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Lohmann, Friederike: Die Entscheidung bei Hochkirch. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 63–137. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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hinabschleppen wollten. Nun, der steht ruhig, und ich wandele. Des Herrn Wille geschehe! Habe keine Angst um mich, ich bin warm angezogen und in alle Wege verwahrt. Und frage nicht nach mir. Wenn ich etwa nicht wiederkäme, ist dafür gesorgt, daß du mein Weniges erben sollst, aber es hat keine Noth. Siehe der Rosine ein bischen auf die Finger, die wird froh sein, daß ich fort bin; sieh auch Abends nach dem Licht, die Dirnen schlafen und lassen's brennen. Lottchen könnte morgen in der guten Stube abwischen, weil es eben Freitag ist, und sie soll auch die Schlüssel verwahren, wo mein Eingemachtes steht, ihr Kinder lacht zwar darüber, aber ich sage: Der Wolf frißt auch die gezählten Schafe. Nun lebe wohl, Marianchen, und bitte Gott, daß er meinen Gang segnet."

Der Vater war erwacht, er rief die Mädchen, Mariane glaubte eine ungewöhnliche Rührung in seinen Zügen zu lesen, ohne Zweifel hatte er Lottchens Worte gehört. Er verlangte Jemanden von der Wache zu sprechen, weil er um den Besuch eines Freundes und einige andere Vergünstigungen bitten wolle. Die Kinder mußten sich entfernen. Gegen Abend sahen sie einen alten Rechtsgelehrten kommen, mit dem der Vater zwei Stunden allein blieb, dann wurde Mariane wieder gerufen. Sie ahnete, was er für ein Geschäft abgethan hatte, der Gedanke an die Trennung fiel ihr drückend aufs Herz, da sie ihn außer dem Bette, angezogen und ziemlich kräftig fand; sie fiel weinend um seinen Hals.

hinabschleppen wollten. Nun, der steht ruhig, und ich wandele. Des Herrn Wille geschehe! Habe keine Angst um mich, ich bin warm angezogen und in alle Wege verwahrt. Und frage nicht nach mir. Wenn ich etwa nicht wiederkäme, ist dafür gesorgt, daß du mein Weniges erben sollst, aber es hat keine Noth. Siehe der Rosine ein bischen auf die Finger, die wird froh sein, daß ich fort bin; sieh auch Abends nach dem Licht, die Dirnen schlafen und lassen's brennen. Lottchen könnte morgen in der guten Stube abwischen, weil es eben Freitag ist, und sie soll auch die Schlüssel verwahren, wo mein Eingemachtes steht, ihr Kinder lacht zwar darüber, aber ich sage: Der Wolf frißt auch die gezählten Schafe. Nun lebe wohl, Marianchen, und bitte Gott, daß er meinen Gang segnet.“

Der Vater war erwacht, er rief die Mädchen, Mariane glaubte eine ungewöhnliche Rührung in seinen Zügen zu lesen, ohne Zweifel hatte er Lottchens Worte gehört. Er verlangte Jemanden von der Wache zu sprechen, weil er um den Besuch eines Freundes und einige andere Vergünstigungen bitten wolle. Die Kinder mußten sich entfernen. Gegen Abend sahen sie einen alten Rechtsgelehrten kommen, mit dem der Vater zwei Stunden allein blieb, dann wurde Mariane wieder gerufen. Sie ahnete, was er für ein Geschäft abgethan hatte, der Gedanke an die Trennung fiel ihr drückend aufs Herz, da sie ihn außer dem Bette, angezogen und ziemlich kräftig fand; sie fiel weinend um seinen Hals.

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[0057] hinabschleppen wollten. Nun, der steht ruhig, und ich wandele. Des Herrn Wille geschehe! Habe keine Angst um mich, ich bin warm angezogen und in alle Wege verwahrt. Und frage nicht nach mir. Wenn ich etwa nicht wiederkäme, ist dafür gesorgt, daß du mein Weniges erben sollst, aber es hat keine Noth. Siehe der Rosine ein bischen auf die Finger, die wird froh sein, daß ich fort bin; sieh auch Abends nach dem Licht, die Dirnen schlafen und lassen's brennen. Lottchen könnte morgen in der guten Stube abwischen, weil es eben Freitag ist, und sie soll auch die Schlüssel verwahren, wo mein Eingemachtes steht, ihr Kinder lacht zwar darüber, aber ich sage: Der Wolf frißt auch die gezählten Schafe. Nun lebe wohl, Marianchen, und bitte Gott, daß er meinen Gang segnet.“ Der Vater war erwacht, er rief die Mädchen, Mariane glaubte eine ungewöhnliche Rührung in seinen Zügen zu lesen, ohne Zweifel hatte er Lottchens Worte gehört. Er verlangte Jemanden von der Wache zu sprechen, weil er um den Besuch eines Freundes und einige andere Vergünstigungen bitten wolle. Die Kinder mußten sich entfernen. Gegen Abend sahen sie einen alten Rechtsgelehrten kommen, mit dem der Vater zwei Stunden allein blieb, dann wurde Mariane wieder gerufen. Sie ahnete, was er für ein Geschäft abgethan hatte, der Gedanke an die Trennung fiel ihr drückend aufs Herz, da sie ihn außer dem Bette, angezogen und ziemlich kräftig fand; sie fiel weinend um seinen Hals.

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:20:58Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:20:58Z)

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Zitationshilfe: Lohmann, Friederike: Die Entscheidung bei Hochkirch. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 63–137. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohmann_hochkirch_1910/57>, abgerufen am 29.03.2024.