Mascov, Johann Jakob: Geschichte der Teutschen. Bd. 1. Leipzig, 1726.Viertes Buch. Geschichte der Teutschen sche Fürstenergeben sich den Römern.mit der 2ten und 14ten Legion seinen Weg zu Lande längst der Küsten nehmen. Es über fiel ihn aber unterwegens ein Nordwind, welcher die See, so daselbst oh- nedem um die Zeit, wenn im Herbste Tag und Nacht gleich ist, sehr anschwillet, so hoch antrieb1, daß sie die gantze Gegend plötzlich bedeckete, und die beyden Legionen fast miteinander ersäuffet hätte, ehe sie auf eine Höhe entkommen können. Daselbst brachten sie die Nacht in Angst und Kummer zu, bis mit anbrechendem Tage das Wasser fiel, und ihnen den Weg zum Flusse2 öffnete, allwo Germanicus mirder Flotte ihrer wartete. Jndessen war das Gerüchte, als wären sie alle im Wasser umkommen, bis in Germanien erschollen, und man glaubete nicht eher das Gegen- theil, als bis man es sahe. Germanicus erzeigete sich bey seiner Zurückkunfft eben so mitleidig gegen seine Leute, als zuvor seine Gemahlin. Er halff den armen Soldaten aus seinen eignen Mitteln, besuchte die beschädigten, sahe, und fragte nach ihren Wunden, lobete ihre Tapfferkeit, versprach ihnen Beförderung: u. seine Leutseeligkeit richtete sie mehr, als die Wohlthaten selbst, auf. Segimer aber, Se- gestis Bruder, und sein Sohn Sefithacus3, hatten sich um die Zeit den Römern, wie im vorigen Jahre, Segestes, ergeben: Stertinius hatte sie angenommen, und ins Oppidum Vbiorum übergeführet. Segimero vergaß man leichte, was er vorher den Römern etwan zu leid gethan. Aber mit seinem Sohne hielte es etwas schwerer, weil man ihm vorwarff, daß er sich an des Q. Vari Leichname vergrif- fen. Jn Rom wurden A. Cecinae, L. Apronio, und C. Silio wegen ihres Wohlverhaltens Infignia triumphalia zuerkannt: Arminius aber, und Jnguio- mar, die den Römern eben so viel Ungemach zugefüget, als sie von ihnen erlitten, hatten das Lob, und Vertrauen ihrer Unterthanen, zum Preise ihrer Tapfferkeit. VIII. Germanicus wuste, daß der glückliche Fortgang seiner Waffen in offe- 1 [Beginn Spaltensatz]
§. VII. 1. tacitvs An. L. I. c. 70. Vitellius pri- mum iter sicca humo, aut modice adlahente aestu, quietum babuit: mox impulsu aquilonis fimul sidere aequinoctii, quo maxime intumescit Oceanus, rapi, agique agmen. & opplebantur ter- rae &c. Die Meinung der Alten, daß die See um diese Zeit anschwelle, stellet posidonivs weitläufftig für beym strabone L. XIII. fin. 2 tacitvs c. l. Lux reddidit terram, pene- tratumque ad amnem Visurgim, quo Caesar classe contenderat. Impositae deinde legiones, uagante sa- ma submersas, nec fides salutis, antequam Caesarem, exercitumque reducem uidere. Es ist offenbahr, daß die Weser hier nicht Platz finde, da Germanicus in der Ems eingeschisset, und den Weg in die Süder-See genommen. lipsivs liest daher ad amnem Vi- drum, welches die Vechs ist, so bey Genemuyden [Spaltenumbruch] in die Süder-See fället, und beym ptolemaeo unter diesem Namen vorkommet. menso altin- givs kommt noch näher, und will fl. Vnsingim le- sen, welches der Name des Flusses ist, so bey Grönin- gen vorbey, in die See fleust. in notitia German. inferior P. I. p. 129. 3 strabo L. VII. p. 292. 1 §. VIII. 1. tacitvs Ann. L. II. c. 5. Caeterum
