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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.

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werbe. Es ward bereits angedeutet, dass wo das Machwerk ein bloss
mechanisch zusammengesetztes Ganze von Theilprodukten, die Theilarbei-
ten sich selbst wieder zu eignen Handwerken verselbstständigen können.
Um die Theilung der Arbeit vollkommner innerhalb einer Manufaktur aus-
zuführen, wird derselbe Produktionszweig, je nach der Verschiedenheit
seiner Rohstoffe oder den verschiednen Formen, die derselbe Rohstoff er-
halten kann, in verschiedne zum Theil ganz neue Manufakturen gespaltet.
So wurden bereits in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Frankreich
allein über 100 verschiedenartige Seidenzeuge gewebt, und in Avignon
z. B. war es Gesetz, dass "jeder Lehrling sich immer nur einer Fabrika-
tionsart widmen und nicht die Verfertigung mehrerer Zeugarten zugleich
lernen durfte." Die territoriale Theilung der Arbeit, welche
besondre Produktionszweige an besondre Distrikte eines Landes bannt,
erhält neuen Anstoss durch den manufakturmässigen Betrieb, der alle Be-
sonderheiten ausbeutet55). Reiches Material zur Theilung der Arbeit
innerhalb der Gesellschaft liefert der Manufakturperiode die Erweiterung
des Weltmarkts und das Kolonialsystem, die zum Umkreis ihrer allgemei-
nen Existenzbedingungen gehören. Es ist hier nicht der Ort weiter nach-
zuweisen, wie sie neben der ökonomischen jede andre Sphäre der Gesell-
schaft inficirt und überall die Grundlage zu jener Ausbildung des Fach-
wesens, der Specialitäten, und zu einer Parcellirung des Menschen legt, die
schon A. Ferguson, den Lehrer A. Smiths, in den Ausruf ausbrechen
liess: "Wir sind ganze Nationen von Heloten, und es giebt keine Freien
unter uns"56).

Trotz der zahlreichen Analogien jedoch und der Zusammenhänge
zwischen der Theilung der Arbeit im Innern der Gesellschaft und der
Theilung innerhalb einer Werkstatt, sind beide nicht nur graduell, son-
dern wesentlich unterschieden. Am schlagendsten scheint die Ana-
logie unstreitig, wo ein inneres Band verschiedne Geschäftszweige ver-

55) "Whether the Woollen Manufacture of England is not divided into
several parts or branches appropriated to particular places, where they are only or
principally manufactured; fine clothes in Somersetshire, coarse in Yorkshire, long
ells at Exeter, soies at Sandbury, crapes at Norwich, linseys at Kendal, blankets
at Whitney, and so forth!" (Berkeley: "The Querist" 1750, p. 520.)
56) A. Ferguson: "History of Civil Society", Part IV, ch. II.

werbe. Es ward bereits angedeutet, dass wo das Machwerk ein bloss
mechanisch zusammengesetztes Ganze von Theilprodukten, die Theilarbei-
ten sich selbst wieder zu eignen Handwerken verselbstständigen können.
Um die Theilung der Arbeit vollkommner innerhalb einer Manufaktur aus-
zuführen, wird derselbe Produktionszweig, je nach der Verschiedenheit
seiner Rohstoffe oder den verschiednen Formen, die derselbe Rohstoff er-
halten kann, in verschiedne zum Theil ganz neue Manufakturen gespaltet.
So wurden bereits in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Frankreich
allein über 100 verschiedenartige Seidenzeuge gewebt, und in Avignon
z. B. war es Gesetz, dass „jeder Lehrling sich immer nur einer Fabrika-
tionsart widmen und nicht die Verfertigung mehrerer Zeugarten zugleich
lernen durfte.“ Die territoriale Theilung der Arbeit, welche
besondre Produktionszweige an besondre Distrikte eines Landes bannt,
erhält neuen Anstoss durch den manufakturmässigen Betrieb, der alle Be-
sonderheiten ausbeutet55). Reiches Material zur Theilung der Arbeit
innerhalb der Gesellschaft liefert der Manufakturperiode die Erweiterung
des Weltmarkts und das Kolonialsystem, die zum Umkreis ihrer allgemei-
nen Existenzbedingungen gehören. Es ist hier nicht der Ort weiter nach-
zuweisen, wie sie neben der ökonomischen jede andre Sphäre der Gesell-
schaft inficirt und überall die Grundlage zu jener Ausbildung des Fach-
wesens, der Specialitäten, und zu einer Parcellirung des Menschen legt, die
schon A. Ferguson, den Lehrer A. Smiths, in den Ausruf ausbrechen
liess: „Wir sind ganze Nationen von Heloten, und es giebt keine Freien
unter uns“56).

