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Lohmann, Friederike: Die Entscheidung bei Hochkirch. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 63–137. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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gefrorenen Elbstrome und leuchtete mit so warmen Strahlen in die Fenster eines hochgelegenen Landhauses, als wolle sie durch ihre Freundlichkeit die Kürze des Besuchs vergüten. In einem kleinen Saale zu ebener Erde war Frau von Pistor geschäftig, eine festliche Tafel anzuordnen, während Lottchen und Luise noch an den grünen Kränzen flochten, die der Gärtnerbursche zum Schmuck der weißen Wände benutzte. Ein lustiges Feuer knackte in dem großen Ofen und schuf im Bunde mit der Sonne eine angenehme Wärme, vor welcher die Eisblumen des Fensters verblühten und die künstlichen Rosen auf der Tafel natürlich erschienen. Ellinger sah in die Ferne hinaus, und während das Landschaftsbild im winterlichen Kleide sein Auge ergötzte, erging sich sein Geist in den Zeiten, die vorüber waren, und ruhete mit behaglicher Rührung auf der Freude der Gegenwart aus. Oben in Marianens kleiner Stube standen Pistor und die Braut Hand in Hand am Fenster. Sie war schon im Hochzeitstaate, in einem weißen Mohrkleide, mit hohem Besatz von Blumen und Blonden, schönen Blondenmanschetten und reichem Blondenputz um die Brust, die eine lange Schnur Perlen und ein großes goldenes Kreuz zierte. Ihre Frisur stieg heute einige Zoll höher auf, als an minder festlichen Tagen, und trug den grünen Myrtenkranz, das Sinnbild der Liebe und Unschuld.

Wie der Winter schön sein kann, Leo, sagte Mariane, wenn er so freundlich aussieht wie heute. Sieh, wie die weißen Eisdiamanten an jedem Zweige hangen,

gefrorenen Elbstrome und leuchtete mit so warmen Strahlen in die Fenster eines hochgelegenen Landhauses, als wolle sie durch ihre Freundlichkeit die Kürze des Besuchs vergüten. In einem kleinen Saale zu ebener Erde war Frau von Pistor geschäftig, eine festliche Tafel anzuordnen, während Lottchen und Luise noch an den grünen Kränzen flochten, die der Gärtnerbursche zum Schmuck der weißen Wände benutzte. Ein lustiges Feuer knackte in dem großen Ofen und schuf im Bunde mit der Sonne eine angenehme Wärme, vor welcher die Eisblumen des Fensters verblühten und die künstlichen Rosen auf der Tafel natürlich erschienen. Ellinger sah in die Ferne hinaus, und während das Landschaftsbild im winterlichen Kleide sein Auge ergötzte, erging sich sein Geist in den Zeiten, die vorüber waren, und ruhete mit behaglicher Rührung auf der Freude der Gegenwart aus. Oben in Marianens kleiner Stube standen Pistor und die Braut Hand in Hand am Fenster. Sie war schon im Hochzeitstaate, in einem weißen Mohrkleide, mit hohem Besatz von Blumen und Blonden, schönen Blondenmanschetten und reichem Blondenputz um die Brust, die eine lange Schnur Perlen und ein großes goldenes Kreuz zierte. Ihre Frisur stieg heute einige Zoll höher auf, als an minder festlichen Tagen, und trug den grünen Myrtenkranz, das Sinnbild der Liebe und Unschuld.

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:20:58Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:20:58Z)

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Zitationshilfe: Lohmann, Friederike: Die Entscheidung bei Hochkirch. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 63–137. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohmann_hochkirch_1910/71>, abgerufen am 25.04.2024.