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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

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Niere; Harn, Harnstoff.
Fett und Amylon mindert die Harnstoffabscheidung; namentlich liefert
ein und dasselbe Thier weniger Harnstoff beim ausschliesslichen Genusse
von Wasser und Fett, oder selbst bei einem reichlichen Futter aus
Amylon und Fett mit einem schwachen Zusatz eiweissartiger Stoffe, als
bei vollständiger Nahrungsentziehung. Eine aus Mehl, Fett und Fleisch ge-
mischte Nahrung erzeugt weniger Harnstoff, als dieselbe Menge von Fleisch
für sich allein genommen hervorbringt. -- c) Eine Nahrung von Eiern, Mus-
kelfleisch, leimgebendem Gewebe steigert die Harnstoffbildung (Bischoff),
und zwar nimmt das tägliche Harnstoffgewicht in dem Maasse zu, in dem
die Menge jener Nahrungsstoffe wächst. Der ausgeschiedene Harnstoff enthält
aber nie den ganzen Stickstoff, welcher mit der Nahrung eingeführt wurde
(Boussingault, Lehmann, Barral, Bischoff), selbst dann nicht,
wenn sich das Körpergewicht durch die Nahrung nicht mehrt, mit andern
Worten, wenn das Gewicht der täglichen Ausgaben und Einnahmen gleich
ist. Der Unterschied zwischen den Stickstoffmengen, welche mit der
Nahrung ein- und durch den Harnstoff ausgeführt werden, ist nach
Bischoff in weiten Grenzen unabhängig von der Quantität der Nahrung,
so dass er insbesondere bei einer kärglichen und übermässig reichlichen
Fleischfütterung sich gleich bleibt; nur wenn Fett, Kochsalz und Wasser
in den Nahrungsmitteln stark vertreten sind, vermindert sich die Menge
des auf anderen Wegen ausgeschiedenen Stickstoffs. -- d) Ein reich-
licher Wasserzusatz zu der Nahrung bewirkt, dass mehr Harnstoff aus-
geschieden werde, als bei Genuss derselben Speisen ohne Wasser ge-
schehen wäre (Bischoff, Becher). Der letztere Beobachter fand, als
er in einem Tage 10,85 Ltr. Wasser trank, dass an diesem die Harn-
stoffmenge das gewöhnliche Maass weit überstieg und dann, als die fol-
genden Tage die gewöhnliche Lebensweise ohne Wasser geführt wurde,
erst nach dreimal 24 Stunden die normale Harnstoffquantität wieder er-
schien. -- e) Aehnliches bewirkt das Kochsalz (Boussingault, Bar-
ral, Bischoff
). -- f) Ein Kaffeeaufguss, der Nahrung zugesetzt, min-
dert die Harnstoffausscheidung (Böcker, Jul. Lehmann).

Harnstoff, Harnsäure, Thein, Theobromin (Wöhler, Frerichs *), Leh-
mann
) **), Cubeben und Cantharidentinktur (Sigmund) ***) mehren, Digitalis (?)
(Sigmund, Becher) mindert die Harnstoffausscheidung, wenn sie der Nahrung
zugesetzt werden.

Nach Lehmann soll 2) die tägliche Harnstoffmenge um etwas
wachsen mit der Anstrengung unserer Muskeln. -- 3) In einigen Krank-
heiten, z. B. dem Typhus, ist die Harnstoffausscheidung vermehrt, in
anderen, z. B. der Bright'schen Nierenregeneration und der Zuckerruhr,
mindert sich die Menge des ausgeschiedenen Harns sehr merklich. In

*) Liebig's Annalen. 65. Bd. 335.
**) 1. c. II. Bd. 414.
***) Virchow's Archiv. VI. Bd. 245.
17*

Niere; Harn, Harnstoff.
Fett und Amylon mindert die Harnstoffabscheidung; namentlich liefert
ein und dasselbe Thier weniger Harnstoff beim ausschliesslichen Genusse
von Wasser und Fett, oder selbst bei einem reichlichen Futter aus
Amylon und Fett mit einem schwachen Zusatz eiweissartiger Stoffe, als
bei vollständiger Nahrungsentziehung. Eine aus Mehl, Fett und Fleisch ge-
mischte Nahrung erzeugt weniger Harnstoff, als dieselbe Menge von Fleisch
für sich allein genommen hervorbringt. — c) Eine Nahrung von Eiern, Mus-
kelfleisch, leimgebendem Gewebe steigert die Harnstoffbildung (Bischoff),
und zwar nimmt das tägliche Harnstoffgewicht in dem Maasse zu, in dem
die Menge jener Nahrungsstoffe wächst. Der ausgeschiedene Harnstoff enthält
aber nie den ganzen Stickstoff, welcher mit der Nahrung eingeführt wurde
(Boussingault, Lehmann, Barral, Bischoff), selbst dann nicht,
wenn sich das Körpergewicht durch die Nahrung nicht mehrt, mit andern
Worten, wenn das Gewicht der täglichen Ausgaben und Einnahmen gleich
ist. Der Unterschied zwischen den Stickstoffmengen, welche mit der
Nahrung ein- und durch den Harnstoff ausgeführt werden, ist nach
Bischoff in weiten Grenzen unabhängig von der Quantität der Nahrung,
so dass er insbesondere bei einer kärglichen und übermässig reichlichen
Fleischfütterung sich gleich bleibt; nur wenn Fett, Kochsalz und Wasser
in den Nahrungsmitteln stark vertreten sind, vermindert sich die Menge
des auf anderen Wegen ausgeschiedenen Stickstoffs. — d) Ein reich-
licher Wasserzusatz zu der Nahrung bewirkt, dass mehr Harnstoff aus-
geschieden werde, als bei Genuss derselben Speisen ohne Wasser ge-
schehen wäre (Bischoff, Becher). Der letztere Beobachter fand, als
er in einem Tage 10,85 Ltr. Wasser trank, dass an diesem die Harn-
stoffmenge das gewöhnliche Maass weit überstieg und dann, als die fol-
genden Tage die gewöhnliche Lebensweise ohne Wasser geführt wurde,
erst nach dreimal 24 Stunden die normale Harnstoffquantität wieder er-
schien. — e) Aehnliches bewirkt das Kochsalz (Boussingault, Bar-
ral, Bischoff
). — f) Ein Kaffeeaufguss, der Nahrung zugesetzt, min-
dert die Harnstoffausscheidung (Böcker, Jul. Lehmann).

