brachen in England kommerzielle Bankerutte aus. Während der industrielle Panic im April und Mai einen Höhepunkt in Frankreich erreichte, erreichte der kommerzielle Panic April und Mai einen Höhepunkt in England. Wie die französische litt die englische Wollindustrie, wie die französische die eng¬ lische Seidenmanufaktur. Wenn die englischen Baumwollfabriken weiter arbeiteten, geschah es nicht mehr mit demselben Profit, wie 1849 und 1850. Der Unterschied war nur der, daß die Krise in Frankreich industriell, in England kommerziell, daß während in Frankreich die Fabriken stillsetzten, sie sich in England ausdehnten, aber unter ungünstigeren Bedingungen als in den vorhergehenden Jahren, daß in Frankreich der Export, in England der Import die Hauptschläge erhielt. Die gemeinsame Ursache, die natürlich nicht innerhalb der Grenzen des französisch-politischen Horizonts zu suchen ist, war augenscheinlich. 1849 und 1850 waren Jahre der größten materiellen Prosperität und einer Ueberproduktion, die erst 1851 als solche hervortrat. Sie wurde im Anfang dieses Jahres durch die Aussicht auf die Industrie¬ ausstellung noch besonders befördert. Als eigenthümliche Umstände kamen hinzu: erst der Mißwachs der Baumwollenernte von 1850 und 1851, dann die Sicherheit einer größern Baumwollenernte als erwartet war, erst das Steigen, dann das plötzliche Fallen, kurz die Schwankungen der Baum¬ wollenpreise. Die Rohseidenernte war wenigstens in Frankreich noch unter dem Durchschnittsertrag ausgefallen. Die Wollenmanufaktur endlich hatte sich seit 1848 so sehr ausgedehnt, daß die Wollproduktion ihr nicht nach¬ folgen konnte und der Preis der Rohwolle in einem großen Mißverhältnisse zu dem Preise der Wollfabrikate stieg. Hier haben wir also in dem Roh¬ material von drei Weltmarktsindustrien schon dreifaches Material zu einer Handelsstockung. Von diesen besondern Umständen abgesehn war die schein¬ bare Krise des Jahres 1851 nichts Anders als der Halt, den Ueberproduk¬ tion und Ueberspekulation jedes Mal in der Beschreibung des industriellen Kreislaufes macht, bevor sie alle ihre Kraftmittel zusammenrafft, um fieberhaft den letzten Kreisabschnitt zu durchjagen und bei ihrem Aus¬ gangspunkt, der allgemeinen Handelskrise, wieder anzulangen. In solchen Intervallen der Handelsgeschichte brechen in England kommerzielle Bankerutte aus, während in Frankreich die Industrie selbst stillgesetzt wird, theils durch die gerade dann unerträglich werdende Konkurrenz der Engländer auf allen Märkten zum Rückzug gezwungen, theils als Luxusindustrie vorzugsweise von jeder Geschäftsstockung angegriffen. So macht Frankreich
brachen in England kommerzielle Bankerutte aus. Während der induſtrielle Panic im April und Mai einen Höhepunkt in Frankreich erreichte, erreichte der kommerzielle Panic April und Mai einen Höhepunkt in England. Wie die franzöſiſche litt die engliſche Wollinduſtrie, wie die franzöſiſche die eng¬ liſche Seidenmanufaktur. Wenn die engliſchen Baumwollfabriken weiter arbeiteten, geſchah es nicht mehr mit demſelben Profit, wie 1849 und 1850. Der Unterſchied war nur der, daß die Kriſe in Frankreich induſtriell, in England kommerziell, daß während in Frankreich die Fabriken ſtillſetzten, ſie ſich in England ausdehnten, aber unter ungünſtigeren Bedingungen als in den vorhergehenden Jahren, daß in Frankreich der Export, in England der Import die Hauptſchläge erhielt. Die gemeinſame Urſache, die natürlich nicht innerhalb der Grenzen des franzöſiſch-politiſchen Horizonts zu ſuchen iſt, war augenſcheinlich. 1849 und 1850 waren Jahre der größten materiellen Prosperität und einer Ueberproduktion, die erſt 1851 als ſolche hervortrat. Sie wurde im Anfang dieſes Jahres durch die Ausſicht auf die Induſtrie¬ ausſtellung noch beſonders befördert. Als eigenthümliche Umſtände kamen hinzu: erſt der Mißwachs der Baumwollenernte von 1850 und 1851, dann die Sicherheit einer größern Baumwollenernte als erwartet war, erſt das Steigen, dann das plötzliche Fallen, kurz die Schwankungen der Baum¬ wollenpreiſe. Die Rohſeidenernte war wenigſtens in Frankreich noch unter dem Durchſchnittsertrag ausgefallen. Die Wollenmanufaktur endlich hatte ſich ſeit 1848 ſo ſehr ausgedehnt, daß die Wollproduktion ihr nicht nach¬ folgen konnte und der Preis der Rohwolle in einem großen Mißverhältniſſe zu dem Preiſe der Wollfabrikate