Tiberio baud ingratum accidit, turbari res orien- tis, ut ea specie Germanicum suetis legionibus abstra- beret, nouisque prouinciis impositum, dolo simul, & casibus, obiectaret. At ille, quanto acriora in eum studia militum, & auersa patrui uoluntas, celeran- dae uictoriae intentior, tractare proeliorum uias, & quae sibi, tertiunr iam annum belligeranti, saeua uel prospera euenissent. fundi Germanos acie, & iustis locis: iuuari siluis, paludibus, breui aestate, & [Ende Spaltensatz] praema- Viertes Buch. Geſchichte der Teutſchen ſche Fuͤrſtenergeben ſich den Roͤmern.mit der 2ten und 14ten Legion ſeinen Weg zu Lande laͤngſt der Kuͤſten nehmen. Es uͤber fiel ihn aber unterwegens ein Nordwind, welcher die See, ſo daſelbſt oh- nedem um die Zeit, wenn im Herbſte Tag und Nacht gleich iſt, ſehr anſchwillet, ſo hoch antrieb1, daß ſie die gantze Gegend ploͤtzlich bedeckete, und die beyden Legionen faſt miteinander erſaͤuffet haͤtte, ehe ſie auf eine Hoͤhe entkommen koͤnnen. Daſelbſt brachten ſie die Nacht in Angſt und Kummer zu, bis mit anbrechendem Tage das Waſſer fiel, und ihnen den Weg zum Fluſſe2 oͤffnete, allwo Germanicus mirder Flotte ihrer wartete. Jndeſſen war das Geruͤchte, als waͤren ſie alle im Waſſer umkommen, bis in Germanien erſchollen, und man glaubete nicht eher das Gegen- theil, als bis man es ſahe. Germanicus erzeigete ſich bey ſeiner Zuruͤckkunfft eben ſo mitleidig gegen ſeine Leute, als zuvor ſeine Gemahlin. Er halff den armen Soldaten aus ſeinen eignen Mitteln, beſuchte die beſchaͤdigten, ſahe, und fragte nach ihren Wunden, lobete ihre Tapfferkeit, verſprach ihnen Befoͤrderung: u. ſeine Leutſeeligkeit richtete ſie mehr, als die Wohlthaten ſelbſt, auf. Segimer aber, Se- geſtis Bruder, und ſein Sohn Sefithacus3, hatten ſich um die Zeit den Roͤmern, wie im vorigen Jahre, Segeſtes, ergeben: Stertinius hatte ſie angenommen, und ins Oppidum Vbiorum uͤbergefuͤhret. Segimero vergaß man leichte, was er vorher den Roͤmern etwan zu leid gethan. Aber mit ſeinem Sohne hielte es etwas ſchwerer, weil man ihm vorwarff, daß er ſich an des Q. Vari Leichname vergrif- fen. Jn Rom wurden A. Cecinae, L. Apronio, und C. Silio wegen ihres Wohlverhaltens Infignia triumphalia zuerkannt: Arminius aber, und Jnguio- mar, die den Roͤmern eben ſo viel Ungemach zugefuͤget, als ſie von ihnen erlitten, hatten das Lob, und Vertrauen ihrer Unterthanen, zum Preiſe ihrer Tapfferkeit. VIII. Germanicus wuſte, daß der gluͤckliche Fortgang ſeiner Waffen in offe- 1 [Beginn Spaltensatz]
§. VII. 1. tacitvs An. L. I. c. 70. Vitellius pri- mum iter ſicca humo, aut modice adlahente aeſtu, quietum babuit: mox impulſu aquilonis fimul ſidere aequinoctii, quo maxime intumeſcit Oceanus, rapi, agique agmen. & opplebantur ter- rae &c. Die Meinung der Alten, daß die See um dieſe Zeit anſchwelle, ſtellet posidonivs weitlaͤufftig fuͤr beym strabone L. XIII. fin. 2 tacitvs c. l. Lux reddidit terram, pene- tratumque ad amnem Viſurgim, quo Caeſar claſſe contenderat. Impoſitae deinde legiones, uagante ſa- ma