Lütkemann, Joachim: Harpffe Von zehen Seyten. Frankfurt/Leipzig, 1674.über den 118. Psalm borgen. Daß diß Freuden-Liecht den fleischli-chen Hertzen unbekand bleibet/ ist kein Wunder. Denn wie das Liecht nur heimlich und im Ver- borgen scheinet/ also ist auch der Friede und Trost geistlich/ für den weltlichen Augen ver- borgen/ aber wie kommts/ daß auch die wieder- geborne Hertzen so ein sehnlich Verlangen nach dem Freuden-Liecht haben/ und finden offt nichts/ als nur Zagen und Klagen? Nun so habe ich vorhin gesaget/ alle Tage seynd nicht gleich. Muste doch CHristus auch klagen: Mein GOtt/ mein GOtt/ wie hast du mich verlassen! Ps. 22, 2. Wo war da der Freuden- Schein! Es ist kein Tag/ der nicht solte eine Wolcken leiden können. Nebel und Wolcken können die Sonne wohl verbergen/ aber nicht wegnehmen. Wann du CHristum als deinen JEsum erkannt hast/ ist dir die Sonne schon auffgangen; Daß aber trübes Wetter mit ein- schleicht/ mag dir vielleicht so gut seyn/ als böß du es vermeinest. Sihe dein Verlangen/ das du nach dem Freuden-Liecht deines Heylandes trägest/ ist eine Anzeigung/ daß dein Hertz ei- nen Blick von der Sonnen gemercket/ denn woher wolte das sehnliche Verlangen kommen/ wenn dir nichts davon bewust wäre? Dül- de dich nur/ und laß nicht ab/ deine Augen nach
über den 118. Pſalm borgen. Daß diß Freuden-Liecht den fleiſchli-chen Hertzen unbekand bleibet/ iſt kein Wunder. Denn wie das Liecht nur heimlich und im Ver- borgen ſcheinet/ alſo iſt auch der Friede und Troſt geiſtlich/ für den weltlichen Augen ver- borgen/ aber wie kommts/ daß auch die wieder- geborne Hertzen ſo ein ſehnlich Verlangen nach dem Freuden-Liecht haben/ und finden offt nichts/ als nur Zagen und Klagen? Nun ſo habe ich vorhin geſaget/ alle Tage ſeynd nicht gleich. Muſte doch CHriſtus auch klagen: Mein GOtt/ mein GOtt/ wie haſt du mich verlaſſen! Pſ. 22, 2. Wo war da der Freuden- Schein! Es iſt kein Tag/ der nicht ſolte eine Wolcken leiden können. Nebel und Wolcken können die Sonne wohl verbergen/ aber nicht wegnehmen. Wann du CHriſtum als deinen JEſum erkannt haſt/ iſt dir die Sonne ſchon auffgangen; Daß aber trübes Wetter mit ein- ſchleicht/ mag dir vielleicht ſo gut ſeyn/ als böß du es vermeineſt. Sihe dein Verlangen/ das du nach dem Freuden-Liecht deines Heylandes trägeſt/ iſt eine Anzeigung/ daß dein Hertz ei- nen Blick von der Sonnen gemercket/ denn woher wolte das ſehnliche Verlangen kommen/ wenn dir nichts davon bewuſt wäre? Dül- de dich nur/ und laß nicht ab/ deine Augen nach
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0773" n="750"/><fw place="top" type="header">über den 118. Pſalm</fw><lb/> borgen. Daß diß Freuden-Liecht den fleiſchli-<lb/> chen Hertzen unbekand bleibet/ iſt kein Wunder.<lb/> Denn wie das Liecht nur heimlich und im Ver-<lb/> borgen ſcheinet/ alſo iſt auch der Friede und<lb/> Troſt geiſtlich/ für den weltlichen Augen ver-<lb/> borgen/ aber wie kommts/ daß auch die wieder-<lb/> geborne Hertzen ſo ein ſehnlich Verlangen nach<lb/> dem Freuden-Liecht haben/ und finden offt<lb/> nichts/ als nur Zagen und Klagen? Nun ſo<lb/> habe ich vorhin geſaget/ alle Tage ſeynd nicht<lb/> gleich. Muſte doch CHriſtus auch klagen:<lb/><hi rendition="#fr">Mein GOtt/ mein GOtt/ wie haſt du mich<lb/> verlaſſen!</hi> <hi rendition="#aq">Pſ.</hi> 22, 2. Wo war da der Freuden-<lb/> Schein! Es iſt kein Tag/ der nicht ſolte eine<lb/> Wolcken leiden können. Nebel und Wolcken<lb/> können die Sonne wohl verbergen/ aber nicht<lb/> wegnehmen. Wann du CHriſtum als deinen<lb/> JEſum erkannt haſt/ iſt dir die Sonne ſchon<lb/> auffgangen; Daß aber trübes Wetter mit ein-<lb/> ſchleicht/ mag dir vielleicht ſo gut ſeyn/ als böß<lb/> du es vermeineſt. Sihe dein Verlangen/ das<lb/> du nach dem Freuden-Liecht deines Heylandes<lb/> trägeſt/ iſt eine Anzeigung/ daß dein Hertz ei-<lb/> nen Blick von der Sonnen gemercket/ denn<lb/> woher wolte das ſehnliche Verlangen kommen/<lb/> wenn dir nichts davon bewuſt wäre? Dül-<lb/> de dich nur/ und laß nicht ab/ deine Augen<lb/> <fw place="bottom" type="catch">nach</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [750/0773]
über den 118. Pſalm
borgen. Daß diß Freuden-Liecht den fleiſchli-
chen Hertzen unbekand bleibet/ iſt kein Wunder.
Denn wie das Liecht nur heimlich und im Ver-
borgen ſcheinet/ alſo iſt auch der Friede und
Troſt geiſtlich/ für den weltlichen Augen ver-
borgen/ aber wie kommts/ daß auch die wieder-
geborne Hertzen ſo ein ſehnlich Verlangen nach
dem Freuden-Liecht haben/ und finden offt
nichts/ als nur Zagen und Klagen? Nun ſo
habe ich vorhin geſaget/ alle Tage ſeynd nicht
gleich. Muſte doch CHriſtus auch klagen:
Mein GOtt/ mein GOtt/ wie haſt du mich
verlaſſen! Pſ. 22, 2. Wo war da der Freuden-
Schein! Es iſt kein Tag/ der nicht ſolte eine
Wolcken leiden können. Nebel und Wolcken
können die Sonne wohl verbergen/ aber nicht
wegnehmen. Wann du CHriſtum als deinen
JEſum erkannt haſt/ iſt dir die Sonne ſchon
auffgangen; Daß aber trübes Wetter mit ein-
ſchleicht/ mag dir vielleicht ſo gut ſeyn/ als böß
du es vermeineſt. Sihe dein Verlangen/ das
du nach dem Freuden-Liecht deines Heylandes
trägeſt/ iſt eine Anzeigung/ daß dein Hertz ei-
nen Blick von der Sonnen gemercket/ denn
woher wolte das ſehnliche Verlangen kommen/
wenn dir nichts davon bewuſt wäre? Dül-
de dich nur/ und laß nicht ab/ deine Augen
nach
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |