großen Bourgeoisie, die während der Ferien der Nationalversammlung vom 25. August an tagten, erklärten sich fast einstimmig für die Revision, also gegen das Parlament und für Bonaparte.
Noch unzweideutiger als den Zerfall mit ihren parlamentarischen Repräsentanten, legte die Bourgeoisie ihre Wuth über ihre literarischen Vertreter, über ihre eigne Presse, an den Tag. Die Verurtheilungen zu unerschwinglichen Geldsummen und zu schamlosen Gefängnißstrafen durch die Bourgeois-Jurys für jeden Angriff der Bourgeois-Journalisten auf die Usur¬ pationsgelüste Bonaparte's, für jeden Versuch der Presse, die politischen Rechte der Bourgeoisie gegen die Exekutivgewalt zu vertheidigen, setzten nicht nur Frankreich, sondern ganz Europa in Erstaunen.
Wenn die parlamentarische Ordungspartei, wie ich ge¬ zeigt habe, durch ihr Schreien nach Ruhe sich selbst zur Ruhe verwies, wenn sie die politische Herrschaft der Bourgeoisie für unverträglich mit der Sicherheit und dem Bestand der Bourgeoisie erklärte, indem sie im Kampfe gegen die andern Klassen der Gesellschaft alle Bedingungen ihres eignen Regimes, des parlamentarischen Regimes, mit eigner Hand vernichtete; so forderte dagegen die außerparlamentarische Masse der Bourgeoisie durch ihre Servilität gegen den Präsidenten, durch ihre Schmähungen gegen das Parlament, durch die brutale Mißhandlung der eignen Presse Bonaparte auf, ihren sprechenden und schreibenden Theil, ihre Politiker und ihre Literaten, ihre Rednertribüne und ihre Presse zu unterdrücken, zu vernichten, damit sie nun vertrauensvoll unter dem Schutze einer starken und uneingeschränkten Regierung ihren Privatgeschäften nachgehen könne. Sie erklärte unzwei¬ deutig, daß sie ihre eigne politische Herrschaft loszuwerden schmachte, um die Mühen und Gefahren der Herrschaft loszuwerden.
Und sie, die sich schon gegen den blos parlamentarischen und literarischen Kampf für die Herrschaft ihrer eignen Klasse empört und die Führer dieses Kampfes verrathen hatte, sie wagt jetzt nachträglich das Proletariat anzu¬ klagen, daß es nicht zum blutigen Kampfe, zum Kampfe auf Leben und Tod für sie aufgestanden sei! Sie, die jeden Augenblick ihr allgemeines Klassen¬ interesse, d. h. ihr politisches Interesse dem bornirtesten, schmutzigsten Privat¬ interesse aufopferte und an ihre Vertreter die Zumuthung eines ähnlichen Opfers stellte, sie jammert jetzt, das Proletariat habe seinen materiellen In¬ teressen ihre idealen politischen Interessen geopfert. Sie gebahrt sich als schöne Seele, die von dem durch Sozialisten irregeleiteten Proletariat ver¬
großen Bourgeoiſie, die während der Ferien der Nationalverſammlung vom 25. Auguſt an tagten, erklärten ſich faſt einſtimmig für die Reviſion, alſo gegen das Parlament und für Bonaparte.
Noch unzweideutiger als den Zerfall mit ihren parlamentariſchen Repräſentanten, legte die Bourgeoiſie ihre Wuth über ihre literariſchen Vertreter, über ihre eigne Preſſe, an den Tag. Die Verurtheilungen zu unerſchwinglichen Geldſummen und zu ſchamloſen Gefängnißſtrafen durch die Bourgeois-Jurys für jeden Angriff der Bourgeois-Journaliſten auf die Uſur¬ pationsgelüſte Bonaparte's, für jeden Verſuch der Preſſe, die politiſchen Rechte der Bourgeoiſie gegen die Exekutivgewalt zu vertheidigen, ſetzten nicht nur Frankreich, ſondern ganz Europa in Erſtaunen.
Wenn die parlamentariſche Ordungspartei, wie ich ge¬ zeigt habe, durch ihr Schreien nach Ruhe ſich ſelbſt zur Ruhe verwies, wenn ſie die politiſche Herrſchaft der Bourgeoiſie für unverträglich mit der Sicherheit und dem Beſtand der Bourgeoiſie erklärte, indem ſie im Kampfe gegen die andern Klaſſen der Geſellſchaft alle Bedingungen ihres eignen Regimes, des parlamentariſchen Regimes, mit eigner Hand vernichtete; ſo forderte dagegen die außerparlamentariſche Maſſe der Bourgeoiſie durch ihre Servilität gegen den Präſidenten, durch ihre Schmähungen gegen das Parlament, durch die brutale Mißhandlung der eignen Preſſe Bonaparte auf, ihren ſprechenden und ſchreibenden Theil, ihre Politiker und ihre Literaten, ihre Rednertribüne und ihre Preſſe zu unterdrücken, zu vernichten, damit ſie nun vertrauensvoll unter dem Schutze einer ſtarken und uneingeſchränkten Regierung ihren Privatgeſchäften nachgehen könne. Sie erklärte unzwei¬ deutig, daß ſie ihre eigne politiſche Herrſchaft loszuwerden ſchmachte, um die Mühen und Gefahren der Herrſchaft loszuwerden.
