Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

-- in so untadelhafter Weiße, daß eigentlich nicht ein¬
zusehen ist, wozu der alte Herr ihn umgenommen hat.
Geht er zwischen den hochstämmigen Rosen hin, die sich
die Haltung des alten Herrn zum Muster genommen
zu haben scheinen, so ist ein Schritt wie der andre,
keiner greift weiter aus oder fällt aus der Gleichmäßig¬
keit des Taktes. Betrachtet man ihn genauer, wenn
er so inmitten seiner Schöpfung steht, so sieht man,
daß er äußerlich nur das nachgethan, wozu die Natur
in ihm selber das Muster geschaffen. Die Regelmäßig¬
keit der einzelnen Theile seiner hohen Gestalt scheint
so ängstlich abgezirkelt worden zu sein, wie die der
Beete des Gärtchens. Als sie ihn bildete, mußte ihr
Antlitz denselben Ausdruck von Gewissenhaftigkeit ge¬
tragen haben, den das Gesicht des alten Herrn zeigt
und der in seiner Stärke als Eigensinn erscheinen mußte,
war ihm nicht ein Zug von liebender Milde beigemischt,
ja fast von Schwärmerei. Und noch jetzt scheint sie
mit derselben Sorgfalt über ihm zu wachen, mit der
sein Auge sein kleines Gärtchen übersieht. Sein hinten
kurz geschnittenes und über der Stirn zu einer soge¬
nannten Schraube zierlich gedrehtes Haar ist von der¬
selben untadelhaften Weiße, die Halstuch, Weste, Kra¬
gen und der Schurz vor dem zugeknöpften Rocke zeigen.
Hier in seinem Gärtchen vollendet er das geschlossene
Bild desselben; außerhalb seines Hauses muß sein An¬
sehen und Wesen etwas Fremdartiges haben. Pflaster¬

— in ſo untadelhafter Weiße, daß eigentlich nicht ein¬
zuſehen iſt, wozu der alte Herr ihn umgenommen hat.
Geht er zwiſchen den hochſtämmigen Roſen hin, die ſich
die Haltung des alten Herrn zum Muſter genommen
zu haben ſcheinen, ſo iſt ein Schritt wie der andre,
keiner greift weiter aus oder fällt aus der Gleichmäßig¬
keit des Taktes. Betrachtet man ihn genauer, wenn
er ſo inmitten ſeiner Schöpfung ſteht, ſo ſieht man,
daß er äußerlich nur das nachgethan, wozu die Natur
in ihm ſelber das Muſter geſchaffen. Die Regelmäßig¬
keit der einzelnen Theile ſeiner hohen Geſtalt ſcheint
ſo ängſtlich abgezirkelt worden zu ſein, wie die der
Beete des Gärtchens. Als ſie ihn bildete, mußte ihr
Antlitz denſelben Ausdruck von Gewiſſenhaftigkeit ge¬
tragen haben, den das Geſicht des alten Herrn zeigt
und der in ſeiner Stärke als Eigenſinn erſcheinen mußte,
war ihm nicht ein Zug von liebender Milde beigemiſcht,
ja faſt von Schwärmerei. Und noch jetzt ſcheint ſie
mit derſelben Sorgfalt über ihm zu wachen, mit der
ſein Auge ſein kleines Gärtchen überſieht. Sein hinten
kurz geſchnittenes und über der Stirn zu einer ſoge¬
nannten Schraube zierlich gedrehtes Haar iſt von der¬
ſelben untadelhaften Weiße, die Halstuch, Weſte, Kra¬
gen und der Schurz vor dem zugeknöpften Rocke zeigen.