ſubmerſas, nec fides ſalutis, antequam Caeſarem, exercitumque reducem uidere. Es iſt offenbahr, daß die Weſer hier nicht Platz finde, da Germanicus in der Ems eingeſchiſſet, und den Weg in die Suͤder-See genommen. lipsivs lieſt daher ad amnem Vi- drum, welches die Vechs iſt, ſo bey Genemuyden [Spaltenumbruch] in die Suͤder-See faͤllet, und beym ptolemaeo unter dieſem Namen vorkommet. menso altin- givs kommt noch naͤher, und will fl. Vnſingim le- ſen, welches der Name des Fluſſes iſt, ſo bey Groͤnin- gen vorbey, in die See fleuſt. in notitia German. inferior P. I. p. 129. 3 strabo L. VII. p. 292. 1 §. VIII. 1. tacitvs Ann. L. II. c. 5. Caeterum
Tiberio baud ingratum accidit, turbari res orien- tis, ut ea ſpecie Germanicum ſuetis legionibus abſtra- beret, nouisque prouinciis impoſitum, dolo ſimul, & caſibus, obiectaret. At ille, quanto acriora in eum ſtudia militum, & auerſa patrui uoluntas, celeran- dae uictoriae intentior, tractare proeliorum uias, & quae ſibi, tertiunr iam annum belligeranti, ſaeua uel proſpera eueniſſent. fundi Germanos acie, & iuſtis locis: iuuari ſiluis, paludibus, breui aeſtate, & [Ende Spaltensatz] praema- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0124" n="90"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Viertes Buch. Geſchichte der Teutſchen</hi></fw><lb/><note place="left">ſche Fuͤrſten<lb/> ergeben ſich<lb/> den Roͤmern.</note>mit der 2ten und 14ten Legion ſeinen Weg zu Lande laͤngſt der Kuͤſten nehmen.<lb/> Es uͤber fiel ihn aber unterwegens ein Nordwind, welcher die See, ſo daſelbſt oh-<lb/> nedem um die Zeit, wenn im Herbſte Tag und Nacht gleich iſt, ſehr anſchwillet, ſo<lb/> hoch antrieb<note place="foot" n="1"><cb type="start"/> §. <hi rendition="#aq">VII</hi>. 1. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">tacitvs</hi></hi> An. L. I. c. 70. <hi rendition="#i">Vitellius pri-<lb/> mum iter ſicca humo, aut modice adlahente<lb/> aeſtu, quietum babuit: mox impulſu aquilonis<lb/> fimul ſidere aequinoctii, quo maxime intumeſcit<lb/> Oceanus, rapi, agique agmen. & opplebantur ter-<lb/> rae &c.</hi></hi> Die Meinung der Alten, daß die See um<lb/> dieſe Zeit anſchwelle, ſtellet <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">posidonivs</hi></hi></hi> weitlaͤufftig<lb/> fuͤr beym <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">strabone</hi></hi> L. XIII. fin.</hi></note>, daß ſie die gantze Gegend ploͤtzlich bedeckete, und die beyden Legionen<lb/> faſt miteinander erſaͤuffet haͤtte, ehe ſie auf eine Hoͤhe entkommen koͤnnen. Daſelbſt<lb/> brachten ſie die Nacht in Angſt und Kummer zu, bis mit anbrechendem Tage das<lb/> Waſſer fiel, und ihnen den Weg zum Fluſſe<note place="foot" n="2"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">tacitvs</hi></hi> c. l. <hi rendition="#i">Lux reddidit terram, pene-<lb/> tratumque ad amnem Viſurgim, quo Caeſar claſſe<lb/> contenderat. Impoſitae deinde legiones, uagante ſa-<lb/> ma ſubmerſas, nec fides ſalutis, antequam Caeſarem,<lb/> exercitumque reducem uidere.</hi></hi> Es iſt offenbahr, daß<lb/> die Weſer hier nicht Platz finde, da <hi rendition="#aq">Germanicus</hi> in der<lb/> Ems eingeſchiſſet, und den Weg in die Suͤder-See<lb/> genommen. