ments widerstandslos in die eines abenteuernden Prätendenten übergehn zu lassen, nicht einmal der Intriguen werth, die in ihrem Interesse verschwendet wurden. Sie bewies, daß der Kampf um die Behauptung ihres öffent¬ lichen Interesses, ihres eignen Klasseninteresses, ihrer poli¬ tischen Macht, sie als Störung des Privatgeschäfts nur belästige und verstimme.
Die bürgerlichen Honoratioren der Departementalstädte, die Magistrate, Handelsrichter u. s. w. empfingen mit kaum einer Ausnahme Bonaparte überall auf seinen Rundreisen in der servilsten Weise, selbst wenn er wie in Dijon die Nationalversammlung und speziell die Ordnungspartei rückhaltlos angriff.
Wenn der Handel gut ging, wie noch Anfang 1851, tobte die kommer¬ zielle Bourgeoisie gegen jeden parlamentarischen Kampf, damit dem Handel ja nicht der Humor ausgehe. Wenn der Handel schlecht ging, wie fort¬ dauernd seit Ende Februar 1851, klagte sie die parlamentarischen Kämpfe als Ursache der Stockung an und schrie nach ihrem Verstummen, damit der Han¬ del wieder laut werde. Die Revisionsdebatten fielen gerade in diese schlechte Zeit. Da es sich hier um Sein oder Nichtsein der bestehenden Staatsform handelte, fühlte sich die Bourgeoisie um so berechtigter, von ihren Repräsen¬ tanten das Ende dieses folternden Provisoriums und zugleich die Erhaltung des Statusquo zu verlangen. Es war dies kein Widerspruch. Unter dem Ende des Provisoriums verstand sie gerade seine Fortdauer, das Hinaus¬ schieben des Augenblicks, wo es zu einer Entscheidung kommen mußte, in eine blaue Ferne. Der Statusquo konnte nur auf zwei Wegen erhalten werden Verlängerung der Gewalt Bonaparte's oder verfassungsmäßiger Abtritt desselben und Wahl Cavaignac's. Ein Theil der Bourgeoisie wünschte die letztere Lösung und wußte seinen Repräsentanten keinen bessern Rath zu geben, als zu schweigen, den brennenden Punkt unberührt zu lassen. Wenn ihre Repräsentanten nicht sprächen, meinten sie, werde Bonaparte nicht handeln. Sie wünschten sich ein Straußenparlament, das seinen Kopf verstecke, um ungesehn zu bleiben. Ein andrer Theil der Bourgeoisie wünschte Bonaparte, weil er einmal auf dem Präsidentenstuhl saß, auf dem Präsidentenstuhl sitzen zu lassen, damit Alles im alten Geleise bleibe. Es empörte sie, daß ihr Parlament nicht offen die Konstitution brach und ohne Umstände abdankte.
Die Generalräthe der Departements, diese Provinzialvertretungen der
ments widerſtandslos in die eines abenteuernden Prätendenten übergehn zu laſſen, nicht einmal der Intriguen werth, die in ihrem Intereſſe verſchwendet wurden. Sie bewies, daß der Kampf um die Behauptung ihres öffent¬ lichen Intereſſes, ihres eignen Klaſſenintereſſes, ihrer poli¬ tiſchen Macht, ſie als Störung des Privatgeſchäfts nur beläſtige und verſtimme.
Die bürgerlichen Honoratioren der Departementalſtädte, die Magiſtrate, Handelsrichter u. ſ. w. empfingen mit kaum einer Ausnahme Bonaparte überall auf ſeinen Rundreiſen in der ſervilſten Weiſe, ſelbſt wenn er wie in Dijon die Nationalverſammlung und ſpeziell die Ordnungspartei rückhaltlos angriff.
Wenn der Handel gut ging, wie noch Anfang 1851, tobte die kommer¬ zielle Bourgeoiſie gegen jeden parlamentariſchen Kampf, damit dem Handel ja nicht der Humor ausgehe. Wenn der Handel ſchlecht ging, wie fort¬ dauernd ſeit Ende Februar 1851, klagte ſie die parlamentariſchen Kämpfe als Urſache der Stockung an und ſchrie nach ihrem Verſtummen, damit der Han¬ del wieder laut werde. Die Reviſionsdebatten fielen gerade in dieſe ſchlechte Zeit. Da es ſich hier um Sein oder Nichtſein der beſtehenden Staatsform handelte, fühlte ſich die Bourgeoiſie um ſo berechtigter, von ihren Repräſen¬ tanten das Ende dieſes folternden Proviſoriums und zugleich die Erhaltung des Statusquo zu verlangen. Es war dies kein Widerſpruch. Unter dem Ende des Proviſoriums verſtand ſie gerade ſeine Fortdauer, das Hinaus¬ ſchieben des Augenblicks, wo es zu einer Entſcheidung kommen mußte, in eine blaue Ferne. Der Statusquo konnte nur auf zwei Wegen erhalten werden Verlängerung der Gewalt Bonaparte's oder verfaſſungsmäßiger Abtritt deſſelben und Wahl Cavaignac's. Ein Theil der Bourgeoiſie wünſchte die letztere Löſung und wußte ſeinen Repräſentanten keinen beſſern Rath zu geben, als zu ſchweigen, den brennenden Punkt unberührt zu laſſen. Wenn ihre Repräſentanten nicht ſprächen, meinten ſie, werde Bonaparte nicht handeln. Sie wünſchten ſich ein Straußenparlament, das ſeinen Kopf verſtecke, um ungeſehn zu bleiben. Ein andrer Theil der Bourgeoiſie wünſchte Bonaparte, weil er einmal auf dem Präſidentenſtuhl ſaß, auf dem Präſidentenſtuhl ſitzen zu laſſen, damit Alles im alten Geleiſe bleibe. Es empörte ſie, daß ihr Parlament nicht offen die Konſtitution brach und ohne Umſtände abdankte.
