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Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747.

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Cap. 2. Die zweyte Quelle.
angreiffen, noch in der stillen Eingekehrtheit mit
GOTT umgehen: Ja man spielt lieber einen hal-
ben Tag, eine gantze Nacht, als daß man nur ei-
ne halbe Stund an GOtt und JEsum gedencken
sollte; man trägt so gar lieber Holtz und Steine
und verrichtet die allersauerste Arbeit gantz willig,
wann man nur nicht JEsum suchen muß, bis man
ihn findet und zu seinem Beherrscher bekommen
hat: Man gibt demnach dem allgemeinen Vorur-
theil vollen Platz: Es seye zu frühe; man könne
keinen Vorhimmel auf Erden haben; in und mit
GOtt selig zu seyn, seye nicht Menschen-möglich;
GOtt wolle uns auch nicht darzu verhelffen durch
das Creutz; er habe es in jene Welt aufgespahret,
nachdem ein jeder durch den zeitlichen Tod hinter
dem blauen Umhang des äussern Himmels in ein
gar zierliches Freuden-Ort werde hinein gebracht
seyn.

B) Der unreine Welt-Sinn. Sie besor-
gen, wo sie sich in die Händel des Himmelreichs
hinein wagten, ihre gefaßte irrdische Projecte und
Vorschläge möchten ihnen gäntzlich verrücket wer-
den: Haben sie ein schlechtes Glück auf Erden zu hof-
fen; so schnappen sie begierig genug nach demselben,
und dencken dabey freventlich, das Glück Jerusa-
lems warte ihnen wohl aus, und werde ihnen nicht
entgehen: Daher kommen sie der Pforten des Kö-
niglichen Hauses nicht gern zu nahe, aus Furcht,
der Heiland möchte sie ergreiffen, in seinen göttli-
chen Liebes-Sinn hinein ziehen, und zu einem Haus-
genossen GOttes und Mitburger der Heiligen ma-
chen; da ihnen unterdessen, weil sie mit der Ewig-

keit

Cap. 2. Die zweyte Quelle.
angreiffen, noch in der ſtillen Eingekehrtheit mit
GOTT umgehen: Ja man ſpielt lieber einen hal-
ben Tag, eine gantze Nacht, als daß man nur ei-
ne halbe Stund an GOtt und JEſum gedencken
ſollte; man traͤgt ſo gar lieber Holtz und Steine
und verrichtet die allerſauerſte Arbeit gantz willig,
wann man nur nicht JEſum ſuchen muß, bis man
ihn findet und zu ſeinem Beherrſcher bekommen
hat: Man gibt demnach dem allgemeinen Vorur-
theil vollen Platz: Es ſeye zu fruͤhe; man koͤnne
keinen Vorhimmel auf Erden haben; in und mit
GOtt ſelig zu ſeyn, ſeye nicht Menſchen-moͤglich;
GOtt wolle uns auch nicht darzu verhelffen durch
das Creutz; er habe es in jene Welt aufgeſpahret,
nachdem ein jeder durch den zeitlichen Tod hinter
dem blauen Umhang des aͤuſſern Himmels in ein
gar zierliches Freuden-Ort werde hinein gebracht
ſeyn.

B) Der unreine Welt-Sinn. Sie beſor-
gen, wo ſie ſich in die Haͤndel des Himmelreichs
hinein wagten, ihre gefaßte irrdiſche Projecte und
Vorſchlaͤge moͤchten ihnen gaͤntzlich verruͤcket wer-
den: Haben ſie ein ſchlechtes Gluͤck auf Erden zu hof-
fen; ſo ſchnappen ſie begierig genug nach demſelben,
und dencken dabey freventlich, das Gluͤck Jeruſa-
lems warte ihnen wohl aus, und werde ihnen nicht
entgehen: Daher kommen ſie der Pforten des Koͤ-
niglichen Hauſes nicht gern zu nahe, aus Furcht,
der Heiland moͤchte ſie ergreiffen, in ſeinen goͤttli-
chen Liebes-Sinn hinein ziehen, und zu einem Haus-
genoſſen GOttes und Mitburger der Heiligen ma-
chen; da ihnen unterdeſſen, weil ſie mit der Ewig-

keit
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[98/0116] Cap. 2. Die zweyte Quelle. angreiffen, noch in der ſtillen Eingekehrtheit mit GOTT umgehen: Ja man ſpielt lieber einen hal- ben Tag, eine gantze Nacht, als daß man nur ei- ne halbe Stund an GOtt und JEſum gedencken ſollte; man traͤgt ſo gar lieber Holtz und Steine und verrichtet die allerſauerſte Arbeit gantz willig, wann man nur nicht JEſum ſuchen muß, bis man ihn findet und zu ſeinem Beherrſcher bekommen hat: Man gibt demnach dem allgemeinen Vorur- theil vollen Platz: Es ſeye zu fruͤhe; man koͤnne keinen Vorhimmel auf Erden haben; in und mit GOtt ſelig zu ſeyn, ſeye nicht Menſchen-moͤglich; GOtt wolle uns auch nicht darzu verhelffen durch das Creutz; er habe es in jene Welt aufgeſpahret, nachdem ein jeder durch den zeitlichen Tod hinter dem blauen Umhang des aͤuſſern Himmels in ein gar zierliches Freuden-Ort werde hinein gebracht ſeyn. B) Der unreine Welt-Sinn. Sie beſor- gen, wo ſie ſich in die Haͤndel des Himmelreichs hinein wagten, ihre gefaßte irrdiſche Projecte und Vorſchlaͤge moͤchten ihnen gaͤntzlich verruͤcket wer- den: Haben ſie ein ſchlechtes Gluͤck auf Erden zu hof- fen; ſo ſchnappen ſie begierig genug nach demſelben, und dencken dabey freventlich, das Gluͤck Jeruſa- lems warte ihnen wohl aus, und werde ihnen nicht entgehen: Daher kommen ſie der Pforten des Koͤ- niglichen Hauſes nicht gern zu nahe, aus Furcht, der Heiland moͤchte ſie ergreiffen, in ſeinen goͤttli- chen Liebes-Sinn hinein ziehen, und zu einem Haus- genoſſen GOttes und Mitburger der Heiligen ma- chen; da ihnen unterdeſſen, weil ſie mit der Ewig- keit

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_warnung_1747/116>, abgerufen am 27.11.2024.