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">lipsivs</hi></hi></hi> lieſt daher <hi rendition="#aq">ad amnem Vi-<lb/> drum,</hi> welches die <hi rendition="#aq">Vechs</hi> iſt, ſo bey <hi rendition="#aq">Genemuyden</hi><lb/><cb/> in die Suͤder-See faͤllet, und beym <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">ptolemaeo</hi></hi></hi><lb/> unter dieſem Namen vorkommet. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">menso <hi rendition="#g">altin-<lb/> givs</hi></hi></hi> kommt noch naͤher, und will <hi rendition="#aq">fl. Vnſingim</hi> le-<lb/> ſen, welches der Name des Fluſſes iſt, ſo bey Groͤnin-<lb/> gen vorbey, in die See fleuſt. <hi rendition="#aq">in notitia German.<lb/> inferior P. I. p.</hi> 129.</note> oͤffnete, allwo <hi rendition="#aq">Germanicus</hi> mirder<lb/> Flotte ihrer wartete. Jndeſſen war das Geruͤchte, als waͤren ſie alle im Waſſer<lb/> umkommen, bis in Germanien erſchollen, und man glaubete nicht eher das Gegen-<lb/> theil, als bis man es ſahe. <hi rendition="#aq">Germanicus</hi> erzeigete ſich bey ſeiner Zuruͤckkunfft eben<lb/> ſo mitleidig gegen ſeine Leute, als zuvor ſeine Gemahlin. Er halff den armen<lb/> Soldaten aus ſeinen eignen Mitteln, beſuchte die beſchaͤdigten, ſahe, und fragte<lb/> nach ihren Wunden, lobete ihre Tapfferkeit, verſprach ihnen Befoͤrderung: u. ſeine<lb/> Leutſeeligkeit richtete ſie mehr, als die Wohlthaten ſelbſt, auf. <hi rendition="#aq">Segimer</hi> aber, <hi rendition="#aq">Se-<lb/> geſtis</hi> Bruder, und ſein Sohn <hi rendition="#aq">Sefithacus</hi><note place="foot" n="3"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">strabo</hi></hi> L. VII. p.</hi> 292.</note>, hatten ſich um die Zeit den Roͤmern,<lb/> wie im vorigen Jahre, <hi rendition="#aq">Segeſtes,</hi> ergeben: <hi rendition="#aq">Stertinius</hi> hatte ſie angenommen, und<lb/> ins <hi rendition="#aq">Oppidum Vbiorum</hi> uͤbergefuͤhret. <hi rendition="#aq">Segimero</hi> vergaß man leichte, was er<lb/> vorher den Roͤmern etwan zu leid gethan. Aber mit ſeinem Sohne hielte es etwas<lb/> ſchwerer, weil man ihm vorwarff, daß er ſich an des <hi rendition="#aq">Q. Vari</hi> Leichname vergrif-<lb/> fen. Jn Rom wurden <hi rendition="#aq">A. Cecinae, L. Apronio,</hi> und <hi rendition="#aq">C. Silio</hi> wegen ihres<lb/> Wohlverhaltens <hi rendition="#aq">Infignia triumphalia</hi> zuerkannt: <hi rendition="#aq">Arminius</hi> aber, und Jnguio-<lb/> mar, die den Roͤmern eben ſo viel Ungemach zugefuͤget, als ſie von ihnen erlitten,<lb/> hatten das Lob, und Vertrauen ihrer Unterthanen, zum Preiſe ihrer Tapfferkeit.</p><lb/> <p><hi rendition="#aq">VIII. Germanicus</hi> wuſte, daß der gluͤckliche Fortgang ſeiner Waffen<lb/><note place="left"><hi rendition="#aq">Germanicus</hi><lb/> laͤſt eine Flotte<lb/> ausruͤſten.<lb/> Entſetzet die<lb/> Veſtung <hi rendition="#aq">Ali-<lb/> ſo.