Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lütkemann, Joachim: Harpffe Von zehen Seyten. Frankfurt/Leipzig, 1674.

Bild:
<< vorherige Seite

über den 33. Psalm


Hunger betrifft/ wird derselbe allererst gespü-
ret/ wann die Seele vom Leibe gelöset wird/
denn hie in diesem Leben suchet die Seele Erla-
bung in zeitlichen vergänglichen Dingen/ damit
sie doch den Hunger nicht stillen kan/ und gehet
ihr wie einem außgehungerten Magen/ der in
sich schlucket/ was ihm fürkommt/ auch unnatür-
liche Dinge/ ob er schon wenig davon gesättiget
wird. Wenn aber auch das irrdische der See-
len entzogen wird/ daran sie sich gehalten/ so lan-
ge sie im Leibe gewesen/ da wird der Hunger
recht angehen/ oder vielmehr recht gefühlet wer-
den/ also daß die unglückselige Seele für Unge-
dult und Mangel alles Trostes/ gleichsam ra-
send wird. Da wird erfüllet werden der Ge-
sang Mariae: Die Hungerigen füllet er mit
Gütern/ und läst die Reichen leer.
Luc. 1, 53.
Wenn alle Welt ohne Trost verschmachtet/
muß der Gerechten Seelen kein Trost mangeln.
Beym Esaia am 65. v. 13. spricht der HErr zu
den Abtrünnigen/ die den Herrn verlassen also:
Siehe/ meine Knechte sollen essen/ ihr aber
solt hungern. Siehe/ meine Knechte sollen
trincken/ ihr aber solt dürsten. Siehe/ meine
Knechte sollen frölich seyn/ ihr aber solt zu
schanden werden. Siehe meine Knechte
sollen für gutem Muth jauchtzen/ ihr aber

solt

über den 33. Pſalm


Hunger betrifft/ wird derſelbe allererſt geſpü-
ret/ wann die Seele vom Leibe gelöſet wird/
denn hie in dieſem Leben ſuchet die Seele Erla-
bung in zeitlichen vergänglichen Dingen/ damit
ſie doch den Hunger nicht ſtillen kan/ und gehet
ihr wie einem außgehungerten Magen/ der in
ſich ſchlucket/ was ihm fürkommt/ auch unnatür-
liche Dinge/ ob er ſchon wenig davon geſättiget
wird. Wenn aber auch das irrdiſche der See-
len entzogen wird/ daran ſie ſich gehalten/ ſo lan-
ge ſie im Leibe geweſen/ da wird der Hunger
recht angehen/ oder vielmehr recht gefühlet wer-
den/ alſo daß die unglückſelige Seele für Unge-
dult und Mangel alles Troſtes/ gleichſam ra-
ſend wird. Da wird erfüllet werden der Ge-
ſang Mariæ: Die Hungerigen füllet er mit
Gütern/ und läſt die Reichen leer.
Luc. 1, 53.
Wenn alle Welt ohne Troſt verſchmachtet/
muß der Gerechten Seelen kein Troſt mangeln.
Beym Eſaia am 65. v. 13. ſpricht der HErr zu
den Abtrünnigen/ die den Herrn verlaſſen alſo:
Siehe/ meine Knechte ſollen eſſen/ ihr aber
ſolt hungern. Siehe/ meine Knechte ſollen
trincken/ ihr aber ſolt dürſten. Siehe/ meine
Knechte ſollen frölich ſeyn/ ihr aber ſolt zu
ſchanden werden. Siehe meine Knechte
ſollen für gutem Muth jauchtzen/ ihr aber

