Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

Apollonius wollte sich zwingen. Es war seiner son¬
stigen Art so geradezu entgegen, nicht mit ganzer Seele
bei der Sache zu sein, die er trieb. Es gelang ihm
nicht. So griff fremde Zerrüttung auch in diese gleich¬
gewichtige, wohlgeordnete Seele herüber. -- Endlich
kam Valentin, erhielt das Reisegeld für Fritz Netten¬
mair und die Anweisung an den Hamburger Freund
und die Weisung, des Reisenden Gepäck nach dem
Posthofe zu tragen, und etwaigen Auftrages harrend
in seiner Nähe zu bleiben, bis er abgefahren sei.
Eine Stunde später kam er zurück und hatte den Be¬
fehl vollzogen. Er erzählte, Fritz Nettenmair freue
sich auf das neue Leben in Amerika. Sie sollten sich
wundern über ihn, wenn sie ihn wiedersähn. Er
konnte kaum die Zeit erwarten. Der alte Herr richtete
sich innerlich hoch auf; er meinte grimmig, Apollonius
könne vor Schlaf in den Augen nicht mehr lesen, und
schickte ihn in's Bett. Das begonnene Werk fortzu¬
setzen, müsse sich ein andermal Zeit finden.


Und Fritz Nettenmair? Wie war ihm zu Muth
in dieser Nacht? Als er, ruhelos wie ein gequälter
Geist, bald händeringend, bald fäusteballend den Gang
vom Hause nach dem Schuppen und wieder von dem
Schuppen nach dem Hause schlich? Bald schrack er

Apollonius wollte ſich zwingen. Es war ſeiner ſon¬
ſtigen Art ſo geradezu entgegen, nicht mit ganzer Seele
bei der Sache zu ſein, die er trieb. Es gelang ihm
nicht. So griff fremde Zerrüttung auch in dieſe gleich¬
gewichtige, wohlgeordnete Seele herüber. — Endlich
kam Valentin, erhielt das Reiſegeld für Fritz Netten¬
mair und die Anweiſung an den Hamburger Freund
und die Weiſung, des Reiſenden Gepäck nach dem
Poſthofe zu tragen, und etwaigen Auftrages harrend
in ſeiner Nähe zu bleiben, bis er abgefahren ſei.
Eine Stunde ſpäter kam er zurück und hatte den Be¬
fehl vollzogen. Er erzählte, Fritz Nettenmair freue
ſich auf das neue Leben in Amerika. Sie ſollten ſich
wundern über ihn, wenn ſie ihn wiederſähn. Er
konnte kaum die Zeit erwarten. Der alte Herr richtete
ſich innerlich hoch auf; er meinte grimmig, Apollonius
könne vor Schlaf in den Augen nicht mehr leſen, und
ſchickte ihn in's Bett. Das begonnene Werk fortzu¬
ſetzen, müſſe ſich ein andermal Zeit finden.


Und Fritz Nettenmair? Wie war ihm zu Muth
in dieſer Nacht? Als er, ruhelos wie ein gequälter
Geiſt, bald händeringend, bald fäuſteballend den Gang
vom Hauſe nach dem Schuppen und wieder von dem
Schuppen nach dem Hauſe ſchlich? Bald ſchrack er

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0254" n="245"/>
Apollonius wollte &#x017F;ich zwingen. Es war &#x017F;einer &#x017F;on¬<lb/>
&#x017F;tigen Art &#x017F;o geradezu entgegen, nicht mit ganzer Seele<lb/>
bei der Sache zu &#x017F;ein, die er trieb. Es gelang ihm<lb/>
nicht. So griff fremde Zerrüttung auch in die&#x017F;e gleich¬<lb/>
gewichtige, wohlgeordnete Seele herüber. &#x2014; Endlich<lb/>
kam Valentin, erhielt das Rei&#x017F;egeld für Fritz Netten¬<lb/>
mair und die Anwei&#x017F;ung an den Hamburger Freund<lb/>
und die Wei&#x017F;ung, des Rei&#x017F;enden Gepäck nach dem<lb/>
Po&#x017F;thofe zu tragen, und etwaigen Auftrages harrend<lb/>
in &#x017F;einer Nähe zu bleiben, bis er abgefahren &#x017F;ei.<lb/>
Eine Stunde &#x017F;päter kam er zurück und hatte den Be¬<lb/>
fehl vollzogen. Er erzählte, Fritz Nettenmair freue<lb/>
&#x017F;ich auf das neue Leben in Amerika. Sie &#x017F;ollten &#x017F;ich<lb/>
wundern über ihn, wenn &#x017F;ie ihn wieder&#x017F;ähn. Er<lb/>
konnte kaum die Zeit erwarten. Der alte Herr richtete<lb/>
&#x017F;ich innerlich hoch auf; er meinte grimmig, Apollonius<lb/>
könne vor Schlaf in den Augen nicht mehr le&#x017F;en, und<lb/>
&#x017F;chickte ihn in's Bett. Das begonnene Werk fortzu¬<lb/>
&#x017F;etzen, mü&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ich ein andermal Zeit finden.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p>Und Fritz Nettenmair? Wie war ihm zu Muth<lb/>
in die&#x017F;er Nacht? Als er, ruhelos wie ein gequälter<lb/>
Gei&#x017F;t, bald händeringend, bald fäu&#x017F;teballend den Gang<lb/>
vom Hau&#x017F;e nach dem Schuppen und wieder von dem<lb/>
Schuppen nach dem Hau&#x017F;e &#x017F;chlich? Bald &#x017F;chrack er<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[245/0254] Apollonius wollte ſich zwingen. Es war ſeiner ſon¬ ſtigen Art ſo geradezu entgegen, nicht mit ganzer Seele bei der Sache zu ſein, die er trieb. Es gelang ihm nicht. So griff fremde Zerrüttung auch in dieſe gleich¬ gewichtige, wohlgeordnete Seele herüber. — Endlich kam Valentin, erhielt das Reiſegeld für Fritz Netten¬ mair und die Anweiſung an den Hamburger Freund und die Weiſung, des Reiſenden Gepäck nach dem Poſthofe zu tragen, und etwaigen Auftrages harrend in ſeiner Nähe zu bleiben, bis er abgefahren ſei. Eine Stunde ſpäter kam er zurück und hatte den Be¬ fehl vollzogen. Er erzählte, Fritz Nettenmair freue ſich auf das neue Leben in Amerika. Sie ſollten ſich wundern über ihn, wenn ſie ihn wiederſähn. Er konnte kaum die Zeit erwarten. Der alte Herr richtete ſich innerlich hoch auf; er meinte grimmig, Apollonius könne vor Schlaf in den Augen nicht mehr leſen, und ſchickte ihn in's Bett. Das begonnene Werk fortzu¬ ſetzen, müſſe ſich ein andermal Zeit finden. Und Fritz Nettenmair? Wie war ihm zu Muth in dieſer Nacht? Als er, ruhelos wie ein gequälter Geiſt, bald händeringend, bald fäuſteballend den Gang vom Hauſe nach dem Schuppen und wieder von dem Schuppen nach dem Hauſe ſchlich? Bald ſchrack er

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/254
Zitationshilfe: Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/254>, abgerufen am 18.12.2024.