(2.) So man sich schämet andere zum Gebett mit sich einzula- den, welches ein grober Fehler ist, und wegen unterlauffenen Miß- brauchs, oder vielmehr dem herrschenden, schandbaren Unglauben zu lieb; da man denckt, o es müssen andere Leut seyn als du, die erhörlich betten wollen, du bist deß nicht würdig etc. Oder aus schalckhaffter Trägheit, da man denckt: Ja, so ich für an- dere eiferig bette, so muß ich dann auch eiferig leben, und das genirte mich, O du Schlange! dir zu folg sollte ja ein so nöthig Ding nicht (CHRJSTJ und der Apostel Gebott und Ubung zuwider) unterlassen werden, sonderlich wann der Geist zermal- met ist, und nach Gnad demüthiglich sehnet; Einsamkeit hat zwar auch ihren Segen, dieses aber überaus; Kan mans nicht thun mit jedermann, so lese man sich Gebetts-Freunde sonderlich aus, mit denselbigen sich zu üben, im Bitten und Fürbitten, für uns und für alle. "Hier muß ich des theuren Manns "Wort beysetzen; da er an einem Ort also schreibet: O "wollt GOTT! daß irgend ein Hauffen funden würd, der mit "Ernst und Glauben bettete zu GOTT, wie unmäßlich "Tugend und Hülff sollte aus dem Gebett folgen, was möcht "schröcklichers allen bösen Geistern begegnen, was möch- "ten für grössere Werck auf Erden geschehen, dardurch "so viel Fromme erhalten, so viel Sünder bekehrt wür- "den, etc. Und wiederum: Wo der Teufel gewahr würde, daß wir diß Gebett wollten üben, wann es gleich wäre unter einem Stroh-Dach oder Sau-Stall, würde er es fürwahr nicht lassen gehen, sondern sich weit mehr vor demselben Säu- Stall förchten, dann vor allen hohen, grossen, schönen Kir- chen, Thürnen und Glocken etc. die irgend seyn mö- gen.
(3.) So man sich in seiner Jmagination ein Bild und Form bildet, nach welchem man gebildet seyn will, oder sich selbst gar darein erzwingen und gestalten will; und jetzt diesen, jetzt einen anderen Heiligen affectieren und abcopieren will, dann solches ge-
het
(2.) So man ſich ſchaͤmet andere zum Gebett mit ſich einzula- den, welches ein grober Fehler iſt, und wegen unterlauffenen Miß- brauchs, oder vielmehr dem herrſchenden, ſchandbaren Unglauben zu lieb; da man denckt, o es muͤſſen andere Leut ſeyn als du, die erhoͤrlich betten wollen, du biſt deß nicht wuͤrdig ꝛc. Oder aus ſchalckhaffter Traͤgheit, da man denckt: Ja, ſo ich fuͤr an- dere eiferig bette, ſo muß ich dann auch eiferig leben, und das genirte mich, O du Schlange! dir zu folg ſollte ja ein ſo noͤthig Ding nicht (CHRJSTJ und der Apoſtel Gebott und Ubung zuwider) unterlaſſen werden, ſonderlich wann der Geiſt zermal- met iſt, und nach Gnad demuͤthiglich ſehnet; Einſamkeit hat zwar auch ihren Segen, dieſes aber uͤberaus; Kan mans nicht thun mit jedermann, ſo leſe man ſich Gebetts-Freunde ſonderlich aus, mit denſelbigen ſich zu uͤben, im Bitten und Fuͤrbitten, fuͤr uns und fuͤr alle. „Hier muß ich des theuren Manns „Wort beyſetzen; da er an einem Ort alſo ſchreibet: O „wollt GOTT! daß irgend ein Hauffen funden wuͤrd, der mit „Ernſt und Glauben bettete zu GOTT, wie unmaͤßlich „Tugend und Huͤlff ſollte aus dem Gebett folgen, was moͤcht „ſchroͤcklichers allen boͤſen Geiſtern begegnen, was moͤch- „ten fuͤr groͤſſere Werck auf Erden geſchehen, dardurch „ſo viel Fromme erhalten, ſo viel Suͤnder bekehrt wuͤr- „den, ꝛc. Und wiederum: Wo der Teufel gewahr wuͤrde, daß wir diß Gebett wollten uͤben, wann es gleich waͤre unter einem Stroh-Dach oder Sau-Stall, wuͤrde er es fuͤrwahr nicht laſſen gehen, ſondern ſich weit mehr vor demſelben Saͤu- Stall foͤrchten, dann vor allen hohen, groſſen, ſchoͤnen Kir- chen, Thuͤrnen und Glocken ꝛc. die irgend ſeyn moͤ- gen.
(3.) So man ſich in ſeiner Jmagination ein Bild und Form bildet, nach welchem man gebildet ſeyn will, oder ſich ſelbſt gar darein erzwingen und geſtalten will; und jetzt dieſen, jetzt einen anderen Heiligen affectieren und abcopieren will, dann ſolches ge-
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(2.) So man ſich ſchaͤmet andere zum Gebett mit ſich einzula-
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brauchs, oder vielmehr dem herrſchenden, ſchandbaren Unglauben
zu lieb; da man denckt, o es muͤſſen andere Leut ſeyn als du,
die erhoͤrlich betten wollen, du biſt deß nicht wuͤrdig ꝛc. Oder
aus ſchalckhaffter Traͤgheit, da man denckt: Ja, ſo ich fuͤr an-
dere eiferig bette, ſo muß ich dann auch eiferig leben, und das
genirte mich, O du Schlange! dir zu folg ſollte ja ein ſo noͤthig
Ding nicht (CHRJSTJ und der Apoſtel Gebott und Ubung
zuwider) unterlaſſen werden, ſonderlich wann der Geiſt zermal-
met iſt, und nach Gnad demuͤthiglich ſehnet; Einſamkeit hat
zwar auch ihren Segen, dieſes aber uͤberaus; Kan mans nicht
thun mit jedermann, ſo leſe man ſich Gebetts-Freunde ſonderlich
aus, mit denſelbigen ſich zu uͤben, im Bitten und Fuͤrbitten, fuͤr
uns und fuͤr alle. „Hier muß ich des theuren Manns
„Wort beyſetzen; da er an einem Ort alſo ſchreibet: O
„wollt GOTT! daß irgend ein Hauffen funden wuͤrd, der mit
„Ernſt und Glauben bettete zu GOTT, wie unmaͤßlich
„Tugend und Huͤlff ſollte aus dem Gebett folgen, was moͤcht
„ſchroͤcklichers allen boͤſen Geiſtern begegnen, was moͤch-
„ten fuͤr groͤſſere Werck auf Erden geſchehen, dardurch
„ſo viel Fromme erhalten, ſo viel Suͤnder bekehrt wuͤr-
„den, ꝛc. Und wiederum: Wo der Teufel gewahr wuͤrde, daß
wir diß Gebett wollten uͤben, wann es gleich waͤre unter einem
Stroh-Dach oder Sau-Stall, wuͤrde er es fuͤrwahr
nicht laſſen gehen, ſondern ſich weit mehr vor demſelben Saͤu-
Stall foͤrchten, dann vor allen hohen, groſſen, ſchoͤnen Kir-
chen, Thuͤrnen und Glocken ꝛc. die irgend ſeyn moͤ-
gen.
(3.) So man ſich in ſeiner Jmagination ein Bild und Form
bildet, nach welchem man gebildet ſeyn will, oder ſich ſelbſt gar
darein erzwingen und geſtalten will; und jetzt dieſen, jetzt einen
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/90>, abgerufen am 24.11.2024.
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