaß; und ſchon’t des Fuͤrſten-Bluttes.
Mehemet. Kein furchtſam Mittel ſchaf’t im Straffen etwas Guttes.
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Steck’t voller Donnerkeil und iſt mit Rach erfuͤll’t.
655Ja wer ein hohes Haupt beleidiget/ nicht faͤllet/
Thut Thoͤr’chter/ als der ſich nach der Verletzung ſtellet
Dem Loͤwen Wehrloß fuͤr/ ja ſonder ein Geſchooß
Ein grimmes Waldſchwein neck’t.
Kioſ. Jhr ſeyd des Kum̃ers loß/
Wenn Jbrahim gib’t Heft und Waffen auß den Haͤnden.

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2. Cadileſch. Laß’t euch durch ſolchen Dunſt nicht Hertz’ und Augen blaͤnden/
Weil ſich die Schlange ruͤhr’t/ verſuch’t ſie Gift und Stich.
Kioſem. Vielleicht iſt Jbrahim zu lencken: daß er ſich
Des Zepters ſelbſt entzeucht.
Ibrah. Ha! laß uns lieber ſterben!
Kioſem. Nimm Zeit und Nothſtand wahr. Der Abend kan erwerben/
665Was uns der Mittag raub’t. Als Muſtafa gleich fiel
Jn Kercker von dem Thron/ erlang’t er doch das Ziel
Des Herꝛſchens durch den Tod des Sultan Oßmanns wieder.
Auch leg’t Geduld und Zeit den groͤſten Eyfer nieder.
Ibrah. Wer wuͤrde denn nach mir des Oßmanns Zepter fuͤhr’n;
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Kioſem. Wer? als dein Sohn. Hierumb darffſtu kein Wort verlier’n.
Ibrah. Sie mach’s denn/ wie ſie kan.
Kioſ. Euch Helden wird bewegen:
Daß ſich der Fuͤrſt entſchleuſt den Zepter abzulegen.
Solch hoher Fall wird euch ja Straffe ſeyn genung.
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Jn Kercker/ wo ihn Sonn und Monde nicht beſchein’t.
Bectas. Er hat zwar mehr verkerb’t; doch weil es Mufti meyn’t/
Die Sultanin fuͤr ihn ſo gar beweglich bittet/
Sol Er nicht nach Verdienſt mit Rache ſeyn beſchuͤttet.
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Mufti. Eroͤfnet durch die Stadt: des Blutthunds ſtrenges Joch
Sey gluͤcklich abgeweltz’t; und daß von ſeinen Soͤhnen
Man itzt den Eltſten wird zum Tuͤrck’ſchen Sultan kroͤnen.
Printz Machmet werd’ alsbald hieher ins Zimmer bracht.

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Kioſem. Verwirrtes Trauerſpiel! verkehrte Mitter-Nacht!
Da ich den Sohn vergeh’n/ den Enckel wachſen ſchaue.
Leb’t iemand/ welchem nicht fuͤr dieſem Zucker graue
Des Herꝛſchens/ der zu letzt als Gall und Eſſig ſchmeckt?
Wie/ daß Regierſucht den faſt iede Seel’ anſteck’t?

