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Lohmann, Friederike: Die Entscheidung bei Hochkirch. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 63–137. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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zurückgenommen, und der Soldat überließ sich dem Schlafe.

Es schlug in Hochkirch fünf Uhr, war aber noch finstere Nacht, als plötzlich der Feind vor dem Lager stand. Haufen von Soldaten meldeten sich als Ueberläufer, ihre Zahl wuchs, bis sie Feldwachen und Vorposten überwältigen konnten, und nun drang die österreichische Armee von allen Seiten ins Lager ein. Die Schlafenden wurden erst durch den Schall ihrer eigenen Kanonen geweckt, die Finsterniß machte ihre Verwirrung noch schrecklicher. Selbst der anbrechende Tag schien sie nicht zu enden, denn ein dicker Nebel bedeckte die Kämpfenden. Aber die Kriegszucht des überfallenen Heeres wirkte hier Wunder, weil der Geist, der es schuf und führte, im Augenblick der Gefahr die Schaaren beseelte. An seinen Platz flog der betäubte, halb schlafende Soldat; mit dem Gewehr, das er zuerst erfaßte, warf er sich den Feinden entgegen, die aus der Erde zu wachsen schienen, und schlug sie an mehreren Orten zurück, bis die Uebermacht neue Vortheile errang. Das Dorf Hochkirch stand in Flammen, hier fochten die Preußen den blutigsten Kampf; der König selbst führte frische Truppen ins furchtbarste Feuer, sein Pferd sank unter ihm, zwei Pagen fielen an seiner Seite, und nur durch die Tapferkeit der Husaren entging er der Gefangenschaft. Nach fünfstündigem Kampfe zog sich die überfallene Armee in bewunderungswürdiger Ordnung zurück, und der erschöpfte Feind wagte nicht, ihren

zurückgenommen, und der Soldat überließ sich dem Schlafe.

Es schlug in Hochkirch fünf Uhr, war aber noch finstere Nacht, als plötzlich der Feind vor dem Lager stand. Haufen von Soldaten meldeten sich als Ueberläufer, ihre Zahl wuchs, bis sie Feldwachen und Vorposten überwältigen konnten, und nun drang die österreichische Armee von allen Seiten ins Lager ein. Die Schlafenden wurden erst durch den Schall ihrer eigenen Kanonen geweckt, die Finsterniß machte ihre Verwirrung noch schrecklicher. Selbst der anbrechende Tag schien sie nicht zu enden, denn ein dicker Nebel bedeckte die Kämpfenden. Aber die Kriegszucht des überfallenen Heeres wirkte hier Wunder, weil der Geist, der es schuf und führte, im Augenblick der Gefahr die Schaaren beseelte. An seinen Platz flog der betäubte, halb schlafende Soldat; mit dem Gewehr, das er zuerst erfaßte, warf er sich den Feinden entgegen, die aus der Erde zu wachsen schienen, und schlug sie an mehreren Orten zurück, bis die Uebermacht neue Vortheile errang. Das Dorf Hochkirch stand in Flammen, hier fochten die Preußen den blutigsten Kampf; der König selbst führte frische Truppen ins furchtbarste Feuer, sein Pferd sank unter ihm, zwei Pagen fielen an seiner Seite, und nur durch die Tapferkeit der Husaren entging er der Gefangenschaft. Nach fünfstündigem Kampfe zog sich die überfallene Armee in bewunderungswürdiger Ordnung zurück, und der erschöpfte Feind wagte nicht, ihren

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Zitationshilfe: Lohmann, Friederike: Die Entscheidung bei Hochkirch. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 63–137. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohmann_hochkirch_1910/68>, abgerufen am 20.04.2024.