Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite

tion fremder Arbeit beruhenden Privateigenthums? Ein
"barbarisirendes System der Zerstreuung der Producenten und des
Nationalvermögens"269). Die Zerstreuung der Produktionsmittel unter unzäh-
lige, sie eignende und mit ihnen selbst arbeitende Producenten vernichtet mit
der kapitalistischen Koncentration die kapitalistische Grund-
lage aller kombinirten Arbeit
. Alle langathmigen Kapitalunter-
nehmungen, die sich über Jahre ausdehnen und Anlage von viel fixem
Kapital erheischen, werden problematisch. In Europa zögert das Kapital
keinen Augenblick, denn die Arbeiterklasse bildet seinen stets überfliessenden,
disponiblen, lebendigen Zubehör. Aber in den Kolonialländern! Wake-
field erzählt eine äusserst schmerzensreiche Anekdote. Er unterhielt sich
mit einigen Kapitalisten von Kanada und dem Staat New-York, wo zudem
die Einwanderungswogen oft stagniren und einen Bodensatz "überzäh-
liger" Arbeiter niederschlagen. "Unser Kapital," seufzt eine der Per-
sonen des Melodramas, "unser Kapital lag bereit für viele Operationen,
die eine beträchtliche Zeitperiode zu ihrer Vollendung brauchen; aber
konnten wir solche Operationen beginnen mit einer Arbeit, welche, wir
wussten es, uns bald den Rücken wenden würde? Wären wir sicher ge-
wesen die Arbeit solcher Einwandrer festhalten zu können, wir hätten
sie mit Freude sofort engagirt und zu hohem Preis. Trotz der Sicherheit
ihres Verlustes würden wir sie dennoch engagirt haben, wären wir einer
frischen Zufuhr je nach unsrem Bedürfniss sicher gewesen
"270).

Nachdem Wakefield die englische kapitalistische Agrikultur und ihre
"kombinirte" Arbeit prunkvoll kontrastirt hat mit der zerstrenten ameri-
kanischen Bauernwirthschaft, entschlüpft ihm auch die Kehrseite der
Medaille. Er schildert die amerikanische Volksmasse als wohlhabend, unab-
hängig, unternehmend, und relativ gebildet, während "der englische Agrikul-
turarbeiter ein elender Lump (a miserable wretch) ist, ein Pauper ... In
welchem Land ausser Nordamerika und einigen neuen Kolonien über-
steigen die Löhne der auf dem Land angewandten freien Arbeit nennens-
werth die unentbehrlichsten Subsistenzmittel des Arbeiters? ... Zweifels-
ohne, Ackerpferde in England, da sie ein werthvolles Eigenthum sind,
werden viel besser genährt als der englische Landbebauer"271). Aber,

269) Wakefield l. c. v. II, p. 52.
270) l. c. p. 191, 192.
271) l. . v. I, p. 47, 246, 247.
I. 48

tion fremder Arbeit beruhenden Privateigenthums? Ein
barbarisirendes System der Zerstreuung der Producenten und des
Nationalvermögens“269). Die Zerstreuung der Produktionsmittel unter unzäh-
lige, sie eignende und mit ihnen selbst arbeitende Producenten vernichtet mit
der kapitalistischen Koncentration die kapitalistische Grund-
lage aller kombinirten Arbeit
. Alle langathmigen Kapitalunter-
nehmungen, die sich über Jahre ausdehnen und Anlage von viel fixem
Kapital erheischen, werden problematisch. In Europa zögert das Kapital
keinen Augenblick, denn die Arbeiterklasse bildet seinen stets überfliessenden,
disponiblen, lebendigen Zubehör. Aber in den Kolonialländern! Wake-
field erzählt eine äusserst schmerzensreiche Anekdote. Er unterhielt sich
mit einigen Kapitalisten von Kanada und dem Staat New-York, wo zudem
die Einwanderungswogen oft stagniren und einen Bodensatz „überzäh-
liger“ Arbeiter niederschlagen. „Unser Kapital,“ seufzt eine der Per-
sonen des Melodramas, „unser Kapital lag bereit für viele Operationen,
die eine beträchtliche Zeitperiode zu ihrer Vollendung brauchen; aber
konnten wir solche Operationen beginnen mit einer Arbeit, welche, wir
wussten es, uns bald den Rücken wenden würde? Wären wir sicher ge-
wesen die Arbeit solcher Einwandrer festhalten zu können, wir hätten
sie mit Freude sofort engagirt und zu hohem Preis. Trotz der Sicherheit
ihres Verlustes würden wir sie dennoch engagirt haben, wären wir einer
frischen Zufuhr je nach unsrem Bedürfniss sicher gewesen
270).

