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Ludovici, Carl Günther: Eröffnete Akademie der Kaufleute, oder vollständiges Kaufmanns-Lexicon. Bd. 5. Leipzig, 1756.

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Terpenthin
selben bloß entlehnet haben, nur
uneigentlich führen. Dieser chiische
oder cyprische Terpenthin aber hat
seinen (a) Namen selbst von dem
Terpenthinbaume, aus welchem er
rinnet, und von dem wir in einem
eigenen Artikel handeln. Die (b)
Einsammlung dieses Terpenthins
geschieht auf den Jnseln Chio und
Cypern, von dem Ende des Au-
gusts an, bis in den October, und
zwar auf folgende Art: Man reißt
oder lochet die Stämme der dicksten
Terpenthinbäume mit einer Axt, da
denn aus denenselben dieses Harz
heraus rinnt, und auf platte und
ausdrücklich dazu gemachte Steine
fließt, welche die Bauern unter die
Bäume legen. Dieses auf ermelde-
ten Steinen gesammlete Harz wird
sodann, so wie es sich nach und
nach sammlet, von den Bauern mit
kleinen ausdrücklich dazu gemachten
Stöcken aufgehoben, von welchen
sie es in Flaschen fließen lassen.
Die ganze Jnsel Chio liefert aber
nicht über 300 Oken, jede zu 31/2
Pfund gerechnet, und wird daselbst
die Oke zu 30 bis 35 Parats ver-
kauft. Die (c) Beschaffenheit des
chiischen oder cyprischen Terpenthins
anlangend: so ist er ein harzigter
Saft von weißer oder gelblichter, in-
gleichen glasartiger, das ist weißer
ein wenig auf blau ziehender Farbe;
manchmal durchsichtig; und von ei-
ner bald festerern, bald weicheren,
biegsamen und klebrichten Consistenz.
Wenn man ihn mit den Fingern zu-
sammen knätet; so zerbricht oder zer-
krümelt er manchmal in kleine Kru-
men; mehrentheils aber ist er einem
festen Honig ähnlich, indem er eben so
wie derselbe den Fingern nachgiebt,
und an dieselben anklebet. Sein Ge-
ruch ist scharf und nicht so unange-
nehm, wie der Geruch des venedischen
Terpenthins; sonderlich wenn man
ihn in den Händen zusammen knätet,
oder ihn auf Kohlen wirft. Sein Ge-
[Spaltenumbruch]
Terpenthin
schmack ist zwar etwas, aber gemaßigt
bitter und scharf. Dieser chiische oder
cyprische Terpenthin ist ohnstreitig der
(d) beste, vornehmlich zum arzt-
neylichen Gebrauche: allein, weii
er gar zu kostbar, und gar zu selten
zu haben ist; so bedienet man sich
dessen bey uns fast gar nicht. Der
(b) venedische Terpenthin, lat. Te-
rebinthina Veneta
,
franz. Terebin-
thine de Venise
,
ist ein aus den
Lerchenbäumen im Frühlinge und
Herbste, theils von selbst, und
theils nach deren vorhergehender Lo-
chung herausrinnendes Harz, wel-
ches im Anfange so helle wie Was-
ser, und so dünne wie Oel ist; aber
mit der Zeit ein wenig gelb, und
dicker wird, und daher so, wie man
es bey den Kaufleuten findet, kleb-
richt und zähe; dicker als Oel, aber
dünner als Honig; jedoch noch flies-
send ist, wie es denn von den Fin-
gern, wenn man solche hinein tunkt,
gleich, und völlig abtröpfelt; etwas
durchsichtig wie Glas; von gelblich-
ter Farbe; von einem harzigten,
durchdringenden, scharfen, ange-
nehmen, jedoch etwas eklen Geru-
che; und von einem feinen, scharfen
und etwas bitterlichen Geschmacke,
der an Schärfe und Hitze den Ge-
schmack des wahren chiischen Ter-
penthins übertrifft. Man (a) nen-
net
ihn deswegen venedischen Ter-
penthin,
weil man ihn sonsten von
Venedig gebracht hat; itziger Zeit
aber (b) bringt man ihn aus allen
denjenigen Ländern, wo die Lerchen-
bäume häufig wachsen, als aus
Schlesien von Jägerndorf und
Teschen, aus Oesterreich, Steyer-
mark, Kärnthen, Tyrol, Grau-
bünten, Savoyen, Jtalien von dem
apenninischen Gebirge, und Frank-
reich, und in diesem letzten Lande,
sonderlich aus der Provinz Forez,
wo die Bauern solchen in dem Ge-
hölze von Pilatre sammlen, von de-
nen er sodann nach Lion verkaufet

wird,
V. Theil. D

[Spaltenumbruch]

