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Mascov, Johann Jakob: Geschichte der Teutschen. Bd. 1. Leipzig, 1726.

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Viertes Buch. Geschichte der Teutschen
seine Leute zu Arminio über, weil er ihnen eine bessere Sache zu haben schiene.
Marbod zog sich ins Land der Marcomannen zurücke, und ließ bey Tiberio um
Hülffe, wieder die Cheruscer, ansuchen. So gerne Tiberius diesen Antrag hörete,
so kaltsinnig stellete er sich Anfangs dabey, und gab zur Antwort: er sähe nicht, wie
der König Hülffe von ihm, gegen die Cheruscer, begehren könne, da er den Rö-
mern in ihren Kriegen, gegen dieselben, keine geleistet. Er entschloß sich aber
bald anders, und schickete seinen Sohn, Drusum, den er gerne von den Lüsten des
Hof-Lebens entfernen, und zum Kriege anführen wollte, zur Armee, ins Illyri-
cum,
von daraus die Angelegenheiten der Teutschen Völcker zu besorgen: und
Drusus vermittelte auch damahls zwischen Maroboduo, und Arminio, Frieden.*

XIX. Aber der Krieg selbst hätte für den König der Marcomannen nicht
Marbob wird
von Catualda
vertrieben.
übeler auslauffen können, als diese Vermittelung. Die Römer machten sich die
Gelegenheit, so sie gehabt in seine Sachen einzusehen, zu einem gantz anderen
Endzweck zu Nutzen, und halffen unter der Hand darzu, daß Catualda, ein vor-
nehmer junger Herr unter den Gothonen, der vormahls von Maroboduo aus
seinem Vaterlande verjaget worden, ietzo Rache suchete. Er fiel mit einer ansehn-
lichen Macht ins Land der Marcomannen, und vermochte, durch heimliches Ver-
ständniß mit einigen Grossen, so viel, daß er Meister von der Residentz ward, in
welcher er die Schätze fand, die Marbod in so vielen Jahren, und von der Beute
so vieler Völcker, gesammlet hatte. Dem Könige kam dieses Unglück so plötzlich
über den Hals, und die Verrätherey so erschrecklich für, daß er über die Donau,
in die Römische Provintz, Noricum, flüchtete, und bey den Römern Hülffe suchete,
unwissend, daß sie ihm selbst den Fallstrick legen helffen. Sein Schreiben an
Tiberium war abgefasset, als wenn er noch mitten in seinem Glücke sässe. Er
rechnete es fast den Römern als eine Ehre an, daß er lieber zu ihnen seine Zuflucht
nehmen wollte, als zu andern Völckern, die ihm allen Vorschub anböthen. Aber
der Käiser wuste besser, wie seine Sache stünde, und ließ ihm antworten, wenn er
sich nach Jtalien begeben wollte, würde er daselbst, so lange es ihm beliehe, sicher
und mit Ehren leben können, und auch Meister seyn wieder aufzubrechen, so bald
er es für gut befände. Tiberius strich indessen beym Rathe Marobodui Ver-
stand, und Tapfferkeit heraus: über was vor Völcker er geherrschet, und wie we-
der Philippus den Atheniensern, noch Pyrrhus, oder Antiochus, den Römern so
fürchterlich, als er gewesen: vergaß auch nicht die heimlichen Verstrickungen zu
rühmen, dadurch er diesen grossen Printzen gestürtzet.*


1
XX. Mar-
[Beginn Spaltensatz] longa aduersum nos militia insueuerant sequi Signa,
subsidiis firmari, dicta imperatorum accipere.
* tacitvs Ann. L. II. c. 44. 45. 46.
* §. XIX. * tacitvs Annal. L. II. c. 62. 63.
ubi inter caetera: Caeterum apud Senatum disse-
ruit: non Philippum Atheniensibus, non Pyrrbum,
aut Antiochum, populo Romano perinde metuendos
fuisse. Extat oratio, qua magnitudinem viri,
[Spaltenumbruch] violentiam subiectarum ei gentium, & quam pro-
pinquus Italiae hostis, suaque in destruendo
consilia, extulit.
m. ivnio silano, l. norbano
balbo, coss.
a. v. 772. chr.
19.
1 §. XIX. 1. tacitvs Annal. L. II. c. 63. Et Ma-
roboduus quidem, Ravennae habitus, si quando in-
solescerent Sueui, quasi rediturus in regnum ostenta-
batur. Sed non excessit Italia per duodeviginti an-
nos; consenuitque, multum imminuta claritate, ob
nimiam viuendi cupidinem. Idem Catualdae casus,
neque aliud perfugium. Pulsus haud multo post Her-