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Mufti. Daß man den groſſen Printz auf Oßmans Steul erhebe!
1. Cadileſch. Daß ein Schneeweiß Gewand des Printzen Leib umbgebe.
2 Cadileſch. Heng’t ihm den Mantel umb von Gold und Karmoſin.
Mufti. Reich’t ihm den gruͤnen Bund/ die Seiger-Federn hin.
1. Cadil. Die Saͤbel guͤrtet ihm des Oßmans umb die Lenden.
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2. Cadil. Erhebt und tragt nunmehr den Machmet auf den Haͤnden.
Mehemet. Das Volck erklaͤre ſich: Sol Machmet Kaͤyſer ſeyn?
Alle. Der Sultan Machmet herꝛſch! Jedweder ſtimmet ein.
1. Cadil. Diß Jahr/ das ſeinen Lauff fuͤhr’t nach der Arth des Loͤwen/
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[55/0073] Kioſem. Jhr Helden/ laſſet euch die Mutter doch erbitten; Laß’t ſo viel Thraͤnen ſie vergebens nicht verſchuͤtten! Und ſaͤnftig’t mit Vernunft und Gnade ſtrenges Recht. Ein Herr/ ermordet nicht/ ſtracks/ wenn er fehl’t/ den Knecht. Wie/ daß denn euer Haupt/ dafern es was verbrochen/ Stracks ſol zermalmet ſeyn? GOtt hat auch ſtets gerochen Veruͤbten Fuͤrſten-Mord. Nicht einer/ der durch Blutt Des Oßmanns ſich befleck’t/ ja der nur ſeinen Muth Und Muthwill’n hat gekuͤhl’t an ſeiner Todten Leiche/ Blaͤſſ’t mehr den Athem auß. Der ſelber/ der im Reiche Dem Sultan folgen wird/ wird ſtrenger Recher ſeyn. Denn durch diß ſetzt ein Fuͤrſt ſich feſt in Buͤgel ein. Mufti. Umbſonſt! der Blutthund kan/ wo uns des Himmels Rache Nicht ſelber ſtuͤrtzen ſol/ mit ſeiner boͤſen Sache Der Straſſe nicht entgeh’n. Bectas. Fort mit ihm! greiff’t ihn an! Kioſem. Jhr Helden/ wo er ja nicht ungeſtrafft ſeyn kan; So ſtraft nicht uͤbers Maaß; und ſchon’t des Fuͤrſten-Bluttes. Mehemet. Kein furchtſam Mittel ſchaf’t im Straffen etwas Guttes. Die Waſſerwolcke/ die der Fuͤrſten Aug einhuͤll’t/ Steck’t voller Donnerkeil und iſt mit Rach erfuͤll’t. Ja wer ein hohes Haupt beleidiget/ nicht faͤllet/ Thut Thoͤr’chter/ als der ſich nach der Verletzung ſtellet Dem Loͤwen Wehrloß fuͤr/ ja ſonder ein Geſchooß Ein grimmes Waldſchwein neck’t. Kioſ. Jhr ſeyd des Kum̃ers loß/ Wenn Jbrahim gib’t Heft und Waffen auß den Haͤnden. 2. Cadileſch. Laß’t euch durch ſolchen Dunſt nicht Hertz’ und Augen blaͤnden/ Weil ſich die Schlange ruͤhr’t/ verſuch’t ſie Gift und Stich. Kioſem. Vielleicht iſt Jbrahim zu lencken: daß er ſich Des Zepters ſelbſt entzeucht. Ibrah. Ha! laß uns lieber ſterben! Kioſem. Nimm Zeit und Nothſtand wahr. Der Abend kan erwerben/ Was uns der Mittag raub’t. Als Muſtafa gleich fiel Jn Kercker von dem Thron/ erlang’t er doch das Ziel Des Herꝛſchens durch den Tod des Sultan Oßmanns wieder. Auch leg’t Geduld und Zeit den groͤſten Eyfer nieder. Ibrah. Wer wuͤrde denn nach mir des Oßmanns Zepter fuͤhr’n; Kioſem. Wer? als dein Sohn. Hierumb darffſtu kein Wort verlier’n. Ibrah. Sie mach’s denn/ wie ſie kan. Kioſ. Euch Helden wird bewegen: Daß ſich der Fuͤrſt entſchleuſt den Zepter abzulegen. Solch hoher Fall wird euch ja Straffe ſeyn genung. Wer Fuͤrſtlich iſt gezeug’t/ im Purper worden jung/ Das Herꝛſchen hat geſchmeck’t; kan aͤrger nicht erblaſſen/ Der iſt ſchon lebend todt/ der’s Reich muß fahren laſſen. Mehemet. Betrug und Stacheliſt von Suͤſſigkeit nicht fern; Ibrah. Ach! moͤget ihr mich doch in erſten Kercker ſperr’n. Mufti. Ob mich der Blutthund gleich am aͤrgſten hat verletzet/ So waͤre doch mein Rath: daß er wuͤrd eingeſetzet Jn Kercker/ wo ihn Sonn und Monde nicht beſchein’t. Bectas. Er hat zwar mehr verkerb’t; doch weil es Mufti meyn’t/ Die Sultanin fuͤr ihn ſo gar beweglich bittet/ Sol Er nicht nach Verdienſt mit Rache ſeyn beſchuͤttet. Geh’t aber ſchlepp’t ihn bald in’s erſten Kerckers Loch. Mufti. Eroͤfnet durch die Stadt: des Blutthunds ſtrenges Joch Sey gluͤcklich abgeweltz’t; und daß von ſeinen Soͤhnen Man itzt den Eltſten wird zum Tuͤrck’ſchen Sultan kroͤnen. Printz Machmet werd’ alsbald hieher ins Zimmer bracht. Kioſem. Verwirrtes Trauerſpiel! verkehrte Mitter-Nacht! Da ich den Sohn vergeh’n/ den Enckel wachſen ſchaue. Leb’t iemand/ welchem nicht fuͤr dieſem Zucker graue Des Herꝛſchens/ der zu letzt als Gall und Eſſig ſchmeckt? Wie/ daß Regierſucht den faſt iede Seel’ anſteck’t? Mufti. Daß man den groſſen Printz auf Oßmans Steul erhebe! 1. Cadileſch. Daß ein Schneeweiß Gewand des Printzen Leib umbgebe. 2 Cadileſch. Heng’t ihm den Mantel umb von Gold und Karmoſin. Mufti. Reich’t ihm den gruͤnen Bund/ die Seiger-Federn hin. 1. Cadil. Die Saͤbel guͤrtet ihm des Oßmans umb die Lenden. 2. Cadil. Erhebt und tragt nunmehr den Machmet auf den Haͤnden. Mehemet. Das Volck erklaͤre ſich: Sol Machmet Kaͤyſer ſeyn? Alle. Der Sultan Machmet herꝛſch! Jedweder ſtimmet ein. 1. Cadil. Diß Jahr/ das ſeinen Lauff fuͤhr’t nach der Arth des Loͤwen/ Weiſſagt: daß ihn die Welt als ein ſolch Thier wird ſcheuen. Daß

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Ibrahim Sultan. Leipzig, 1673, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_ibrahim_1673/73>, abgerufen am 21.11.2024.