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Lohmann, Friederike: Die Entscheidung bei Hochkirch. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 63–137. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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wohl um mich verdient, sagte Mariane. Wir sollen auch in den Stunden der Freude der Vorangegangenen nicht ganz vergessen, ja es wäre strafbare Weichlichkeit, wenn ich ihr Bild, das mich umschwebt, gewaltsam wegdrängen wollte. Sie hat uns den Vater erhalten; der Offizier, der ihm seine Befreiung ankündigte, sprach selbst mit Rührung von ihrer Treue, und der Vater, den ich niemals so weich sah, hat um sie geweint.

Lottchen sprang zur Thür herein. Es kommt ein Wagen den Berg herauf, sagte sie, das ist der Pastor; der Vater läßt Leo bitten, ihn zu empfangen. Pistor ging. -- Mama Pistor zieht sich an, fuhr Lottchen fort, nun will ich mich auch putzen. Ach, Mariane, wie allerliebst du aussiehst! die Ohrringe a la Pompadour stehen dir herrlich, ich möchte auch ein Paar. Aber ich lasse mich mehr pudern, das ist hübscher, Rosine wird es schon machen. Sonst mußte sie mich freilich immer nach Justinens altmodischem Geschmack frisiren. Ich war oft recht ärgerlich darüber, und wenn ich mich dann beständig in dem Spiegel besah, bloß aus Verdruß, und weil ich dachte, es sollte einmal besser aussehen, da dachtet ihr noch, ich wäre eitel. Ach, lieber Gott, wie herzlich gern wollte ich heute solchen Kopf mit mir herum tragen, wenn die alte gute Justine noch da wäre.

Ganz leise öffnete sich die Thür, und an der jubelnden Luise Hand trat Justine ins Zimmer. -- Die Mädchen waren außer sich, sie jauchzten und weinten,

wohl um mich verdient, sagte Mariane. Wir sollen auch in den Stunden der Freude der Vorangegangenen nicht ganz vergessen, ja es wäre strafbare Weichlichkeit, wenn ich ihr Bild, das mich umschwebt, gewaltsam wegdrängen wollte. Sie hat uns den Vater erhalten; der Offizier, der ihm seine Befreiung ankündigte, sprach selbst mit Rührung von ihrer Treue, und der Vater, den ich niemals so weich sah, hat um sie geweint.

Lottchen sprang zur Thür herein. Es kommt ein Wagen den Berg herauf, sagte sie, das ist der Pastor; der Vater läßt Leo bitten, ihn zu empfangen. Pistor ging. — Mama Pistor zieht sich an, fuhr Lottchen fort, nun will ich mich auch putzen. Ach, Mariane, wie allerliebst du aussiehst! die Ohrringe à la Pompadour stehen dir herrlich, ich möchte auch ein Paar. Aber ich lasse mich mehr pudern, das ist hübscher, Rosine wird es schon machen. Sonst mußte sie mich freilich immer nach Justinens altmodischem Geschmack frisiren. Ich war oft recht ärgerlich darüber, und wenn ich mich dann beständig in dem Spiegel besah, bloß aus Verdruß, und weil ich dachte, es sollte einmal besser aussehen, da dachtet ihr noch, ich wäre eitel. Ach, lieber Gott, wie herzlich gern wollte ich heute solchen Kopf mit mir herum tragen, wenn die alte gute Justine noch da wäre.

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[0073] wohl um mich verdient, sagte Mariane. Wir sollen auch in den Stunden der Freude der Vorangegangenen nicht ganz vergessen, ja es wäre strafbare Weichlichkeit, wenn ich ihr Bild, das mich umschwebt, gewaltsam wegdrängen wollte. Sie hat uns den Vater erhalten; der Offizier, der ihm seine Befreiung ankündigte, sprach selbst mit Rührung von ihrer Treue, und der Vater, den ich niemals so weich sah, hat um sie geweint. Lottchen sprang zur Thür herein. Es kommt ein Wagen den Berg herauf, sagte sie, das ist der Pastor; der Vater läßt Leo bitten, ihn zu empfangen. Pistor ging. — Mama Pistor zieht sich an, fuhr Lottchen fort, nun will ich mich auch putzen. Ach, Mariane, wie allerliebst du aussiehst! die Ohrringe à la Pompadour stehen dir herrlich, ich möchte auch ein Paar. Aber ich lasse mich mehr pudern, das ist hübscher, Rosine wird es schon machen. Sonst mußte sie mich freilich immer nach Justinens altmodischem Geschmack frisiren. Ich war oft recht ärgerlich darüber, und wenn ich mich dann beständig in dem Spiegel besah, bloß aus Verdruß, und weil ich dachte, es sollte einmal besser aussehen, da dachtet ihr noch, ich wäre eitel. Ach, lieber Gott, wie herzlich gern wollte ich heute solchen Kopf mit mir herum tragen, wenn die alte gute Justine noch da wäre. Ganz leise öffnete sich die Thür, und an der jubelnden Luise Hand trat Justine ins Zimmer. — Die Mädchen waren außer sich, sie jauchzten und weinten,

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:20:58Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Lohmann, Friederike: Die Entscheidung bei Hochkirch. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 63–137. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohmann_hochkirch_1910/73>, abgerufen am 26.11.2024.