[Ende Spaltensatz]
mundu-

Viertes Buch. Geſchichte der Teutſchen
ſeine Leute zu Arminio uͤber, weil er ihnen eine beſſere Sache zu haben ſchiene.
Marbod zog ſich ins Land der Marcomannen zuruͤcke, und ließ bey Tiberio um
Huͤlffe, wieder die Cheruſcer, anſuchen. So gerne Tiberius dieſen Antrag hoͤrete,
ſo kaltſinnig ſtellete er ſich Anfangs dabey, und gab zur Antwort: er ſaͤhe nicht, wie
der Koͤnig Huͤlffe von ihm, gegen die Cheruſcer, begehren koͤnne, da er den Roͤ-
mern in ihren Kriegen, gegen dieſelben, keine geleiſtet. Er entſchloß ſich aber
bald anders, und ſchickete ſeinen Sohn, Druſum, den er gerne von den Luͤſten des
Hof-Lebens entfernen, und zum Kriege anfuͤhren wollte, zur Armee, ins Illyri-
cum,
von daraus die Angelegenheiten der Teutſchen Voͤlcker zu beſorgen: und
Druſus vermittelte auch damahls zwiſchen Maroboduo, und Arminio, Frieden.*

XIX. Aber der Krieg ſelbſt haͤtte fuͤr den Koͤnig der Marcomannen nicht
Marbob wird
von Catualda
vertrieben.
uͤbeler auslauffen koͤnnen, als dieſe Vermittelung. Die Roͤmer machten ſich die
Gelegenheit, ſo ſie gehabt in ſeine Sachen einzuſehen, zu einem gantz anderen
Endzweck zu Nutzen, und halffen unter der Hand darzu, daß Catualda, ein vor-
nehmer junger Herr unter den Gothonen, der vormahls von Maroboduo aus
ſeinem Vaterlande verjaget worden, ietzo Rache ſuchete. Er fiel mit einer anſehn-
lichen Macht ins Land der Marcomannen, und vermochte, durch heimliches Ver-
ſtaͤndniß mit einigen Groſſen, ſo viel, daß er Meiſter von der Reſidentz ward, in
welcher er die Schaͤtze fand, die Marbod in ſo vielen Jahren, und von der Beute
ſo vieler Voͤlcker, geſammlet hatte. Dem Koͤnige kam dieſes Ungluͤck ſo ploͤtzlich
uͤber den Hals, und die Verraͤtherey ſo erſchrecklich fuͤr, daß er uͤber die Donau,
in die Roͤmiſche Provintz, Noricum, fluͤchtete, und bey den Roͤmern Huͤlffe ſuchete,
unwiſſend, daß ſie ihm ſelbſt den Fallſtrick legen helffen. Sein Schreiben an
Tiberium war abgefaſſet, als wenn er noch mitten in ſeinem Gluͤcke ſaͤſſe. Er
rechnete es faſt den Roͤmern als eine Ehre an, daß er lieber zu ihnen ſeine Zuflucht
nehmen wollte, als zu andern Voͤlckern, die ihm allen Vorſchub anboͤthen. Aber
der Kaͤiſer wuſte beſſer, wie ſeine Sache ſtuͤnde, und ließ ihm antworten, wenn er
ſich nach Jtalien begeben wollte, wuͤrde er daſelbſt, ſo lange es ihm beliehe, ſicher
und mit Ehren leben koͤnnen, und auch Meiſter ſeyn wieder aufzubrechen, ſo bald
er es fuͤr gut befaͤnde. Tiberius ſtrich indeſſen beym Rathe Marobodui Ver-
ſtand, und Tapfferkeit heraus: uͤber was vor Voͤlcker er geherrſchet, und wie we-
der Philippus den Athenienſern, noch Pyrrhus, oder Antiochus, den Roͤmern ſo
fuͤrchterlich, als er geweſen: vergaß auch nicht die heimlichen Verſtrickungen zu
ruͤhmen, dadurch er dieſen groſſen Printzen geſtuͤrtzet.*


1
XX. Mar-
[Beginn Spaltensatz] longa aduerſum nos militia inſueuerant ſequi Signa,
ſubſidiis firmari, dicta imperatorum accipere.
* tacitvs Ann. L. II. c. 44. 45. 46.
* §. XIX. * tacitvs Annal. L. II. c. 62. 63.
ubi inter caetera: Caeterum apud Senatum diſſe-
ruit: non Philippum Athenienſibus, non Pyrrbum,
aut Antiochum, populo Romano perinde metuendos
fuiſſe. Extat oratio, qua magnitudinem viri,
[Spaltenumbruch] violentiam ſubiectarum ei gentium, & quam pro-
pinquus Italiae hoſtis, ſuaque in deſtruendo
conſilia, extulit.
m. ivnio silano, l. norbano
balbo, coss.
a. v. 772. chr.
19.
1 §. XIX. 1. tacitvs Annal. L. II. c. 63. Et Ma-
roboduus quidem, Ravennae habitus, ſi quando in-
ſoleſcerent Sueui, quaſi rediturus in regnum oſtenta-
batur. Sed non exceſſit Italia per duodeviginti an-
nos; conſenuitque, multum imminuta claritate, ob
nimiam viuendi cupidinem. Idem Catualdae caſus,
neque aliud perfugium. Pulſus haud multo poſt Her-