Und ſie, die ſich ſchon gegen den blos parlamentariſchen und literariſchen Kampf für die Herrſchaft ihrer eignen Klaſſe empört und die Führer dieſes Kampfes verrathen hatte, ſie wagt jetzt nachträglich das Proletariat anzu¬ klagen, daß es nicht zum blutigen Kampfe, zum Kampfe auf Leben und Tod für ſie aufgeſtanden ſei! Sie, die jeden Augenblick ihr allgemeines Klaſſen¬ intereſſe, d. h. ihr politiſches Intereſſe dem bornirteſten, ſchmutzigſten Privat¬ intereſſe aufopferte und an ihre Vertreter die Zumuthung eines ähnlichen Opfers ſtellte, ſie jammert jetzt, das Proletariat habe ſeinen materiellen In¬ tereſſen ihre idealen politiſchen Intereſſen geopfert. Sie gebahrt ſich als ſchöne Seele, die von dem durch Sozialiſten irregeleiteten Proletariat ver¬
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großen Bourgeoiſie, die während der Ferien der Nationalverſammlung vom
25. Auguſt an tagten, erklärten ſich faſt einſtimmig für die Reviſion, alſo
gegen das Parlament und für Bonaparte.
Noch unzweideutiger als den Zerfall mit ihren parlamentariſchen
Repräſentanten, legte die Bourgeoiſie ihre Wuth über ihre literariſchen
Vertreter, über ihre eigne Preſſe, an den Tag. Die Verurtheilungen zu
unerſchwinglichen Geldſummen und zu ſchamloſen Gefängnißſtrafen durch die
Bourgeois-Jurys für jeden Angriff der Bourgeois-Journaliſten auf die Uſur¬
pationsgelüſte Bonaparte's, für jeden Verſuch der Preſſe, die politiſchen
Rechte der Bourgeoiſie gegen die Exekutivgewalt zu vertheidigen, ſetzten nicht
nur Frankreich, ſondern ganz Europa in Erſtaunen.
Wenn die parlamentariſche Ordungspartei, wie ich ge¬
zeigt habe, durch ihr Schreien nach Ruhe ſich ſelbſt zur Ruhe verwies, wenn
ſie die politiſche Herrſchaft der Bourgeoiſie für unverträglich mit der Sicherheit
und dem Beſtand der Bourgeoiſie erklärte, indem ſie im Kampfe gegen die
andern Klaſſen der Geſellſchaft alle Bedingungen ihres eignen Regimes, des
parlamentariſchen Regimes, mit eigner Hand vernichtete; ſo forderte dagegen
die außerparlamentariſche Maſſe der Bourgeoiſie durch
ihre Servilität gegen den Präſidenten, durch ihre Schmähungen gegen das
Parlament, durch die brutale Mißhandlung der eignen Preſſe Bonaparte auf,
ihren ſprechenden und ſchreibenden Theil, ihre Politiker und ihre Literaten,
ihre Rednertribüne und ihre Preſſe zu unterdrücken, zu vernichten, damit ſie
nun vertrauensvoll unter dem Schutze einer ſtarken und uneingeſchränkten
Regierung ihren Privatgeſchäften nachgehen könne. Sie erklärte unzwei¬
deutig, daß ſie ihre eigne politiſche Herrſchaft loszuwerden ſchmachte, um die
Mühen und Gefahren der Herrſchaft loszuwerden.
Und ſie, die ſich ſchon gegen den blos parlamentariſchen und literariſchen
Kampf für die Herrſchaft ihrer eignen Klaſſe empört und die Führer dieſes
Kampfes verrathen hatte, ſie wagt jetzt nachträglich das Proletariat anzu¬
klagen, daß es nicht zum blutigen Kampfe, zum Kampfe auf Leben und Tod
für ſie aufgeſtanden ſei! Sie, die jeden Augenblick ihr allgemeines Klaſſen¬
intereſſe, d. h. ihr politiſches Intereſſe dem bornirteſten, ſchmutzigſten Privat¬
intereſſe aufopferte und an ihre Vertreter die Zumuthung eines ähnlichen
Opfers ſtellte, ſie jammert jetzt, das Proletariat habe ſeinen materiellen In¬
tereſſen ihre idealen politiſchen Intereſſen geopfert. Sie gebahrt ſich als
ſchöne Seele, die von dem durch Sozialiſten irregeleiteten Proletariat ver¬
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Diese zweite, von Marx überarbeitete Fassung des … [mehr]
Diese zweite, von Marx überarbeitete Fassung des "Brumaire" erschien 1869 in Hamburg. Sie ist die erste selbstständige Publikation des Textes, der zuerst als Heft 1 (1851) der Zeitschrift "Die Revolution. Eine Zeitschrift in zwanglosen Heften" erschien, und wurde daher gemäß den Leitlinien des DTA für die Digitalisierung zugrunde gelegt.
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Marx, Karl: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. 2. Aufl. Hamburg, 1869, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_bonaparte_1869/86>, abgerufen am 02.03.2025.
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