Nachdem Wakefield die englische kapitalistische Agrikultur und ihre
„kombinirte“ Arbeit prunkvoll kontrastirt hat mit der zerstrenten ameri-
kanischen Bauernwirthschaft, entschlüpft ihm auch die Kehrseite der
Medaille. Er schildert die amerikanische Volksmasse als wohlhabend, unab-
hängig, unternehmend, und relativ gebildet, während „der englische Agrikul-
turarbeiter ein elender Lump (a miserable wretch) ist, ein Pauper … In
welchem Land ausser Nordamerika und einigen neuen Kolonien über-
steigen die Löhne der auf dem Land angewandten freien Arbeit nennens-
werth die unentbehrlichsten Subsistenzmittel des Arbeiters? … Zweifels-
ohne, Ackerpferde in England, da sie ein werthvolles Eigenthum sind,
werden viel besser genährt als der englische Landbebauer“271). Aber,

269) Wakefield l. c. v. II, p. 52.
270) l. c. p. 191, 192.
271) l. . v. I, p. 47, 246, 247.
I. 48
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><hi rendition="#g"><pb facs="#f0772" n="753"/>
tion fremder Arbeit beruhenden Privateigenthums</hi>? Ein<lb/>
&#x201E;<hi rendition="#g">barbarisirendes System</hi> der Zerstreuung der Producenten und des<lb/>
Nationalvermögens&#x201C;<note place="foot" n="269)"><hi rendition="#g">Wakefield</hi> l. c. v. II, p. 52.</note>. Die Zerstreuung der Produktionsmittel unter unzäh-<lb/>
lige, sie eignende und mit ihnen selbst arbeitende Producenten vernichtet mit<lb/><hi rendition="#g">der kapitalistischen Koncentration</hi> die <hi rendition="#g">kapitalistische Grund-<lb/>
lage aller kombinirten Arbeit</hi>. Alle langathmigen Kapitalunter-<lb/>
nehmungen, die sich über Jahre ausdehnen und Anlage von viel fixem<lb/>
Kapital erheischen, werden problematisch. In Europa zögert das Kapital<lb/>
keinen Augenblick, denn die Arbeiterklasse bildet seinen stets überfliessenden,<lb/>
disponiblen, lebendigen Zubehör. Aber in den Kolonialländern! Wake-<lb/>
field erzählt eine äusserst schmerzensreiche Anekdote. Er unterhielt sich<lb/>
mit einigen Kapitalisten von Kanada und dem Staat New-York, wo zudem<lb/>
die Einwanderungswogen oft stagniren und einen Bodensatz &#x201E;überzäh-<lb/>
liger&#x201C; Arbeiter niederschlagen. &#x201E;Unser Kapital,&#x201C; seufzt eine der Per-<lb/>
sonen des Melodramas, &#x201E;unser Kapital lag bereit für viele Operationen,<lb/>
die eine beträchtliche Zeitperiode zu ihrer Vollendung brauchen; aber<lb/>
konnten wir solche Operationen beginnen mit einer Arbeit, welche, wir<lb/>
wussten es, uns bald den Rücken wenden würde? Wären wir sicher ge-<lb/>
wesen die Arbeit solcher Einwandrer <hi rendition="#g">festhalten</hi> zu können, wir hätten<lb/>
sie mit Freude sofort engagirt und zu hohem Preis. Trotz der Sicherheit<lb/>
ihres Verlustes würden wir sie dennoch engagirt haben, <hi rendition="#g">wären wir einer<lb/>
frischen Zufuhr je nach unsrem Bedürfniss sicher gewesen</hi>&#x201C;<note place="foot" n="270)">l. c. p. 191, 192.</note>.</p><lb/>
            <p>Nachdem Wakefield die englische kapitalistische Agrikultur und ihre<lb/>
&#x201E;kombinirte&#x201C; Arbeit prunkvoll kontrastirt hat mit der zerstrenten ameri-<lb/>
kanischen Bauernwirthschaft, entschlüpft ihm auch die Kehrseite der<lb/>
Medaille. Er schildert die amerikanische Volksmasse als wohlhabend, unab-<lb/>
