selbst arbeiteten, mehr und mehr zusammenschmolz. Mit dem freigesetzten Theil des Landvolks werden also auch seine früheren Nahrungsmit- tel freigesetzt. Sie verwandeln sich jetzt in stoffliches Element des variablen Kapitals. Der an die Luft gesetzte Bauer muss ihren Werth von seinem neuen Herrn, dem industriellen Kapitalisten, in der Form des Arbeitslohns erkaufen. Wie mit den Lebensmitteln, verhielt es sich mit dem heimischen agrikolen Rohmaterial der Industrie. Es ver- wandelte sich in ein Element des constanten Kapitals. Man unter- stelle z. B. einen Theil der westphälischen Bauern, die zu Friedrich's II. Zeit alle Flachs, wenn auch keine Seide spannen, gewaltsam expropriirt und von Grund und Boden verjagt, den andern zurückbleibenden Theil aber in Taglöhner grosser Pächter verwandelt. Gleichzeitig erheben sich grosse Flachsspinnereien und Webereien, worin die "Freigesetzten" nun lohnarbeiten. Der Flachs sieht grad aus wie vorher. Keine Fiber an ihm ist verändert, aber eine neue sociale Seele ist ihm in den Leib ge- fahren. Er bildet jetzt einen Theil des constanten Kapitals der Manufakturherrn. Früher vertheilt unter eine Unmasse kleiner Producen- ten, die ihn selbst bauten und in kleinen Portionen mit ihren Familien ver- spannen, ist er jetzt koncentrirt in der Hand eines Kapitalisten, der andre für sich spinnen und weben lässt. Die in der Flachsspinnerei verausgabte Extra- arbeit realisirte sich früher in Extraeinkommen zahlloser Bauernfamilien oder auch, zu Friedrich's II. Zeit, in Steuern pour le roi de Prusse. Sie realisirt sich jetzt im Profit weniger Kapitalisten. Die Spindeln und Webstühle, früher vertheilt über das flache Land, sind jetzt in wenigen grossen Arbeitskasernen zusammengerückt, wie die Arbeiter, wie das Roh- material. Und Spindeln und Webstühle und Rohmaterial sind aus Mitteln unabhängiger Existenz für Spinner und Weber selbst verwandelt in Mit- tel sie zu kommandiren232) und ihnen unbezahlte Arbeit auszusaugen. Den grossen Manufakturen sieht man es nicht an, wie den grossen Pach- ten, dass sie aus vielen kleinen Produktionsstätten zusammenge- schlagen und durch die Expropriation vieler kleiner unabhängiger
232) "Je permettrai", sagt der Kapitalist, "que vous ayez l'honneur de me servir, a condition que vous me donnez le peu qui vous reste pour la peine que je prends de vous commander." (J. J. Rousseau: "Discours sur l'Eco- nomie Politique.")
selbst arbeiteten, mehr und mehr zusammenschmolz. Mit dem freigesetzten Theil des Landvolks werden also auch seine früheren Nahrungsmit- tel freigesetzt. Sie verwandeln sich jetzt in stoffliches Element des variablen Kapitals. Der an die Luft gesetzte Bauer muss ihren Werth von seinem neuen Herrn, dem industriellen Kapitalisten, in der Form des Arbeitslohns erkaufen. Wie mit den Lebensmitteln, verhielt es sich mit dem heimischen agrikolen Rohmaterial der Industrie. Es ver- wandelte sich in ein Element des constanten Kapitals. Man unter- stelle z. B. einen Theil der westphälischen Bauern, die zu Friedrich’s II. Zeit alle Flachs, wenn auch keine Seide spannen, gewaltsam expropriirt und von Grund und Boden verjagt, den andern zurückbleibenden Theil aber in Taglöhner grosser Pächter verwandelt. Gleichzeitig erheben sich grosse Flachsspinnereien und Webereien, worin die „Freigesetzten“ nun lohnarbeiten. Der Flachs sieht grad aus wie vorher. Keine Fiber an ihm ist verändert, aber eine neue sociale Seele ist ihm in den Leib ge- fahren. Er bildet jetzt einen Theil des constanten Kapitals der Manufakturherrn. Früher vertheilt unter eine Unmasse kleiner Producen- ten, die ihn selbst bauten und in kleinen Portionen mit ihren Familien ver- spannen, ist er jetzt koncentrirt in der Hand eines Kapitalisten, der andre für sich spinnen und weben lässt. Die