Harnstoff, Harnsäure, Thein, Theobromin (Wöhler, Frerichs *), Leh-
mann
) **), Cubeben und Cantharidentinktur (Sigmund) ***) mehren, Digitalis (?)
(Sigmund, Becher) mindert die Harnstoffausscheidung, wenn sie der Nahrung
zugesetzt werden.

Nach Lehmann soll 2) die tägliche Harnstoffmenge um etwas
wachsen mit der Anstrengung unserer Muskeln. — 3) In einigen Krank-
heiten, z. B. dem Typhus, ist die Harnstoffausscheidung vermehrt, in
anderen, z. B. der Bright’schen Nierenregeneration und der Zuckerruhr,
mindert sich die Menge des ausgeschiedenen Harns sehr merklich. In

*) Liebig’s Annalen. 65. Bd. 335.
**) 1. c. II. Bd. 414.
***) Virchow’s Archiv. VI. Bd. 245.
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[259/0275] Niere; Harn, Harnstoff. Fett und Amylon mindert die Harnstoffabscheidung; namentlich liefert ein und dasselbe Thier weniger Harnstoff beim ausschliesslichen Genusse von Wasser und Fett, oder selbst bei einem reichlichen Futter aus Amylon und Fett mit einem schwachen Zusatz eiweissartiger Stoffe, als bei vollständiger Nahrungsentziehung. Eine aus Mehl, Fett und Fleisch ge- mischte Nahrung erzeugt weniger Harnstoff, als dieselbe Menge von Fleisch für sich allein genommen hervorbringt. — c) Eine Nahrung von Eiern, Mus- kelfleisch, leimgebendem Gewebe steigert die Harnstoffbildung (Bischoff), und zwar nimmt das tägliche Harnstoffgewicht in dem Maasse zu, in dem die Menge jener Nahrungsstoffe wächst. Der ausgeschiedene Harnstoff enthält aber nie den ganzen Stickstoff, welcher mit der Nahrung eingeführt wurde (Boussingault, Lehmann, Barral, Bischoff), selbst dann nicht, wenn sich das Körpergewicht durch die Nahrung nicht mehrt, mit andern Worten, wenn das Gewicht der täglichen Ausgaben und Einnahmen gleich ist. Der Unterschied zwischen den Stickstoffmengen, welche mit der Nahrung ein- und durch den Harnstoff ausgeführt werden, ist nach Bischoff in weiten Grenzen unabhängig von der Quantität der Nahrung, so dass er insbesondere bei einer kärglichen und übermässig reichlichen Fleischfütterung sich gleich bleibt; nur wenn Fett, Kochsalz und Wasser in den Nahrungsmitteln stark vertreten sind, vermindert sich die Menge des auf anderen Wegen ausgeschiedenen Stickstoffs. — d) Ein reich- licher Wasserzusatz zu der Nahrung bewirkt, dass mehr Harnstoff aus- geschieden werde, als bei Genuss derselben Speisen ohne Wasser ge- schehen wäre (Bischoff, Becher). Der letztere Beobachter fand, als er in einem Tage 10,85 Ltr. Wasser trank, dass an diesem die Harn- stoffmenge das gewöhnliche Maass weit überstieg und dann, als die fol- genden Tage die gewöhnliche Lebensweise ohne Wasser geführt wurde, erst nach dreimal 24 Stunden die normale Harnstoffquantität wieder er- schien. — e) Aehnliches bewirkt das Kochsalz (Boussingault, Bar- ral, Bischoff). — f) Ein Kaffeeaufguss, der Nahrung zugesetzt, min- dert die Harnstoffausscheidung (Böcker, Jul. Lehmann). Harnstoff, Harnsäure, Thein, Theobromin (Wöhler, Frerichs *), Leh- mann) **), Cubeben und Cantharidentinktur (Sigmund) ***) mehren, Digitalis (?) (Sigmund, Becher) mindert die Harnstoffausscheidung, wenn sie der Nahrung zugesetzt werden. Nach Lehmann soll 2) die tägliche Harnstoffmenge um etwas wachsen mit der Anstrengung unserer Muskeln. — 3) In einigen Krank- heiten, z. B. dem Typhus, ist die Harnstoffausscheidung vermehrt, in anderen, z. B. der Bright’schen Nierenregeneration und der Zuckerruhr, mindert sich die Menge des ausgeschiedenen Harns sehr merklich. In *) Liebig’s Annalen. 65. Bd. 335. **) 1. c. II. Bd. 414. ***) Virchow’s Archiv. VI. Bd. 245. 17*

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/275>, abgerufen am 21.11.2024.