Mach, Ernst: Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Leipzig, 1883.Die formelle Entwickelung der Mechanik. Erfahrung zu ersparen durch Uebertragung der Erfah-rung eines andern Individuums. Ja es werden sogar die Erfahrungen ganzer Generationen durch die schrift- liche Aufbewahrung in Bibliotheken spätern Generationen übertragen, und diesen daher erspart. Natürlich ist auch die Sprache, das Mittel der Mittheilung, eine ökono- mische Einrichtung. Die Erfahrungen werden mehr oder weniger vollkommen in einfachere, häufiger vorkommende Elemente zerlegt, und zum Zwecke der Mittheilung, stets mit einem Opfer an Genauigkeit, symbolisirt. Diese Symbolisirung ist bei der Lautsprache durchgängig noch eine rein nationale, und wird es wol noch lange bleiben. Die Schriftsprache nähert sich aber allmäh- lich dem Ideale einer internationalen Universalschrift, denn sie ist keine reine Lautschrift mehr. Wir müssen die Zahlzeichen, die algebraischen und mathematischen Zeichen überhaupt, die chemischen Zeichen, die musika- lische Notenschrift, die (Brücke'sche) phonetische Schrift, schon als Theile einer künftigen Universalschrift betrach- ten, die zum Theil schon sehr abstracter Natur und fast ganz international sind. Die Analyse der Farben ist phy- sikalisch und physiologisch auch bereits so weit, dass eine unzweideutige internationale Bezeichnung der phy- sikalischen Farben und der Farbenempfindungen keine principiellen Schwierigkeiten mehr hat. Endlich liegt in der chinesischen Schrift eine wirkliche Begriffsschrift vor, welche von verschiedenen Völkern phonetisch ganz verschieden gelesen, aber von allen in demselben Sinne verstanden wird. Ein einfacheres Zeichensystem könnte diese Schrift zu einer universellen machen. Die Be- seitigung des conventionellen und historisch zufälligen aus der Grammatik, und die Beschränkung der Formen auf das Nothwendige, wie dies im Englischen fast er- reicht ist, wird der Einführung einer solchen Schrift vorausgehen müssen. Der Vortheil einer solchen Schrift läge nicht allein in deren Allgemeinheit. Das Lesen einer derartigen Schrift wäre von dem Verstehen der- selben nicht verschieden. Unsere Kinder lesen oft, was Die formelle Entwickelung der Mechanik. Erfahrung zu ersparen durch Uebertragung der Erfah-rung eines andern Individuums. Ja es werden sogar die Erfahrungen ganzer Generationen durch die schrift- liche Aufbewahrung in Bibliotheken spätern Generationen übertragen, und diesen daher erspart. Natürlich ist auch die Sprache, das Mittel der Mittheilung, eine ökono- mische Einrichtung. Die Erfahrungen werden mehr oder weniger vollkommen in einfachere, häufiger vorkommende Elemente zerlegt, und zum Zwecke der Mittheilung, stets mit einem Opfer an Genauigkeit, symbolisirt. Diese Symbolisirung ist bei der Lautsprache durchgängig noch eine rein nationale, und wird es wol noch lange bleiben. Die Schriftsprache nähert sich aber allmäh- lich dem Ideale einer internationalen Universalschrift, denn sie ist keine reine Lautschrift mehr. Wir müssen die Zahlzeichen, die algebraischen und mathematischen Zeichen überhaupt, die chemischen Zeichen, die musika- lische Notenschrift, die (Brücke’sche) phonetische Schrift, schon als Theile einer künftigen Universalschrift betrach- ten, die zum Theil schon sehr abstracter Natur und fast ganz international sind. Die Analyse der Farben ist phy- sikalisch und physiologisch auch bereits so weit, dass eine unzweideutige internationale Bezeichnung der phy- sikalischen Farben und der Farbenempfindungen keine principiellen Schwierigkeiten mehr hat. Endlich liegt in der chinesischen Schrift eine wirkliche Begriffsschrift vor, welche von verschiedenen Völkern phonetisch ganz verschieden gelesen, aber von allen in demselben Sinne verstanden wird. Ein einfacheres Zeichensystem könnte diese Schrift zu einer universellen machen. Die Be- seitigung des conventionellen und historisch zufälligen aus der Grammatik, und die Beschränkung der Formen auf das Nothwendige, wie dies im Englischen fast er- reicht ist, wird der Einführung einer solchen Schrift vorausgehen müssen. Der Vortheil einer solchen Schrift läge nicht allein in deren Allgemeinheit. Das Lesen einer derartigen Schrift wäre von dem Verstehen der- selben nicht verschieden. 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Die formelle Entwickelung der Mechanik.
Erfahrung zu ersparen durch Uebertragung der Erfah-
rung eines andern Individuums. Ja es werden sogar
die Erfahrungen ganzer Generationen durch die schrift-
liche Aufbewahrung in Bibliotheken spätern Generationen
übertragen, und diesen daher erspart. Natürlich ist auch
die Sprache, das Mittel der Mittheilung, eine ökono-
mische Einrichtung. Die Erfahrungen werden mehr oder
weniger vollkommen in einfachere, häufiger vorkommende
Elemente zerlegt, und zum Zwecke der Mittheilung, stets
mit einem Opfer an Genauigkeit, symbolisirt. Diese
Symbolisirung ist bei der Lautsprache durchgängig
noch eine rein nationale, und wird es wol noch lange
bleiben. Die Schriftsprache nähert sich aber allmäh-
lich dem Ideale einer internationalen Universalschrift,
denn sie ist keine reine Lautschrift mehr. Wir müssen
die Zahlzeichen, die algebraischen und mathematischen
Zeichen überhaupt, die chemischen Zeichen, die musika-
lische Notenschrift, die (Brücke’sche) phonetische Schrift,
schon als Theile einer künftigen Universalschrift betrach-
ten, die zum Theil schon sehr abstracter Natur und fast
ganz international sind. Die Analyse der Farben ist phy-
sikalisch und physiologisch auch bereits so weit, dass
eine unzweideutige internationale Bezeichnung der phy-
sikalischen Farben und der Farbenempfindungen keine
principiellen Schwierigkeiten mehr hat. Endlich liegt
in der chinesischen Schrift eine wirkliche Begriffsschrift
vor, welche von verschiedenen Völkern phonetisch ganz
verschieden gelesen, aber von allen in demselben Sinne
verstanden wird. Ein einfacheres Zeichensystem könnte
diese Schrift zu einer universellen machen. Die Be-
seitigung des conventionellen und historisch zufälligen
aus der Grammatik, und die Beschränkung der Formen
auf das Nothwendige, wie dies im Englischen fast er-
reicht ist, wird der Einführung einer solchen Schrift
vorausgehen müssen. Der Vortheil einer solchen Schrift
läge nicht allein in deren Allgemeinheit. Das Lesen
einer derartigen Schrift wäre von dem Verstehen der-
selben nicht verschieden. Unsere Kinder lesen oft, was
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