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[100/0134] Viertes Buch. Geſchichte der Teutſchen ſeine Leute zu Arminio uͤber, weil er ihnen eine beſſere Sache zu haben ſchiene. Marbod zog ſich ins Land der Marcomannen zuruͤcke, und ließ bey Tiberio um Huͤlffe, wieder die Cheruſcer, anſuchen. So gerne Tiberius dieſen Antrag hoͤrete, ſo kaltſinnig ſtellete er ſich Anfangs dabey, und gab zur Antwort: er ſaͤhe nicht, wie der Koͤnig Huͤlffe von ihm, gegen die Cheruſcer, begehren koͤnne, da er den Roͤ- mern in ihren Kriegen, gegen dieſelben, keine geleiſtet. Er entſchloß ſich aber bald anders, und ſchickete ſeinen Sohn, Druſum, den er gerne von den Luͤſten des Hof-Lebens entfernen, und zum Kriege anfuͤhren wollte, zur Armee, ins Illyri- cum, von daraus die Angelegenheiten der Teutſchen Voͤlcker zu beſorgen: und Druſus vermittelte auch damahls zwiſchen Maroboduo, und Arminio, Frieden. * XIX. Aber der Krieg ſelbſt haͤtte fuͤr den Koͤnig der Marcomannen nicht uͤbeler auslauffen koͤnnen, als dieſe Vermittelung. Die Roͤmer machten ſich die Gelegenheit, ſo ſie gehabt in ſeine Sachen einzuſehen, zu einem gantz anderen Endzweck zu Nutzen, und halffen unter der Hand darzu, daß Catualda, ein vor- nehmer junger Herr unter den Gothonen, der vormahls von Maroboduo aus ſeinem Vaterlande verjaget worden, ietzo Rache ſuchete. Er fiel mit einer anſehn- lichen Macht ins Land der Marcomannen, und vermochte, durch heimliches Ver- ſtaͤndniß mit einigen Groſſen, ſo viel, daß er Meiſter von der Reſidentz ward, in welcher er die Schaͤtze fand, die Marbod in ſo vielen Jahren, und von der Beute ſo vieler Voͤlcker, geſammlet hatte. Dem Koͤnige kam dieſes Ungluͤck ſo ploͤtzlich uͤber den Hals, und die Verraͤtherey ſo erſchrecklich fuͤr, daß er uͤber die Donau, in die Roͤmiſche Provintz, Noricum, fluͤchtete, und bey den Roͤmern Huͤlffe ſuchete, unwiſſend, daß ſie ihm ſelbſt den Fallſtrick legen helffen. Sein Schreiben an Tiberium war abgefaſſet, als wenn er noch mitten in ſeinem Gluͤcke ſaͤſſe. Er rechnete es faſt den Roͤmern als eine Ehre an, daß er lieber zu ihnen ſeine Zuflucht nehmen wollte, als zu andern Voͤlckern, die ihm allen Vorſchub anboͤthen. Aber der Kaͤiſer wuſte beſſer, wie ſeine Sache ſtuͤnde, und ließ ihm antworten, wenn er ſich nach Jtalien begeben wollte, wuͤrde er daſelbſt, ſo lange es ihm beliehe, ſicher und mit Ehren leben koͤnnen, und auch Meiſter ſeyn wieder aufzubrechen, ſo bald er es fuͤr gut befaͤnde. Tiberius ſtrich indeſſen beym Rathe Marobodui Ver- ſtand, und Tapfferkeit heraus: uͤber was vor Voͤlcker er geherrſchet, und wie we- der Philippus den Athenienſern, noch Pyrrhus, oder Antiochus, den Roͤmern ſo fuͤrchterlich, als er geweſen: vergaß auch nicht die heimlichen Verſtrickungen zu ruͤhmen, dadurch er dieſen groſſen Printzen geſtuͤrtzet. * Marbob wird von Catualda vertrieben. XX. Mar- 1 ✝ 1 * tacitvs Ann. L. II. c. 44. 45. 46. * §. XIX. * tacitvs Annal. L. II. c. 62. 63. ubi inter caetera: Caeterum apud Senatum diſſe- ruit: non Philippum Athenienſibus, non Pyrrbum, aut Antiochum, populo Romano perinde metuendos fuiſſe. Extat oratio, qua magnitudinem viri, violentiam ſubiectarum ei gentium, & quam pro- pinquus Italiae hoſtis, ſuaque in deſtruendo conſilia, extulit. 1 longa aduerſum nos militia inſueuerant ſequi Signa, ſubſidiis firmari, dicta imperatorum accipere. ✝ m. ivnio silano, l. norbano balbo, coss. a. v. 772. chr. 19. 1 §. XIX. 1. tacitvs Annal. L. II. c. 63. Et Ma- roboduus quidem, Ravennae habitus, ſi quando in- ſoleſcerent Sueui, quaſi rediturus in regnum oſtenta- batur. Sed non exceſſit Italia per duodeviginti an- nos; conſenuitque, multum imminuta claritate, ob nimiam viuendi cupidinem. Idem Catualdae caſus, neque aliud perfugium. Pulſus haud multo poſt Her- mundu-

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Zitationshilfe: Mascov, Johann Jakob: Geschichte der Teutschen. Bd. 1. Leipzig, 1726, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mascov_geschichte01_1726/134>, abgerufen am 21.11.2024.