Trotz der zahlreichen Analogien jedoch und der Zusammenhänge
zwischen der Theilung der Arbeit im Innern der Gesellschaft und der
Theilung innerhalb einer Werkstatt, sind beide nicht nur graduell, son-
dern wesentlich unterschieden. Am schlagendsten scheint die Ana-
logie unstreitig, wo ein inneres Band verschiedne Geschäftszweige ver-

55) „Whether the Woollen Manufacture of England is not divided into
several parts or branches appropriated to particular places, where they are only or
principally manufactured; fine clothes in Somersetshire, coarse in Yorkshire, long
ells at Exeter, soies at Sandbury, crapes at Norwich, linseys at Kendal, blankets
at Whitney, and so forth!“ (Berkeley: „The Querist“ 1750, p. 520.)
56) A. Ferguson: „History of Civil Society“, Part IV, ch. II.
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[338/0357] werbe. Es ward bereits angedeutet, dass wo das Machwerk ein bloss mechanisch zusammengesetztes Ganze von Theilprodukten, die Theilarbei- ten sich selbst wieder zu eignen Handwerken verselbstständigen können. Um die Theilung der Arbeit vollkommner innerhalb einer Manufaktur aus- zuführen, wird derselbe Produktionszweig, je nach der Verschiedenheit seiner Rohstoffe oder den verschiednen Formen, die derselbe Rohstoff er- halten kann, in verschiedne zum Theil ganz neue Manufakturen gespaltet. So wurden bereits in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Frankreich allein über 100 verschiedenartige Seidenzeuge gewebt, und in Avignon z. B. war es Gesetz, dass „jeder Lehrling sich immer nur einer Fabrika- tionsart widmen und nicht die Verfertigung mehrerer Zeugarten zugleich lernen durfte.“ Die territoriale Theilung der Arbeit, welche besondre Produktionszweige an besondre Distrikte eines Landes bannt, erhält neuen Anstoss durch den manufakturmässigen Betrieb, der alle Be- sonderheiten ausbeutet 55). Reiches Material zur Theilung der Arbeit innerhalb der Gesellschaft liefert der Manufakturperiode die Erweiterung des Weltmarkts und das Kolonialsystem, die zum Umkreis ihrer allgemei- nen Existenzbedingungen gehören. Es ist hier nicht der Ort weiter nach- zuweisen, wie sie neben der ökonomischen jede andre Sphäre der Gesell- schaft inficirt und überall die Grundlage zu jener Ausbildung des Fach- wesens, der Specialitäten, und zu einer Parcellirung des Menschen legt, die schon A. Ferguson, den Lehrer A. Smiths, in den Ausruf ausbrechen liess: „Wir sind ganze Nationen von Heloten, und es giebt keine Freien unter uns“ 56). Trotz der zahlreichen Analogien jedoch und der Zusammenhänge zwischen der Theilung der Arbeit im Innern der Gesellschaft und der Theilung innerhalb einer Werkstatt, sind beide nicht nur graduell, son- dern wesentlich unterschieden. Am schlagendsten scheint die Ana- logie unstreitig, wo ein inneres Band verschiedne Geschäftszweige ver- 55) „Whether the Woollen Manufacture of England is not divided into several parts or branches appropriated to particular places, where they are only or principally manufactured; fine clothes in Somersetshire, coarse in Yorkshire, long ells at Exeter, soies at Sandbury, crapes at Norwich, linseys at Kendal, blankets at Whitney, and so forth!“ (Berkeley: „The Querist“ 1750, p. 520.) 56) A. Ferguson: „History of Civil Society“, Part IV, ch. II.

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/357>, abgerufen am 17.06.2024.