</hi></note>dem Kaͤiſer nicht ſo angenehm waͤre, als er wohl zum Scheine vorgab: und wollte<lb/> des wegen den Krieg wieder die Teutſchen, mit aller Gewalt, zu Ende bringen, ehe er<lb/> etwan zuruͤcke geruffen wuͤrde. Der Krieg zu Lande war zu beſchwerlich, und koſt-<lb/> dar, indem die Soldaten auf den langen Zuͤgen mehr Gefahr, und Schaden, als<lb/> <fw place="bottom" type="catch">in offe-</fw><lb/><note xml:id="FN124_01_01" next="#FN124_01_02" place="foot" n="1">§. <hi rendition="#aq">VIII</hi>. 1. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">tacitvs</hi></hi> Ann. L. II. c. 5. <hi rendition="#i">Caeterum<lb/> Tiberio baud ingratum accidit, turbari res orien-<lb/> tis, ut ea ſpecie Germanicum ſuetis legionibus abſtra-<lb/> beret, nouisque prouinciis impoſitum, dolo ſimul, &<lb/> caſibus, obiectaret. At ille, quanto acriora in eum<lb/> ſtudia militum, & auerſa patrui uoluntas, celeran-<lb/> dae uictoriae intentior, tractare proeliorum uias,<lb/> & quae ſibi, tertiunr iam annum belligeranti, ſaeua uel<lb/> proſpera eueniſſent. fundi Germanos acie, & iuſtis<lb/> locis: iuuari ſiluis, paludibus, breui aeſtate, &</hi></hi><lb/> <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">praema-</hi></hi></fw><cb type="end"/> <note type="editorial">Die Fußnotenreferenz befindet sich auf der nächsten Seite.</note></note><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [90/0124]
Viertes Buch. Geſchichte der Teutſchen
mit der 2ten und 14ten Legion ſeinen Weg zu Lande laͤngſt der Kuͤſten nehmen.
Es uͤber fiel ihn aber unterwegens ein Nordwind, welcher die See, ſo daſelbſt oh-
nedem um die Zeit, wenn im Herbſte Tag und Nacht gleich iſt, ſehr anſchwillet, ſo
hoch antrieb 1, daß ſie die gantze Gegend ploͤtzlich bedeckete, und die beyden Legionen
faſt miteinander erſaͤuffet haͤtte, ehe ſie auf eine Hoͤhe entkommen koͤnnen. Daſelbſt
brachten ſie die Nacht in Angſt und Kummer zu, bis mit anbrechendem Tage das
Waſſer fiel, und ihnen den Weg zum Fluſſe 2 oͤffnete, allwo Germanicus mirder
Flotte ihrer wartete. Jndeſſen war das Geruͤchte, als waͤren ſie alle im Waſſer
umkommen, bis in Germanien erſchollen, und man glaubete nicht eher das Gegen-
theil, als bis man es ſahe. Germanicus erzeigete ſich bey ſeiner Zuruͤckkunfft eben
ſo mitleidig gegen ſeine Leute, als zuvor ſeine Gemahlin. Er halff den armen
Soldaten aus ſeinen eignen Mitteln, beſuchte die beſchaͤdigten, ſahe, und fragte
nach ihren Wunden, lobete ihre Tapfferkeit, verſprach ihnen Befoͤrderung: u. ſeine
Leutſeeligkeit richtete ſie mehr, als die Wohlthaten ſelbſt, auf. Segimer aber, Se-
geſtis Bruder, und ſein Sohn Sefithacus 3, hatten ſich um die Zeit den Roͤmern,
wie im vorigen Jahre, Segeſtes, ergeben: Stertinius hatte ſie angenommen, und
ins Oppidum Vbiorum uͤbergefuͤhret. Segimero vergaß man leichte, was er
vorher den Roͤmern etwan zu leid gethan. Aber mit ſeinem Sohne hielte es etwas
ſchwerer, weil man ihm vorwarff, daß er ſich an des Q. Vari Leichname vergrif-
fen. Jn Rom wurden A. Cecinae, L. Apronio, und C. Silio wegen ihres
Wohlverhaltens Infignia triumphalia zuerkannt: Arminius aber, und Jnguio-
mar, die den Roͤmern eben ſo viel Ungemach zugefuͤget, als ſie von ihnen erlitten,
hatten das Lob, und Vertrauen ihrer Unterthanen, zum Preiſe ihrer Tapfferkeit.