hängig, unternehmend, und relativ gebildet, während &#x201E;der englische Agrikul-<lb/>
turarbeiter ein elender Lump (a miserable wretch) ist, ein Pauper &#x2026; In<lb/>
welchem Land ausser Nordamerika und einigen neuen Kolonien über-<lb/>
steigen die Löhne der auf dem Land angewandten freien Arbeit nennens-<lb/>
werth die unentbehrlichsten Subsistenzmittel des Arbeiters? &#x2026; Zweifels-<lb/>
ohne, Ackerpferde in England, da sie ein werthvolles Eigenthum sind,<lb/>
werden viel besser genährt als der englische Landbebauer&#x201C;<note place="foot" n="271)">l. . v. I, p. 47, 246, 247.</note>. Aber,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">I. 48</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[753/0772] tion fremder Arbeit beruhenden Privateigenthums? Ein „barbarisirendes System der Zerstreuung der Producenten und des Nationalvermögens“ 269). Die Zerstreuung der Produktionsmittel unter unzäh- lige, sie eignende und mit ihnen selbst arbeitende Producenten vernichtet mit der kapitalistischen Koncentration die kapitalistische Grund- lage aller kombinirten Arbeit. Alle langathmigen Kapitalunter- nehmungen, die sich über Jahre ausdehnen und Anlage von viel fixem Kapital erheischen, werden problematisch. In Europa zögert das Kapital keinen Augenblick, denn die Arbeiterklasse bildet seinen stets überfliessenden, disponiblen, lebendigen Zubehör. Aber in den Kolonialländern! Wake- field erzählt eine äusserst schmerzensreiche Anekdote. Er unterhielt sich mit einigen Kapitalisten von Kanada und dem Staat New-York, wo zudem die Einwanderungswogen oft stagniren und einen Bodensatz „überzäh- liger“ Arbeiter niederschlagen. „Unser Kapital,“ seufzt eine der Per- sonen des Melodramas, „unser Kapital lag bereit für viele Operationen, die eine beträchtliche Zeitperiode zu ihrer Vollendung brauchen; aber konnten wir solche Operationen beginnen mit einer Arbeit, welche, wir wussten es, uns bald den Rücken wenden würde? Wären wir sicher ge- wesen die Arbeit solcher Einwandrer festhalten zu können, wir hätten sie mit Freude sofort engagirt und zu hohem Preis. Trotz der Sicherheit ihres Verlustes würden wir sie dennoch engagirt haben, wären wir einer frischen Zufuhr je nach unsrem Bedürfniss sicher gewesen“ 270). Nachdem Wakefield die englische kapitalistische Agrikultur und ihre „kombinirte“ Arbeit prunkvoll kontrastirt hat mit der zerstrenten ameri- kanischen Bauernwirthschaft, entschlüpft ihm auch die Kehrseite der Medaille. Er schildert die amerikanische Volksmasse als wohlhabend, unab- hängig, unternehmend, und relativ gebildet, während „der englische Agrikul- turarbeiter ein elender Lump (a miserable wretch) ist, ein Pauper … In welchem Land ausser Nordamerika und einigen neuen Kolonien über- steigen die Löhne der auf dem Land angewandten freien Arbeit nennens- werth die unentbehrlichsten Subsistenzmittel des Arbeiters? … Zweifels- ohne, Ackerpferde in England, da sie ein werthvolles Eigenthum sind, werden viel besser genährt als der englische Landbebauer“ 271). Aber, 269) Wakefield l. c. v. II, p. 52. 270) l. c. p. 191, 192. 271) l. . v. I, p. 47, 246, 247. I. 48

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/772
Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 753. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/772>, abgerufen am 21.11.2024.