Hier in ſeinem Gärtchen vollendet er das geſchloſſene
Bild desſelben; außerhalb ſeines Hauſes muß ſein An¬
ſehen und Weſen etwas Fremdartiges haben. Pflaſter¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0013" n="4"/>
&#x2014; in &#x017F;o untadelhafter Weiße, daß eigentlich nicht ein¬<lb/>
zu&#x017F;ehen i&#x017F;t, wozu der alte Herr ihn umgenommen hat.<lb/>
Geht er zwi&#x017F;chen den hoch&#x017F;tämmigen Ro&#x017F;en hin, die &#x017F;ich<lb/>
die Haltung des alten Herrn zum Mu&#x017F;ter genommen<lb/>
zu haben &#x017F;cheinen, &#x017F;o i&#x017F;t ein Schritt wie der andre,<lb/>
keiner greift weiter aus oder fällt aus der Gleichmäßig¬<lb/>
keit des Taktes. Betrachtet man ihn genauer, wenn<lb/>
er &#x017F;o inmitten &#x017F;einer Schöpfung &#x017F;teht, &#x017F;o &#x017F;ieht man,<lb/>
daß er äußerlich nur das nachgethan, wozu die Natur<lb/>
in ihm &#x017F;elber das Mu&#x017F;ter ge&#x017F;chaffen. Die Regelmäßig¬<lb/>
keit der einzelnen Theile &#x017F;einer hohen Ge&#x017F;talt &#x017F;cheint<lb/>
&#x017F;o äng&#x017F;tlich abgezirkelt worden zu &#x017F;ein, wie die der<lb/>
Beete des Gärtchens. Als &#x017F;ie ihn bildete, mußte ihr<lb/>
Antlitz den&#x017F;elben Ausdruck von Gewi&#x017F;&#x017F;enhaftigkeit ge¬<lb/>
tragen haben, den das Ge&#x017F;icht des alten Herrn zeigt<lb/>
und der in &#x017F;einer Stärke als Eigen&#x017F;inn er&#x017F;cheinen mußte,<lb/>
war ihm nicht ein Zug von liebender Milde beigemi&#x017F;cht,<lb/>
ja fa&#x017F;t von Schwärmerei. Und noch jetzt &#x017F;cheint &#x017F;ie<lb/>
mit der&#x017F;elben Sorgfalt über ihm zu wachen, mit der<lb/>
&#x017F;ein Auge &#x017F;ein kleines Gärtchen über&#x017F;ieht. Sein hinten<lb/>
kurz ge&#x017F;chnittenes und über der Stirn zu einer &#x017F;oge¬<lb/>
nannten Schraube zierlich gedrehtes Haar i&#x017F;t von der¬<lb/>
&#x017F;elben untadelhaften Weiße, die Halstuch, We&#x017F;te, Kra¬<lb/>
gen und der Schurz vor dem zugeknöpften Rocke zeigen.<lb/>
Hier in &#x017F;einem Gärtchen vollendet er das ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;ene<lb/>
Bild des&#x017F;elben; außerhalb &#x017F;eines Hau&#x017F;es muß &#x017F;ein An¬<lb/>
&#x017F;ehen und We&#x017F;en etwas Fremdartiges haben. Pfla&#x017F;ter¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[4/0013] — in ſo untadelhafter Weiße, daß eigentlich nicht ein¬ zuſehen iſt, wozu der alte Herr ihn umgenommen hat. Geht er zwiſchen den hochſtämmigen Roſen hin, die ſich die Haltung des alten Herrn zum Muſter genommen zu haben ſcheinen, ſo iſt ein Schritt wie der andre, keiner greift weiter aus oder fällt aus der Gleichmäßig¬ keit des Taktes. Betrachtet man ihn genauer, wenn er ſo inmitten ſeiner Schöpfung ſteht, ſo ſieht man, daß er äußerlich nur das nachgethan, wozu die Natur in ihm ſelber das Muſter geſchaffen. Die Regelmäßig¬ keit der einzelnen Theile ſeiner hohen Geſtalt ſcheint ſo ängſtlich abgezirkelt worden zu ſein, wie die der Beete des Gärtchens. Als ſie ihn bildete, mußte ihr Antlitz denſelben Ausdruck von Gewiſſenhaftigkeit ge¬ tragen haben, den das Geſicht des alten Herrn zeigt und der in ſeiner Stärke als Eigenſinn erſcheinen mußte, war ihm nicht ein Zug von liebender Milde beigemiſcht, ja faſt von Schwärmerei. Und noch jetzt ſcheint ſie mit derſelben Sorgfalt über ihm zu wachen, mit der ſein Auge ſein kleines Gärtchen überſieht. Sein hinten kurz geſchnittenes und über der Stirn zu einer ſoge¬ nannten Schraube zierlich gedrehtes Haar iſt von der¬ ſelben untadelhaften Weiße, die Halstuch, Weſte, Kra¬ gen und der Schurz vor dem zugeknöpften Rocke zeigen. Hier in ſeinem Gärtchen vollendet er das geſchloſſene Bild desſelben; außerhalb ſeines Hauſes muß ſein An¬ ſehen und Weſen etwas Fremdartiges haben. Pflaſter¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/13
Zitationshilfe: Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/13>, abgerufen am 21.11.2024.