Die Generalräthe der Departements, dieſe Provinzialvertretungen der
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[73/0085]
ments widerſtandslos in die eines abenteuernden Prätendenten übergehn zu
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wurden. Sie bewies, daß der Kampf um die Behauptung ihres öffent¬
lichen Intereſſes, ihres eignen Klaſſenintereſſes, ihrer poli¬
tiſchen Macht, ſie als Störung des Privatgeſchäfts nur beläſtige und
verſtimme.
Die bürgerlichen Honoratioren der Departementalſtädte, die Magiſtrate,
Handelsrichter u. ſ. w. empfingen mit kaum einer Ausnahme Bonaparte
überall auf ſeinen Rundreiſen in der ſervilſten Weiſe, ſelbſt wenn er wie in
Dijon die Nationalverſammlung und ſpeziell die Ordnungspartei rückhaltlos
angriff.
Wenn der Handel gut ging, wie noch Anfang 1851, tobte die kommer¬
zielle Bourgeoiſie gegen jeden parlamentariſchen Kampf, damit dem Handel
ja nicht der Humor ausgehe. Wenn der Handel ſchlecht ging, wie fort¬
dauernd ſeit Ende Februar 1851, klagte ſie die parlamentariſchen Kämpfe als
Urſache der Stockung an und ſchrie nach ihrem Verſtummen, damit der Han¬
del wieder laut werde. Die Reviſionsdebatten fielen gerade in dieſe ſchlechte
Zeit. Da es ſich hier um Sein oder Nichtſein der beſtehenden Staatsform
handelte, fühlte ſich die Bourgeoiſie um ſo berechtigter, von ihren Repräſen¬
tanten das Ende dieſes folternden Proviſoriums und zugleich die Erhaltung
des Statusquo zu verlangen. Es war dies kein Widerſpruch. Unter dem
Ende des Proviſoriums verſtand ſie gerade ſeine Fortdauer, das Hinaus¬
ſchieben des Augenblicks, wo es zu einer Entſcheidung kommen mußte, in eine
blaue Ferne. Der Statusquo konnte nur auf zwei Wegen erhalten werden
Verlängerung der Gewalt Bonaparte's oder verfaſſungsmäßiger Abtritt
deſſelben und Wahl Cavaignac's. Ein Theil der Bourgeoiſie wünſchte die
letztere Löſung und wußte ſeinen Repräſentanten keinen beſſern Rath zu geben,
als zu ſchweigen, den brennenden Punkt unberührt zu laſſen. Wenn ihre
Repräſentanten nicht ſprächen, meinten ſie, werde Bonaparte nicht handeln.
Sie wünſchten ſich ein Straußenparlament, das ſeinen Kopf verſtecke, um
ungeſehn zu bleiben. Ein andrer Theil der Bourgeoiſie wünſchte Bonaparte,
weil er einmal auf dem Präſidentenſtuhl ſaß, auf dem Präſidentenſtuhl
ſitzen zu laſſen, damit Alles im alten Geleiſe bleibe. Es empörte ſie, daß
ihr Parlament nicht offen die Konſtitution brach und ohne Umſtände
abdankte.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Diese zweite, von Marx überarbeitete Fassung des … [mehr]
Diese zweite, von Marx überarbeitete Fassung des "Brumaire" erschien 1869 in Hamburg. Sie ist die erste selbstständige Publikation des Textes, der zuerst als Heft 1 (1851) der Zeitschrift "Die Revolution. Eine Zeitschrift in zwanglosen Heften" erschien, und wurde daher gemäß den Leitlinien des DTA für die Digitalisierung zugrunde gelegt.
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Marx, Karl: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. 2. Aufl. Hamburg, 1869, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_bonaparte_1869/85>, abgerufen am 02.03.2025.
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