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Lohenstein, Daniel Casper von: Sophonisbe. Breslau, 1680.

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SOPHONISBE.
Die Rache.
Schaut: wo mein Grimm hin Sophonisben reißt?
Sie opfert selbst ihr Kind. Kan grimmers was geschehn?
Ja ich tag' aus der Gruft Achillens Geist:
560Daß er Polyxenen ihm kan geschlachtet sehn.
Der Neid.
Kein wüttend Hund/ kein Molch/ kein Scorpion
Jst/ der mehr giftig sich als meine Faust beweist.
Denn sie verstimmt des Orpheus süssen Thon;
Daß ihn der Bachchen Grimm in tausend stücke reißt.
Die Rache.
565
Aus Basilißk- und Drachen-Augen fährt
Kein solch vergiftet Blitz/ als wenn mein Eyfer kreischt.
Aetaeon wird durch mich in Hirsch verkehrt/
Und meiner Hunde Grimm ist's/ der ihn so zerfleischt.
Die Furcht.
Die Furcht läscht aus der Seele selbst ihr Licht.
570Daß Daphne wird ein Baum/ die Syrinx schilficht Rohr.
Andromedens gebräuntes Angesicht
Wird Perlen-weiß/ so bald der Wallfisch schwimmt empor.
Die Rache.
Mein Werckzeug ist auch Drach' und Crocodil/
Der Juno Schlangen zihn Aleiden in den Streit;
575Ja mir tantzt nach/ wenn ich in Reyen wil/
Furcht/ Freude/ Schrecken/ Haß/ Begierde/ Liebe/ Neid.
Die Seele der Sophonisbe.
Ja! alle die beherbergt meine Brust/
Seit mein verletzter Geist für Rach' und Eyfer glühet.
Die Liebe schöpft an meinen Kindern Lust/
580Wenn sie die Mordlust sich in ihnen wittern siehet.
Jch hasse Rom/ und fürchte seine Macht.
Mich tröstet Syphaxs Flucht/ ich meide's Feindes Glücke.
Mich schreckt die schon zweymal verlohrne Schlacht.
Nimm/ Rache/ dir den Preiß. Doch Blitz zerbrich die Stricke!
Die
B 2
SOPHONISBE.
Die Rache.
Schaut: wo mein Grim̃ hin Sophonisben reißt?
Sie opfert ſelbſt ihr Kind. Kan grimmers was geſchehn?
Ja ich tag’ aus der Gruft Achillens Geiſt:
560Daß er Polyxenen ihm kan geſchlachtet ſehn.
Der Neid.
Kein wuͤttend Hund/ kein Molch/ kein Scorpion
Jſt/ der mehr giftig ſich als meine Fauſt beweiſt.
Denn ſie verſtim̃t des Orpheus ſuͤſſen Thon;
Daß ihn der Bachchen Grim̃ in tauſend ſtuͤcke reißt.
Die Rache.
565
Aus Baſilißk- und Drachen-Augen faͤhrt
Kein ſolch vergiftet Blitz/ als wenn mein Eyfer kreiſcht.
Aetæon wird durch mich in Hirſch verkehrt/
Und meiner Hunde Grim̃ iſt’s/ der ihn ſo zerfleiſcht.
Die Furcht.
Die Furcht laͤſcht aus der Seele ſelbſt ihr Licht.
570Daß Daphne wird ein Baum/ die Syrinx ſchilficht Rohr.
Andromedens gebraͤuntes Angeſicht
Wird Perlen-weiß/ ſo bald der Wallfiſch ſchwim̃t empor.
Die Rache.
Mein Werckzeug iſt auch Drach’ und Crocodil/
Der Juno Schlangen zihn Aleiden in den Streit;
575Ja mir tantzt nach/ wenn ich in Reyen wil/
Furcht/ Freude/ Schrecken/ Haß/ Begierde/ Liebe/ Neid.
Die Seele der Sophonisbe.
Ja! alle die beherbergt meine Bruſt/
Seit mein verletzter Geiſt fuͤr Rach’ und Eyfer gluͤhet.
Die Liebe ſchoͤpft an meinen Kindern Luſt/
580Wenn ſie die Mordluſt ſich in ihnen wittern ſiehet.
Jch haſſe Rom/ und fuͤrchte ſeine Macht.
Mich troͤſtet Syphaxs Flucht/ ich meide’s Feindes Gluͤcke.
Mich ſchreckt die ſchon zweymal verlohrne Schlacht.
Nim̃/ Rache/ dir den Preiß. Doch Blitz zerbrich die Stricke!
Die
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[19/0056] SOPHONISBE. Die Rache. Schaut: wo mein Grim̃ hin Sophonisben reißt? Sie opfert ſelbſt ihr Kind. Kan grimmers was geſchehn? Ja ich tag’ aus der Gruft Achillens Geiſt: Daß er Polyxenen ihm kan geſchlachtet ſehn. Der Neid. Kein wuͤttend Hund/ kein Molch/ kein Scorpion Jſt/ der mehr giftig ſich als meine Fauſt beweiſt. Denn ſie verſtim̃t des Orpheus ſuͤſſen Thon; Daß ihn der Bachchen Grim̃ in tauſend ſtuͤcke reißt. Die Rache. Aus Baſilißk- und Drachen-Augen faͤhrt Kein ſolch vergiftet Blitz/ als wenn mein Eyfer kreiſcht. Aetæon wird durch mich in Hirſch verkehrt/ Und meiner Hunde Grim̃ iſt’s/ der ihn ſo zerfleiſcht. Die Furcht. Die Furcht laͤſcht aus der Seele ſelbſt ihr Licht. Daß Daphne wird ein Baum/ die Syrinx ſchilficht Rohr. Andromedens gebraͤuntes Angeſicht Wird Perlen-weiß/ ſo bald der Wallfiſch ſchwim̃t empor. Die Rache. Mein Werckzeug iſt auch Drach’ und Crocodil/ Der Juno Schlangen zihn Aleiden in den Streit; Ja mir tantzt nach/ wenn ich in Reyen wil/ Furcht/ Freude/ Schrecken/ Haß/ Begierde/ Liebe/ Neid. Die Seele der Sophonisbe. Ja! alle die beherbergt meine Bruſt/ Seit mein verletzter Geiſt fuͤr Rach’ und Eyfer gluͤhet. Die Liebe ſchoͤpft an meinen Kindern Luſt/ Wenn ſie die Mordluſt ſich in ihnen wittern ſiehet. Jch haſſe Rom/ und fuͤrchte ſeine Macht. Mich troͤſtet Syphaxs Flucht/ ich meide’s Feindes Gluͤcke. Mich ſchreckt die ſchon zweymal verlohrne Schlacht. Nim̃/ Rache/ dir den Preiß. Doch Blitz zerbrich die Stricke! Die B 2

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Sophonisbe. Breslau, 1680, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_sophonisbe_1680/56>, abgerufen am 16.05.2024.