ſche Fuͤrſten
ergeben ſich
den Roͤmern.
VIII. Germanicus wuſte, daß der gluͤckliche Fortgang ſeiner Waffen
dem Kaͤiſer nicht ſo angenehm waͤre, als er wohl zum Scheine vorgab: und wollte
des wegen den Krieg wieder die Teutſchen, mit aller Gewalt, zu Ende bringen, ehe er
etwan zuruͤcke geruffen wuͤrde. Der Krieg zu Lande war zu beſchwerlich, und koſt-
dar, indem die Soldaten auf den langen Zuͤgen mehr Gefahr, und Schaden, als
in offe-
1
Germanicus
laͤſt eine Flotte
ausruͤſten.
Entſetzet die
Veſtung Ali-
ſo.
1
§. VII. 1. tacitvs An. L. I. c. 70. Vitellius pri-
mum iter ſicca humo, aut modice adlahente
aeſtu, quietum babuit: mox impulſu aquilonis
fimul ſidere aequinoctii, quo maxime intumeſcit
Oceanus, rapi, agique agmen. & opplebantur ter-
rae &c. Die Meinung der Alten, daß die See um
dieſe Zeit anſchwelle, ſtellet posidonivs weitlaͤufftig
fuͤr beym strabone L. XIII. fin.
2 tacitvs c. l. Lux reddidit terram, pene-
tratumque ad amnem Viſurgim, quo Caeſar claſſe
contenderat. Impoſitae deinde legiones, uagante ſa-
ma ſubmerſas, nec fides ſalutis, antequam Caeſarem,
exercitumque reducem uidere. Es iſt offenbahr, daß
die Weſer hier nicht Platz finde, da Germanicus in der
Ems eingeſchiſſet, und den Weg in die Suͤder-See
genommen. lipsivs lieſt daher ad amnem Vi-
drum, welches die Vechs iſt, ſo bey Genemuyden
in die Suͤder-See faͤllet, und beym ptolemaeo
unter dieſem Namen vorkommet. menso altin-
givs kommt noch naͤher, und will fl. Vnſingim le-
ſen, welches der Name des Fluſſes iſt, ſo bey Groͤnin-
gen vorbey, in die See fleuſt. in notitia German.
inferior P. I. p. 129.
3 strabo L. VII. p. 292.
1 §. VIII. 1. tacitvs Ann. L. II. c. 5. Caeterum
Tiberio baud ingratum accidit, turbari res orien-
tis, ut ea ſpecie Germanicum ſuetis legionibus abſtra-
beret, nouisque prouinciis impoſitum, dolo ſimul, &
caſibus, obiectaret. At ille, quanto acriora in eum
ſtudia militum, & auerſa patrui uoluntas, celeran-
dae uictoriae intentior, tractare proeliorum uias,
& quae ſibi, tertiunr iam annum belligeranti, ſaeua uel
proſpera eueniſſent. fundi Germanos acie, & iuſtis
locis: iuuari ſiluis, paludibus, breui aeſtate, &
praema-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeErgänzungsvorschlag vom DWB [mehr] Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |