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Lohenstein, Daniel Casper von: Sophonisbe. Breslau, 1680.

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SOPHONISBE.
295Der strenge Scipio reißt Eh und Recht entzwey/
Spricht: daß die Königin der Römer Sclavin sey/
Die müste Rom und ihm sein Siegs-Gepränge zieren.
Sie selbst kan unschwer fühln/ wie dis sein Hertze rühren
Der Seele weh thun muß. Weil nun nicht Müh und Fleiß
300Sein letzter Tropfen Blutt ihr nicht zu helffen weiß/
Noch auß der Löwen Klau und dieser Tyger Rachen/
Sie seinen liebsten Schatz lebendig loß zu machen;
So heißt ihn Treu und Schwur ihr liefern Gift und Tod.
Jhr Uhrsprung/ ihre Würd'/ ihr Witz/ ihr Stand der Noth/
305Jhr Vaterland wird ihr hier schon den Ausschlag geben:
Ob's Sterben besser sey/ als in den Fesseln leben.
Sophon. Willkommen süsser Tranck! Jch nehm' ihn freudig an/
Weil Masanissa mir nichts bessers schencken kan.
Gewünschter Freyheits-Saft! verlangte Morgengabe!
310Disalces/ sichre dich: kein güldner Apfel habe
So angenehmen Saft/ kein Weinstock süssern Wein/
Als Masanissens Tranck/ schenckt er mir Gift gleich ein.
Mein Freund/ geh' und laß' ihn von Sophonisben wissen:
Daß wie wir itzt mit Lust sein Trinckgeschirre küssen/
315So auch die Zunge bald dis Necktar schmecken sol.
Es lebe Masaniß/ und dencke dieser wol;
Die ihn itzt sterbende zu gutter Nacht gesegnet.
Geh meld' ihm: daß uns dis/ was uns von ihm begegnet/
Den Leib trennt/ nicht die Lieb'; ob uns schon hertzlich leid
320Die wider unsern Ruhm begang'ne Eitelkeit:
Daß wir zum andern mal uns erst verehlicht haben/
Als das Verhängnüs uns schon eine Gruft hies graben.
Doch ein behertzter Todt lescht alle Flecken aus/
Ja Ruhm und Lorbern ziern der Tugend Asch' und Graus.

Sopho-
F 4
SOPHONISBE.
295Der ſtrenge Scipio reißt Eh und Recht entzwey/
Spricht: daß die Koͤnigin der Roͤmer Sclavin ſey/
Die muͤſte Rom und ihm ſein Siegs-Gepraͤnge zieren.
Sie ſelbſt kan unſchwer fuͤhln/ wie dis ſein Hertze ruͤhren
Der Seele weh thun muß. Weil nun nicht Muͤh und Fleiß
300Sein letzter Tropfen Blutt ihr nicht zu helffen weiß/
Noch auß der Loͤwen Klau und dieſer Tyger Rachen/
Sie ſeinen liebſten Schatz lebendig loß zu machen;
So heißt ihn Treu und Schwur ihr liefern Gift und Tod.
Jhr Uhrſprung/ ihre Wuͤrd’/ ihr Witz/ ihr Stand der Noth/
305Jhr Vaterland wird ihr hier ſchon den Ausſchlag geben:
Ob’s Sterben beſſer ſey/ als in den Feſſeln leben.
Sophon. Willkommen ſuͤſſer Tranck! Jch nehm’ ihn freudig an/
Weil Maſaniſſa mir nichts beſſers ſchencken kan.
Gewuͤnſchter Freyheits-Saft! verlangte Morgengabe!
310Diſalces/ ſichre dich: kein guͤldner Apfel habe
So angenehmen Saft/ kein Weinſtock ſuͤſſern Wein/
Als Maſaniſſens Tranck/ ſchenckt er mir Gift gleich ein.
Mein Freund/ geh’ und laß’ ihn von Sophonisben wiſſen:
Daß wie wir itzt mit Luſt ſein Trinckgeſchirre kuͤſſen/
315So auch die Zunge bald dis Necktar ſchmecken ſol.
Es lebe Maſaniß/ und dencke dieſer wol;
Die ihn itzt ſterbende zu gutter Nacht geſegnet.
Geh meld’ ihm: daß uns dis/ was uns von ihm begegnet/
Den Leib trennt/ nicht die Lieb’; ob uns ſchon hertzlich leid
320Die wider unſern Ruhm begang’ne Eitelkeit:
Daß wir zum andern mal uns erſt verehlicht haben/
Als das Verhaͤngnuͤs uns ſchon eine Gruft hies graben.
Doch ein behertzter Todt leſcht alle Flecken aus/
Ja Ruhm und Lorbern ziern der Tugend Aſch’ und Graus.

Sopho-
F 4
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[87/0124] SOPHONISBE. Der ſtrenge Scipio reißt Eh und Recht entzwey/ Spricht: daß die Koͤnigin der Roͤmer Sclavin ſey/ Die muͤſte Rom und ihm ſein Siegs-Gepraͤnge zieren. Sie ſelbſt kan unſchwer fuͤhln/ wie dis ſein Hertze ruͤhren Der Seele weh thun muß. Weil nun nicht Muͤh und Fleiß Sein letzter Tropfen Blutt ihr nicht zu helffen weiß/ Noch auß der Loͤwen Klau und dieſer Tyger Rachen/ Sie ſeinen liebſten Schatz lebendig loß zu machen; So heißt ihn Treu und Schwur ihr liefern Gift und Tod. Jhr Uhrſprung/ ihre Wuͤrd’/ ihr Witz/ ihr Stand der Noth/ Jhr Vaterland wird ihr hier ſchon den Ausſchlag geben: Ob’s Sterben beſſer ſey/ als in den Feſſeln leben. Sophon. Willkommen ſuͤſſer Tranck! Jch nehm’ ihn freudig an/ Weil Maſaniſſa mir nichts beſſers ſchencken kan. Gewuͤnſchter Freyheits-Saft! verlangte Morgengabe! Diſalces/ ſichre dich: kein guͤldner Apfel habe So angenehmen Saft/ kein Weinſtock ſuͤſſern Wein/ Als Maſaniſſens Tranck/ ſchenckt er mir Gift gleich ein. Mein Freund/ geh’ und laß’ ihn von Sophonisben wiſſen: Daß wie wir itzt mit Luſt ſein Trinckgeſchirre kuͤſſen/ So auch die Zunge bald dis Necktar ſchmecken ſol. Es lebe Maſaniß/ und dencke dieſer wol; Die ihn itzt ſterbende zu gutter Nacht geſegnet. Geh meld’ ihm: daß uns dis/ was uns von ihm begegnet/ Den Leib trennt/ nicht die Lieb’; ob uns ſchon hertzlich leid Die wider unſern Ruhm begang’ne Eitelkeit: Daß wir zum andern mal uns erſt verehlicht haben/ Als das Verhaͤngnuͤs uns ſchon eine Gruft hies graben. Doch ein behertzter Todt leſcht alle Flecken aus/ Ja Ruhm und Lorbern ziern der Tugend Aſch’ und Graus. Sopho- F 4

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Sophonisbe. Breslau, 1680, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_sophonisbe_1680/124>, abgerufen am 24.11.2024.