Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747.Cap. 4. Die vierte Quelle Erstgeburt? Mit was für Entsetzen wird er seinenBruder Jacob, bey dem er so nahe in einer Ge- bähr-Mutter gelegen ware, anschauen in seinem ho- hen Himmels-Glantz, in Priester- und Königlicher Majestät? Wie wird er nicht seine ruchlose Gelü- ste verfluchen? Es ist auch nichts heillosers, als die Trägheit/ wann man des Teufels Versuchun- gen, und der zusetzenden Sünden nicht widerstehen mag: Der heiß-hungerige Seelen-Feind treibt das arme Hertz darauf los, daß es weder Zeit noch Krafft noch Muth hat, sich eines bessern zu beden- cken. Es wird von den teuflischen Geistern der Bosheit dergestalten betäubet, daß es nicht den Verstand hat, an eine Gegenwehr zu gedencken; sondern sich willig als einen Kriegs-Gefangenen in die schändlichste und elendeste Sclaverey hinschlep- pen läst, mithin vor GOTT und der Welt, vor Engeln und Teufeln und vor allen Menschen, Se- ligen und Verdammten, verächtlich wird, so daß es sich vor Schaam und Gram überall verstecken möchte. Einmahl, liebes Kind! der Teufel bear- beitet sich, dich noch verächtlicher zu machen, als er selber ist; er ist dahero mit sündigen nicht zu er- sättigen, und wird dir niemals sagen, du habest ge- nug gesündiget, bis er dich in seinen Abgrund stür- tzen darff. Aber seye doch du nicht so tumm, wie ein geiles Kalb, daß du dich zur Schlacht-Banck woltest führen lassen. §. 13. Jndessen ist manches Kind mit Wehmuth zu ner
Cap. 4. Die vierte Quelle Erſtgeburt? Mit was fuͤr Entſetzen wird er ſeinenBruder Jacob, bey dem er ſo nahe in einer Ge- baͤhr-Mutter gelegen ware, anſchauen in ſeinem ho- hen Himmels-Glantz, in Prieſter- und Koͤniglicher Majeſtaͤt? Wie wird er nicht ſeine ruchloſe Geluͤ- ſte verfluchen? Es iſt auch nichts heilloſers, als die Traͤgheit/ wann man des Teufels Verſuchun- gen, und der zuſetzenden Suͤnden nicht widerſtehen mag: Der heiß-hungerige Seelen-Feind treibt das arme Hertz darauf los, daß es weder Zeit noch Krafft noch Muth hat, ſich eines beſſern zu beden- cken. Es wird von den teufliſchen Geiſtern der Bosheit dergeſtalten betaͤubet, daß es nicht den Verſtand hat, an eine Gegenwehr zu gedencken; ſondern ſich willig als einen Kriegs-Gefangenen in die ſchaͤndlichſte und elendeſte Sclaverey hinſchlep- pen laͤſt, mithin vor GOTT und der Welt, vor Engeln und Teufeln und vor allen Menſchen, Se- ligen und Verdammten, veraͤchtlich wird, ſo daß es ſich vor Schaam und Gram uͤberall verſtecken moͤchte. Einmahl, liebes Kind! der Teufel bear- beitet ſich, dich noch veraͤchtlicher zu machen, als er ſelber iſt; er iſt dahero mit ſuͤndigen nicht zu er- ſaͤttigen, und wird dir niemals ſagen, du habeſt ge- nug geſuͤndiget, bis er dich in ſeinen Abgrund ſtuͤr- tzen darff. Aber ſeye doch du nicht ſo tumm, wie ein geiles Kalb, daß du dich zur Schlacht-Banck wolteſt fuͤhren laſſen. §. 13. Jndeſſen iſt manches Kind mit Wehmuth zu ner
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Cap. 4. Die vierte Quelle
Erſtgeburt? Mit was fuͤr Entſetzen wird er ſeinen
Bruder Jacob, bey dem er ſo nahe in einer Ge-
baͤhr-Mutter gelegen ware, anſchauen in ſeinem ho-
hen Himmels-Glantz, in Prieſter- und Koͤniglicher
Majeſtaͤt? Wie wird er nicht ſeine ruchloſe Geluͤ-
ſte verfluchen? Es iſt auch nichts heilloſers, als die
Traͤgheit/ wann man des Teufels Verſuchun-
gen, und der zuſetzenden Suͤnden nicht widerſtehen
mag: Der heiß-hungerige Seelen-Feind treibt das
arme Hertz darauf los, daß es weder Zeit noch
Krafft noch Muth hat, ſich eines beſſern zu beden-
cken. Es wird von den teufliſchen Geiſtern der
Bosheit dergeſtalten betaͤubet, daß es nicht den
Verſtand hat, an eine Gegenwehr zu gedencken;
ſondern ſich willig als einen Kriegs-Gefangenen in
die ſchaͤndlichſte und elendeſte Sclaverey hinſchlep-
pen laͤſt, mithin vor GOTT und der Welt, vor
Engeln und Teufeln und vor allen Menſchen, Se-
ligen und Verdammten, veraͤchtlich wird, ſo daß
es ſich vor Schaam und Gram uͤberall verſtecken
moͤchte. Einmahl, liebes Kind! der Teufel bear-
beitet ſich, dich noch veraͤchtlicher zu machen, als er
ſelber iſt; er iſt dahero mit ſuͤndigen nicht zu er-
ſaͤttigen, und wird dir niemals ſagen, du habeſt ge-
nug geſuͤndiget, bis er dich in ſeinen Abgrund ſtuͤr-
tzen darff. Aber ſeye doch du nicht ſo tumm, wie
ein geiles Kalb, daß du dich zur Schlacht-Banck
wolteſt fuͤhren laſſen.
§. 13.
Jndeſſen iſt manches Kind mit Wehmuth zu
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