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Lohmann, Friederike: Die Entscheidung bei Hochkirch. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 63–137. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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uns nur darüber freuen könnten. Aber wenn er gesund ist, wird er von uns gerissen, und wir sollen nicht mit ihm. Du siehst auch blaß aus und recht eingefallen. Um Gottes willen, mache mir nicht auch Angst! Du bist ausgegangen, Abends, in der Herbstluft, ist das auch recht? Versprich mir heilig, es nicht wieder zu thun. Wo warst du auch?

Bei dem Gevatter, sagte Justine. Denkst du, es wäre ohne Ursach geschehen? Es war mir selbst, als sollte ich in den Tod gehen, mir schwindelte auf der Straße und ich befahl dem Herrn meine Seele. Aber ich kam doch glücklich an und habe nur einen Schnupfen davongetragen.

Du darfst nicht wieder fort! rief Mariane, es wäre unrecht von dir, wenn du noch mehr Angst auf mich häuftest. Ach, Justine, was wird aus uns werden? Wenn in der Nacht Alles still ist und ich mir den Vater im feuchten Kerker denke, kränklich und ohne seine Kinder! -- da ergreift mich Todesangst, und ich mache mir bittere Vorwürfe, weil das Unglück durch mich gekommen ist. Ja, ich denke oft in der Verzweiflung, ich hätte Börner nicht abweisen sollen.

Gott bewahre und behüte dich, sagte Justine mit der alten Lebendigkeit. Das wäre wie in dem Lande, wovon ich gehört habe, und wo die Mädchen einem abscheulichen Ungeheuer geopfert werden. Ich weiß nicht, wo es gleich war, aber wahr ist es. Ihr kennt ihn nun, den Bösewicht. Wenn mich der Herr erhält, will

uns nur darüber freuen könnten. Aber wenn er gesund ist, wird er von uns gerissen, und wir sollen nicht mit ihm. Du siehst auch blaß aus und recht eingefallen. Um Gottes willen, mache mir nicht auch Angst! Du bist ausgegangen, Abends, in der Herbstluft, ist das auch recht? Versprich mir heilig, es nicht wieder zu thun. Wo warst du auch?

Bei dem Gevatter, sagte Justine. Denkst du, es wäre ohne Ursach geschehen? Es war mir selbst, als sollte ich in den Tod gehen, mir schwindelte auf der Straße und ich befahl dem Herrn meine Seele. Aber ich kam doch glücklich an und habe nur einen Schnupfen davongetragen.

Du darfst nicht wieder fort! rief Mariane, es wäre unrecht von dir, wenn du noch mehr Angst auf mich häuftest. Ach, Justine, was wird aus uns werden? Wenn in der Nacht Alles still ist und ich mir den Vater im feuchten Kerker denke, kränklich und ohne seine Kinder! — da ergreift mich Todesangst, und ich mache mir bittere Vorwürfe, weil das Unglück durch mich gekommen ist. Ja, ich denke oft in der Verzweiflung, ich hätte Börner nicht abweisen sollen.

Gott bewahre und behüte dich, sagte Justine mit der alten Lebendigkeit. Das wäre wie in dem Lande, wovon ich gehört habe, und wo die Mädchen einem abscheulichen Ungeheuer geopfert werden. Ich weiß nicht, wo es gleich war, aber wahr ist es. Ihr kennt ihn nun, den Bösewicht. Wenn mich der Herr erhält, will

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[0055] uns nur darüber freuen könnten. Aber wenn er gesund ist, wird er von uns gerissen, und wir sollen nicht mit ihm. Du siehst auch blaß aus und recht eingefallen. Um Gottes willen, mache mir nicht auch Angst! Du bist ausgegangen, Abends, in der Herbstluft, ist das auch recht? Versprich mir heilig, es nicht wieder zu thun. Wo warst du auch? Bei dem Gevatter, sagte Justine. Denkst du, es wäre ohne Ursach geschehen? Es war mir selbst, als sollte ich in den Tod gehen, mir schwindelte auf der Straße und ich befahl dem Herrn meine Seele. Aber ich kam doch glücklich an und habe nur einen Schnupfen davongetragen. Du darfst nicht wieder fort! rief Mariane, es wäre unrecht von dir, wenn du noch mehr Angst auf mich häuftest. Ach, Justine, was wird aus uns werden? Wenn in der Nacht Alles still ist und ich mir den Vater im feuchten Kerker denke, kränklich und ohne seine Kinder! — da ergreift mich Todesangst, und ich mache mir bittere Vorwürfe, weil das Unglück durch mich gekommen ist. Ja, ich denke oft in der Verzweiflung, ich hätte Börner nicht abweisen sollen. Gott bewahre und behüte dich, sagte Justine mit der alten Lebendigkeit. Das wäre wie in dem Lande, wovon ich gehört habe, und wo die Mädchen einem abscheulichen Ungeheuer geopfert werden. Ich weiß nicht, wo es gleich war, aber wahr ist es. Ihr kennt ihn nun, den Bösewicht. Wenn mich der Herr erhält, will

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:20:58Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:20:58Z)

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Zitationshilfe: Lohmann, Friederike: Die Entscheidung bei Hochkirch. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 63–137. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohmann_hochkirch_1910/55>, abgerufen am 29.03.2024.