Terpenthin
ſelben bloß entlehnet haben, nur
uneigentlich fuͤhren. Dieſer chiiſche
oder cypriſche Terpenthin aber hat
ſeinen (a) Namen ſelbſt von dem
Terpenthinbaume, aus welchem er
rinnet, und von dem wir in einem
eigenen Artikel handeln. Die (b)
Einſammlung dieſes Terpenthins
geſchieht auf den Jnſeln Chio und
Cypern, von dem Ende des Au-
guſts an, bis in den October, und
zwar auf folgende Art: Man reißt
oder lochet die Staͤmme der dickſten
Terpenthinbaͤume mit einer Axt, da
denn aus denenſelben dieſes Harz
heraus rinnt, und auf platte und
ausdruͤcklich dazu gemachte Steine
fließt, welche die Bauern unter die
Baͤume legen. Dieſes auf ermelde-
ten Steinen geſammlete Harz wird
ſodann, ſo wie es ſich nach und
nach ſammlet, von den Bauern mit
kleinen ausdruͤcklich dazu gemachten
Stoͤcken aufgehoben, von welchen
ſie es in Flaſchen fließen laſſen.
Die ganze Jnſel Chio liefert aber
nicht uͤber 300 Oken, jede zu 3½
Pfund gerechnet, und wird daſelbſt
die Oke zu 30 bis 35 Parats ver-
kauft. Die (c) Beſchaffenheit des
chiiſchen oder cypriſchen Terpenthins
anlangend: ſo iſt er ein harzigter
Saft von weißer oder gelblichter, in-
gleichen glasartiger, das iſt weißer
ein wenig auf blau ziehender Farbe;
manchmal durchſichtig; und von ei-
ner bald feſterern, bald weicheren,
biegſamen und klebrichten Conſiſtenz.
Wenn man ihn mit den Fingern zu-
ſammen knaͤtet; ſo zerbricht oder zer-
kruͤmelt er manchmal in kleine Kru-
men; mehrentheils aber iſt er einem
feſten Honig aͤhnlich, indem er eben ſo
wie derſelbe den Fingern nachgiebt,
und an dieſelben anklebet. Sein Ge-
ruch iſt ſcharf und nicht ſo unange-
nehm, wie der Geruch des venediſchen
Terpenthins; ſonderlich wenn man
ihn in den Haͤnden zuſammen knaͤtet,
oder ihn auf Kohlen wirft. Sein Ge-
[Spaltenumbruch]
Terpenthin
ſchmack iſt zwar etwas, aber gemaßigt
bitter und ſcharf. Dieſer chiiſche oder
cypriſche Terpenthin iſt ohnſtreitig der
(d) beſte, vornehmlich zum arzt-
neylichen Gebrauche: allein, weii
er gar zu koſtbar, und gar zu ſelten
zu haben iſt; ſo bedienet man ſich
deſſen bey uns faſt gar nicht. Der
(b) venediſche Terpenthin, lat. Te-
rebinthina Veneta
,
franz. Terebin-
thine de Veniſe
,
iſt ein aus den
Lerchenbaͤumen im Fruͤhlinge und
Herbſte, theils von ſelbſt, und
theils nach deren vorhergehender Lo-
chung herausrinnendes Harz, wel-
ches im Anfange ſo helle wie Waſ-
ſer, und ſo duͤnne wie Oel iſt; aber
mit der Zeit ein wenig gelb, und
dicker wird, und daher ſo, wie man
es bey den Kaufleuten findet, kleb-
richt und zaͤhe; dicker als Oel, aber
duͤnner als Honig; jedoch noch flieſ-
ſend iſt, wie es denn von den Fin-
gern, wenn man ſolche hinein tunkt,
gleich, und voͤllig abtroͤpfelt; etwas
durchſichtig wie Glas; von gelblich-
ter Farbe; von einem harzigten,
durchdringenden, ſcharfen, ange-
nehmen, jedoch etwas eklen Geru-
che; und von einem feinen, ſcharfen
und etwas bitterlichen Geſchmacke,
der an Schaͤrfe und Hitze den Ge-
ſchmack des wahren chiiſchen Ter-
penthins uͤbertrifft. Man (a) nen-
net
ihn deswegen venediſchen Ter-
penthin,
weil man ihn ſonſten von
Venedig gebracht hat; itziger Zeit
aber (b) bringt man ihn aus allen
denjenigen Laͤndern, wo die Lerchen-
baͤume haͤufig wachſen, als aus
Schleſien von Jaͤgerndorf und
Teſchen, aus Oeſterreich, Steyer-
mark, Kaͤrnthen, Tyrol, Grau-
buͤnten, Savoyen, Jtalien von dem
apenniniſchen Gebirge, und Frank-
reich, und in dieſem letzten Lande,
ſonderlich aus der Provinz Forez,
wo die Bauern ſolchen in dem Ge-
hoͤlze von Pilatre ſammlen, von de-
nen er ſodann nach Lion verkaufet