ſtieg. Hier haben wir alſo in dem Roh¬ material von drei Weltmarktsinduſtrien ſchon dreifaches Material zu einer Handelsſtockung. Von dieſen beſondern Umſtänden abgeſehn war die ſchein¬ bare Kriſe des Jahres 1851 nichts Anders als der Halt, den Ueberproduk¬ tion und Ueberſpekulation jedes Mal in der Beſchreibung des induſtriellen Kreislaufes macht, bevor ſie alle ihre Kraftmittel zuſammenrafft, um fieberhaft den letzten Kreisabſchnitt zu durchjagen und bei ihrem Aus¬ gangspunkt, der allgemeinen Handelskriſe, wieder anzulangen. In ſolchen Intervallen der Handelsgeſchichte brechen in England kommerzielle Bankerutte aus, während in Frankreich die Induſtrie ſelbſt ſtillgeſetzt wird, theils durch die gerade dann unerträglich werdende Konkurrenz der Engländer auf allen Märkten zum Rückzug gezwungen, theils als Luxusinduſtrie vorzugsweiſe von jeder Geſchäftsſtockung angegriffen. So macht Frankreich
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brachen in England kommerzielle Bankerutte aus. Während der induſtrielle
Panic im April und Mai einen Höhepunkt in Frankreich erreichte, erreichte
der kommerzielle Panic April und Mai einen Höhepunkt in England. Wie
die franzöſiſche litt die engliſche Wollinduſtrie, wie die franzöſiſche die eng¬
liſche Seidenmanufaktur. Wenn die engliſchen Baumwollfabriken weiter
arbeiteten, geſchah es nicht mehr mit demſelben Profit, wie 1849 und 1850.
Der Unterſchied war nur der, daß die Kriſe in Frankreich induſtriell, in
England kommerziell, daß während in Frankreich die Fabriken ſtillſetzten, ſie
ſich in England ausdehnten, aber unter ungünſtigeren Bedingungen als in
den vorhergehenden Jahren, daß in Frankreich der Export, in England der
Import die Hauptſchläge erhielt. Die gemeinſame Urſache, die natürlich
nicht innerhalb der Grenzen des franzöſiſch-politiſchen Horizonts zu ſuchen iſt,
war augenſcheinlich. 1849 und 1850 waren Jahre der größten materiellen
Prosperität und einer Ueberproduktion, die erſt 1851 als ſolche hervortrat.
Sie wurde im Anfang dieſes Jahres durch die Ausſicht auf die Induſtrie¬
ausſtellung noch beſonders befördert. Als eigenthümliche Umſtände kamen
hinzu: erſt der Mißwachs der Baumwollenernte von 1850 und 1851,
dann die Sicherheit einer größern Baumwollenernte als erwartet war, erſt
das Steigen, dann das plötzliche Fallen, kurz die Schwankungen der Baum¬
wollenpreiſe. Die Rohſeidenernte war wenigſtens in Frankreich noch unter
dem Durchſchnittsertrag ausgefallen. Die Wollenmanufaktur endlich hatte
ſich ſeit 1848 ſo ſehr ausgedehnt, daß die Wollproduktion ihr nicht nach¬
folgen konnte und der Preis der Rohwolle in einem großen Mißverhältniſſe
zu dem Preiſe der Wollfabrikate ſtieg. Hier haben wir alſo in dem Roh¬
material von drei Weltmarktsinduſtrien ſchon dreifaches Material zu einer
Handelsſtockung. Von dieſen beſondern Umſtänden abgeſehn war die ſchein¬
bare Kriſe des Jahres 1851 nichts Anders als der Halt, den Ueberproduk¬
tion und Ueberſpekulation jedes Mal in der Beſchreibung des induſtriellen
Kreislaufes macht, bevor ſie alle ihre Kraftmittel zuſammenrafft, um
fieberhaft den letzten Kreisabſchnitt zu durchjagen und bei ihrem Aus¬
gangspunkt, der allgemeinen Handelskriſe, wieder anzulangen.
In ſolchen Intervallen der Handelsgeſchichte brechen in England kommerzielle
Bankerutte aus, während in Frankreich die Induſtrie ſelbſt ſtillgeſetzt wird,
theils durch die gerade dann unerträglich werdende Konkurrenz der Engländer
auf allen Märkten zum Rückzug gezwungen, theils als Luxusinduſtrie
vorzugsweiſe von jeder Geſchäftsſtockung angegriffen. So macht Frankreich
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Diese zweite, von Marx überarbeitete Fassung des … [mehr]
Diese zweite, von Marx überarbeitete Fassung des "Brumaire" erschien 1869 in Hamburg. Sie ist die erste selbstständige Publikation des Textes, der zuerst als Heft 1 (1851) der Zeitschrift "Die Revolution. Eine Zeitschrift in zwanglosen Heften" erschien, und wurde daher gemäß den Leitlinien des DTA für die Digitalisierung zugrunde gelegt.
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Marx, Karl: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. 2. Aufl. Hamburg, 1869, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_bonaparte_1869/88>, abgerufen am 02.03.2025.
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