Temperatur abhängig vom Lebensalter und der Nahrung.
[Tabelle]
Die Steigerung, welche die Wärme im hohen Alter gegenüber der in mittleren Jahren erfährt, hat auch J. Davy in einer grösseren Zahl von Fällen beobachtet. -- Welchen Werth man nun auch den in der mitgetheilten Reihe vorkommenden Varia- tionen beizulegen gesonnen ist, jedenfalls muss anerkannt werden, dass die Wärme der verschiedenen Lebensalter sich sehr nahe kommt.
Der Einfluss der Nahrung auf die menschliche Temperirung ist im Allgemeinen ein erhöhender; dieses zeigt sich am schlagendsten sogleich darin, dass die Wärme nach Entziehung aller Nahrung sinkt. So fanden z. B. Lichtenfels und Fröhlich die mittlere Temperatur der Hun- gertage zu 36,60° C., während der wie gewöhnlich verlebten Tage aber zu 37,17° C. Dieser Wärmeunterschied wächst nun aber nicht geradezu mit der Dauer der Hungerperiode, sondern es hält sich, wie man schon aus den von Chossat und Schmidt an verhungernden Thieren ange- stellten Beobachtungen gesehen hat, die Temperatur vom zweiten Hunger- tage an constant bis gegen die dem Tode unmittelbar vorangehende, wo sie von Tag zu Tag rasch sinkt. In einer Versuchsreihe an einer Katze (Schmidt) zeigte bis zum 15. Hungertage das Thermometer im Mittel 38,6° C., am 16. Tage 38,3°, am 17. Tage 37,64°, am 18. Tage 35,8° und endlich am 19. (dem Sterbe-) Tage 33,0. -- Mit diesen Angaben sind wenigstens die von Chossat*), der seine Beobachtungen an den höher temperirten und rascher verhungernden Tauben anstellte, nicht im Widerspruche. Den Erscheinungen der Hungerkur entsprechend, schei- nen sich die Dinge auch bei der Einnahme der Nahrung zu stellen; un- zweifelhaft nimmt nemlich die Temperatur nicht mit dem Gewichte der aufgenommenen Speise zu; träfe dieses ein, so dürfte die Temperatur der Erwachsenen sich nicht in so engen Grenzen halten, da sie doch so ausserordentlich verschiedene Mengen von Nahrungsmitteln geniessen. Zu weiteren Angaben fehlen jedoch noch die genaueren Untersuchungen.
*) Recherches experimentales sur l'inanition. Paris 1843.
Temperatur abhängig vom Lebensalter und der Nahrung.
[Tabelle]
Die Steigerung, welche die Wärme im hohen Alter gegenüber der in mittleren Jahren erfährt, hat auch J. Davy in einer grösseren Zahl von Fällen beobachtet. — Welchen Werth man nun auch den in der mitgetheilten Reihe vorkommenden Varia- tionen beizulegen gesonnen ist, jedenfalls muss anerkannt werden, dass die Wärme der verschiedenen Lebensalter sich sehr nahe kommt.
Der Einfluss der Nahrung auf die menschliche Temperirung ist im Allgemeinen ein erhöhender; dieses zeigt sich am schlagendsten sogleich darin, dass die Wärme nach Entziehung aller Nahrung sinkt. So fanden z. B. Lichtenfels und Fröhlich die mittlere Temperatur der Hun- gertage zu 36,60° C., während der wie gewöhnlich verlebten Tage aber zu 37,17° C. Dieser Wärmeunterschied wächst nun aber nicht geradezu mit der Dauer der Hungerperiode, sondern es hält sich, wie man schon aus den von Chossat und Schmidt an verhungernden Thieren ange- stellten Beobachtungen gesehen hat, die Temperatur vom zweiten Hunger- tage an constant bis gegen die dem Tode unmittelbar vorangehende, wo sie von Tag zu Tag rasch sinkt. In einer Versuchsreihe an einer Katze (Schmidt) zeigte bis zum 15. Hungertage das Thermometer im Mittel 38,6° C., am 16. Tage 38,3°, am 17. Tage 37,64°, am 18. Tage 35,8° und endlich am 19. (dem Sterbe-) Tage 33,0. — Mit diesen Angaben sind wenigstens die von Chossat*), der seine Beobachtungen an den höher temperirten und rascher verhungernden Tauben anstellte, nicht im Widerspruche. Den Erscheinungen der Hungerkur entsprechend, schei- nen sich die Dinge auch bei der Einnahme der Nahrung zu stellen; un- zweifelhaft nimmt nemlich die Temperatur nicht mit dem Gewichte der aufgenommenen Speise zu; träfe dieses ein, so dürfte die Temperatur der Erwachsenen sich nicht in so engen Grenzen halten, da sie doch so ausserordentlich verschiedene Mengen von Nahrungsmitteln geniessen. Zu weiteren Angaben fehlen jedoch noch die genaueren Untersuchungen.
*) Recherches experimentales sur l’inanition. Paris 1843.
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Temperatur abhängig vom Lebensalter und der Nahrung.
Die Steigerung, welche die Wärme im hohen Alter gegenüber der in mittleren
Jahren erfährt, hat auch J. Davy in einer grösseren Zahl von Fällen beobachtet. —
Welchen Werth man nun auch den in der mitgetheilten Reihe vorkommenden Varia-
tionen beizulegen gesonnen ist, jedenfalls muss anerkannt werden, dass die Wärme
der verschiedenen Lebensalter sich sehr nahe kommt.
Der Einfluss der Nahrung auf die menschliche Temperirung ist im
Allgemeinen ein erhöhender; dieses zeigt sich am schlagendsten sogleich
darin, dass die Wärme nach Entziehung aller Nahrung sinkt. So fanden
z. B. Lichtenfels und Fröhlich die mittlere Temperatur der Hun-
gertage zu 36,60° C., während der wie gewöhnlich verlebten Tage aber
zu 37,17° C. Dieser Wärmeunterschied wächst nun aber nicht geradezu
mit der Dauer der Hungerperiode, sondern es hält sich, wie man schon
aus den von Chossat und Schmidt an verhungernden Thieren ange-
stellten Beobachtungen gesehen hat, die Temperatur vom zweiten Hunger-
tage an constant bis gegen die dem Tode unmittelbar vorangehende, wo
sie von Tag zu Tag rasch sinkt. In einer Versuchsreihe an einer Katze
(Schmidt) zeigte bis zum 15. Hungertage das Thermometer im Mittel
38,6° C., am 16. Tage 38,3°, am 17. Tage 37,64°, am 18. Tage 35,8°
und endlich am 19. (dem Sterbe-) Tage 33,0. — Mit diesen Angaben
sind wenigstens die von Chossat *), der seine Beobachtungen an den
höher temperirten und rascher verhungernden Tauben anstellte, nicht im
Widerspruche. Den Erscheinungen der Hungerkur entsprechend, schei-
nen sich die Dinge auch bei der Einnahme der Nahrung zu stellen; un-
zweifelhaft nimmt nemlich die Temperatur nicht mit dem Gewichte der
aufgenommenen Speise zu; träfe dieses ein, so dürfte die Temperatur
der Erwachsenen sich nicht in so engen Grenzen halten, da sie doch
so ausserordentlich verschiedene Mengen von Nahrungsmitteln geniessen.
Zu weiteren Angaben fehlen jedoch noch die genaueren Untersuchungen.
*) Recherches experimentales sur l’inanition. Paris 1843.
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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 463. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/479>, abgerufen am 22.11.2024.
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