wird,
V. Theil. D
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[[49]/0055] Terpenthin Terpenthin ſelben bloß entlehnet haben, nur uneigentlich fuͤhren. Dieſer chiiſche oder cypriſche Terpenthin aber hat ſeinen (a) Namen ſelbſt von dem Terpenthinbaume, aus welchem er rinnet, und von dem wir in einem eigenen Artikel handeln. Die (b) Einſammlung dieſes Terpenthins geſchieht auf den Jnſeln Chio und Cypern, von dem Ende des Au- guſts an, bis in den October, und zwar auf folgende Art: Man reißt oder lochet die Staͤmme der dickſten Terpenthinbaͤume mit einer Axt, da denn aus denenſelben dieſes Harz heraus rinnt, und auf platte und ausdruͤcklich dazu gemachte Steine fließt, welche die Bauern unter die Baͤume legen. Dieſes auf ermelde- ten Steinen geſammlete Harz wird ſodann, ſo wie es ſich nach und nach ſammlet, von den Bauern mit kleinen ausdruͤcklich dazu gemachten Stoͤcken aufgehoben, von welchen ſie es in Flaſchen fließen laſſen. Die ganze Jnſel Chio liefert aber nicht uͤber 300 Oken, jede zu 3½ Pfund gerechnet, und wird daſelbſt die Oke zu 30 bis 35 Parats ver- kauft. Die (c) Beſchaffenheit des chiiſchen oder cypriſchen Terpenthins anlangend: ſo iſt er ein harzigter Saft von weißer oder gelblichter, in- gleichen glasartiger, das iſt weißer ein wenig auf blau ziehender Farbe; manchmal durchſichtig; und von ei- ner bald feſterern, bald weicheren, biegſamen und klebrichten Conſiſtenz. Wenn man ihn mit den Fingern zu- ſammen knaͤtet; ſo zerbricht oder zer- kruͤmelt er manchmal in kleine Kru- men; mehrentheils aber iſt er einem feſten Honig aͤhnlich, indem er eben ſo wie derſelbe den Fingern nachgiebt, und an dieſelben anklebet. Sein Ge- ruch iſt ſcharf und nicht ſo unange- nehm, wie der Geruch des venediſchen Terpenthins; ſonderlich wenn man ihn in den Haͤnden zuſammen knaͤtet, oder ihn auf Kohlen wirft. Sein Ge- ſchmack iſt zwar etwas, aber gemaßigt bitter und ſcharf. Dieſer chiiſche oder cypriſche Terpenthin iſt ohnſtreitig der (d) beſte, vornehmlich zum arzt- neylichen Gebrauche: allein, weii er gar zu koſtbar, und gar zu ſelten zu haben iſt; ſo bedienet man ſich deſſen bey uns faſt gar nicht. Der (b) venediſche Terpenthin, lat. Te- rebinthina Veneta, franz. Terebin- thine de Veniſe, iſt ein aus den Lerchenbaͤumen im Fruͤhlinge und Herbſte, theils von ſelbſt, und theils nach deren vorhergehender Lo- chung herausrinnendes Harz, wel- ches im Anfange ſo helle wie Waſ- ſer, und ſo duͤnne wie Oel iſt; aber mit der Zeit ein wenig gelb, und dicker wird, und daher ſo, wie man es bey den Kaufleuten findet, kleb- richt und zaͤhe; dicker als Oel, aber duͤnner als Honig; jedoch noch flieſ- ſend iſt, wie es denn von den Fin- gern, wenn man ſolche hinein tunkt, gleich, und voͤllig abtroͤpfelt; etwas durchſichtig wie Glas; von gelblich- ter Farbe; von einem harzigten, durchdringenden, ſcharfen, ange- nehmen, jedoch etwas eklen Geru- che; und von einem feinen, ſcharfen und etwas bitterlichen Geſchmacke, der an Schaͤrfe und Hitze den Ge- ſchmack des wahren chiiſchen Ter- penthins uͤbertrifft. Man (a) nen- net ihn deswegen venediſchen Ter- penthin, weil man ihn ſonſten von Venedig gebracht hat; itziger Zeit aber (b) bringt man ihn aus allen denjenigen Laͤndern, wo die Lerchen- baͤume haͤufig wachſen, als aus Schleſien von Jaͤgerndorf und Teſchen, aus Oeſterreich, Steyer- mark, Kaͤrnthen, Tyrol, Grau- buͤnten, Savoyen, Jtalien von dem apenniniſchen Gebirge, und Frank- reich, und in dieſem letzten Lande, ſonderlich aus der Provinz Forez, wo die Bauern ſolchen in dem Ge- hoͤlze von Pilatre ſammlen, von de- nen er ſodann nach Lion verkaufet wird, V. Theil. D

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Zitationshilfe: Ludovici, Carl Günther: Eröffnete Akademie der Kaufleute, oder vollständiges Kaufmanns-Lexicon. Bd. 5. Leipzig, 1756, S. [49]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludovici_grundriss_1756/55>, abgerufen am 22.12.2024.