ſolt
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0087" n="64"/><fw place="top" type="header">über den 33. P&#x017F;alm</fw><lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Hunger betrifft/ wird der&#x017F;elbe allerer&#x017F;t ge&#x017F;pü-<lb/>
ret/ wann die Seele vom Leibe gelö&#x017F;et wird/<lb/>
denn hie in die&#x017F;em Leben &#x017F;uchet die Seele Erla-<lb/>
bung in zeitlichen vergänglichen Dingen/ damit<lb/>
&#x017F;ie doch den Hunger nicht &#x017F;tillen kan/ und gehet<lb/>
ihr wie einem außgehungerten Magen/ der in<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;chlucket/ was ihm fürkommt/ auch unnatür-<lb/>
liche Dinge/ ob er &#x017F;chon wenig davon ge&#x017F;ättiget<lb/>
wird. Wenn aber auch das irrdi&#x017F;che der See-<lb/>
len entzogen wird/ daran &#x017F;ie &#x017F;ich gehalten/ &#x017F;o lan-<lb/>
ge &#x017F;ie im Leibe gewe&#x017F;en/ da wird der Hunger<lb/>
recht angehen/ oder vielmehr recht gefühlet wer-<lb/>
den/ al&#x017F;o daß die unglück&#x017F;elige Seele für Unge-<lb/>
dult und Mangel alles Tro&#x017F;tes/ gleich&#x017F;am ra-<lb/>
&#x017F;end wird. Da wird erfüllet werden der Ge-<lb/>
&#x017F;ang Mariæ: <hi rendition="#fr">Die Hungerigen füllet er mit<lb/>
Gütern/ und lä&#x017F;t die Reichen leer.</hi> <hi rendition="#aq">Luc.</hi> 1, 53.<lb/>
Wenn alle Welt ohne Tro&#x017F;t ver&#x017F;chmachtet/<lb/>
muß der Gerechten Seelen kein Tro&#x017F;t mangeln.<lb/>
Beym E&#x017F;aia am 65. v. 13. &#x017F;pricht der HErr zu<lb/>
den Abtrünnigen/ die den Herrn verla&#x017F;&#x017F;en al&#x017F;o:<lb/><hi rendition="#fr">Siehe/ meine Knechte &#x017F;ollen e&#x017F;&#x017F;en/ ihr aber<lb/>
&#x017F;olt hungern. Siehe/ meine Knechte &#x017F;ollen<lb/>
trincken/ ihr aber &#x017F;olt dür&#x017F;ten. Siehe/ meine<lb/>
Knechte &#x017F;ollen frölich &#x017F;eyn/ ihr aber &#x017F;olt zu<lb/>
&#x017F;chanden werden. Siehe meine Knechte<lb/>
&#x017F;ollen für gutem Muth jauchtzen/ ihr aber</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">&#x017F;olt</hi></fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[64/0087] über den 33. Pſalm Hunger betrifft/ wird derſelbe allererſt geſpü- ret/ wann die Seele vom Leibe gelöſet wird/ denn hie in dieſem Leben ſuchet die Seele Erla- bung in zeitlichen vergänglichen Dingen/ damit ſie doch den Hunger nicht ſtillen kan/ und gehet ihr wie einem außgehungerten Magen/ der in ſich ſchlucket/ was ihm fürkommt/ auch unnatür- liche Dinge/ ob er ſchon wenig davon geſättiget wird. Wenn aber auch das irrdiſche der See- len entzogen wird/ daran ſie ſich gehalten/ ſo lan- ge ſie im Leibe geweſen/ da wird der Hunger recht angehen/ oder vielmehr recht gefühlet wer- den/ alſo daß die unglückſelige Seele für Unge- dult und Mangel alles Troſtes/ gleichſam ra- ſend wird. Da wird erfüllet werden der Ge- ſang Mariæ: Die Hungerigen füllet er mit Gütern/ und läſt die Reichen leer. Luc. 1, 53. Wenn alle Welt ohne Troſt verſchmachtet/ muß der Gerechten Seelen kein Troſt mangeln. Beym Eſaia am 65. v. 13. ſpricht der HErr zu den Abtrünnigen/ die den Herrn verlaſſen alſo: Siehe/ meine Knechte ſollen eſſen/ ihr aber ſolt hungern. Siehe/ meine Knechte ſollen trincken/ ihr aber ſolt dürſten. Siehe/ meine Knechte ſollen frölich ſeyn/ ihr aber ſolt zu ſchanden werden. Siehe meine Knechte ſollen für gutem Muth jauchtzen/ ihr aber ſolt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/luettkemann_harpffe_1674
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/luettkemann_harpffe_1674/87
Zitationshilfe: Lütkemann, Joachim: Harpffe Von zehen Seyten. Frankfurt/Leipzig, 1674, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/luettkemann_harpffe_1674/87>, abgerufen am 21.11.2024.