in der Flachsspinnerei verausgabte Extra- arbeit realisirte sich früher in Extraeinkommen zahlloser Bauernfamilien oder auch, zu Friedrich’s II. Zeit, in Steuern pour le roi de Prusse. Sie realisirt sich jetzt im Profit weniger Kapitalisten. Die Spindeln und Webstühle, früher vertheilt über das flache Land, sind jetzt in wenigen grossen Arbeitskasernen zusammengerückt, wie die Arbeiter, wie das Roh- material. Und Spindeln und Webstühle und Rohmaterial sind aus Mitteln unabhängiger Existenz für Spinner und Weber selbst verwandelt in Mit- tel sie zu kommandiren232) und ihnen unbezahlte Arbeit auszusaugen. Den grossen Manufakturen sieht man es nicht an, wie den grossen Pach- ten, dass sie aus vielen kleinen Produktionsstätten zusammenge- schlagen und durch die Expropriation vieler kleiner unabhängiger
232) „Je permettrai“, sagt der Kapitalist, „que vous ayez l’honneur de me servir, à condition que vous me donnez le peu qui vous reste pour la peine que je prends de vous commander.“ (J. J. Rousseau: „Discours sur l’Éco- nomie Politique.“)
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selbst arbeiteten, mehr und mehr zusammenschmolz. Mit dem freigesetzten
Theil des Landvolks werden also auch seine früheren Nahrungsmit-
tel freigesetzt. Sie verwandeln sich jetzt in stoffliches Element des
variablen Kapitals. Der an die Luft gesetzte Bauer muss ihren Werth
von seinem neuen Herrn, dem industriellen Kapitalisten, in der Form des
Arbeitslohns erkaufen. Wie mit den Lebensmitteln, verhielt es sich mit
dem heimischen agrikolen Rohmaterial der Industrie. Es ver-
wandelte sich in ein Element des constanten Kapitals. Man unter-
stelle z. B. einen Theil der westphälischen Bauern, die zu Friedrich’s II.
Zeit alle Flachs, wenn auch keine Seide spannen, gewaltsam expropriirt und
von Grund und Boden verjagt, den andern zurückbleibenden Theil aber
in Taglöhner grosser Pächter verwandelt. Gleichzeitig erheben sich
grosse Flachsspinnereien und Webereien, worin die „Freigesetzten“ nun
lohnarbeiten. Der Flachs sieht grad aus wie vorher. Keine Fiber an
ihm ist verändert, aber eine neue sociale Seele ist ihm in den Leib ge-
fahren. Er bildet jetzt einen Theil des constanten Kapitals der
Manufakturherrn. Früher vertheilt unter eine Unmasse kleiner Producen-
ten, die ihn selbst bauten und in kleinen Portionen mit ihren Familien ver-
spannen, ist er jetzt koncentrirt in der Hand eines Kapitalisten, der andre für
sich spinnen und weben lässt. Die in der Flachsspinnerei verausgabte Extra-
arbeit realisirte sich früher in Extraeinkommen zahlloser Bauernfamilien
oder auch, zu Friedrich’s II. Zeit, in Steuern pour le roi de Prusse. Sie
realisirt sich jetzt im Profit weniger Kapitalisten. Die Spindeln und
Webstühle, früher vertheilt über das flache Land, sind jetzt in wenigen
grossen Arbeitskasernen zusammengerückt, wie die Arbeiter, wie das Roh-
material. Und Spindeln und Webstühle und Rohmaterial sind aus Mitteln
unabhängiger Existenz für Spinner und Weber selbst verwandelt in Mit-
tel sie zu kommandiren 232) und ihnen unbezahlte Arbeit auszusaugen.
Den grossen Manufakturen sieht man es nicht an, wie den grossen Pach-
ten, dass sie aus vielen kleinen Produktionsstätten zusammenge-
schlagen und durch die Expropriation vieler kleiner unabhängiger
232) „Je permettrai“, sagt der Kapitalist, „que vous ayez l’honneur de me
servir, à condition que vous me donnez le peu qui vous reste pour la peine que je
prends de vous commander.“ (J. J. Rousseau: „Discours sur l’Éco-
nomie Politique.“)
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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 729. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/748>, abgerufen am 22.11.2024.
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