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Mascov, Johann Jakob: Geschichte der Teutschen. Bd. 1. Leipzig, 1726.

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Viertes Buch. Geschichte der Teutschen
peii, damit sie daselbst, aus der Menge der Zuschauer, von der Anzahl der Einwoh-
ner, möchten urtheilen können. Die beyden Friesischen Printzen sahen nicht so be-
gierig auf das Schauspiel selbst, als auf die Zuschauer, und liessen sich erklären,
wer in Cavea, wo die aus dem Rath, und die von der Ritterschafft sässen: und
als sie einige fremde mitten unter dem Rathe sitzen sahen, frageten sie, wie selbige
dahin kämen? Als man ihnen nun erklärete, daß es ausländische Gesandten wä-
ren, und daß einigen Völckern wegen ihrer Tugenden, oder Freundschafft gegen
die Römer, dergleichen Ehre zugestanden würde; gingen sie von ihrer Stellen, sag-
ten überlaut, es überträffe kein Volck in der Welt die Teutschen an Tapfferkeit,
und Ehrlichkeit, und setzeten sich gleichfalls unter die Herren des Raths, die ihnen
um so viel williger Platz machten, ie neuer ihnen dergleichen ruhmbegierige Dreu-
stigkeit vorkam. Sie wurden auch bey Hofe, für ihre Person, wohl gehalten. Ne-
ro
gab beyden das Römische Bürger-Recht. Aber die Haupt-Sache ward ih-
nen abgeschlagen, und da die Friesen dennoch nicht gleich weichen wollten, schickete
Avitus die fremde Reuterey ihnen über den Hals, die sie mit Gewalt dazu
nöthigte.*

XXXIV. Das Land kriegte aber bald neuen Anspruch von den Ansiba-
Die Ansibarii
werden ver-
tilget.
riern, so eben von den Chaucen, aus ihrem Vaterlande, am rechten Ufer der Ems1,
vertrieben waren, und andere Wohnung suchen musten. Boiocalus der sie an-
führete, hoffete, dieses, wegen seiner den Römern geleisteten langen Dienste, desto
eher zu erlangen. Avitus schlug es ab, und both zwar Boiocalo in geheim an,
daß er, für sich, und sein Haus, so viel Land, als er brauche, haben sollte: aber
Boiocalus war zu ehrlich, als daß er, um seines eigenen Vortheils halber, ein
Volck, so sich ihm anvertrauet, hätte verlassen sollen. Er wollte also versuchen,
sich mit Gewalt feste zu setzen, wozu die Bructerer, Tenchterer, und andere benach-
barte Völcker ihm ihre Hülffe anbothen. Avitus aber dämpffete gleich die ersten
Funcken. Er schrieb an Curtilium Manciam, der die Armee am Ober-Rheine
commandirete, daß er über den Fluß gehen, und von selbiger Seiten die Teutschen in
2

Furcht
* [Beginn Spaltensatz] §. XXXIII. * tacitvs Ann. L. XIII. c. 54.
1 §. XXXIV. 1. Conf. menso altingivs L.
c. Tab. II. & p.
6. Er meynet der Name Amsibari,
Amsivarii, &c.
komme von dem Teutschen Worte
Ems-Bauern her.
2 tacit. A. L. XIII. c. 55. Eosdem agros Ansibarii
occupauere, ualidior gens, non modo sua copia,
sed adiacentium populorum miseratione: quia pulsi
a Chaucts, & sedis inopes, tutum exsilium orabant.
Aderatque iis clarus per illas gentes, & nobis quoque
fidus, nomine Boiocalus, uinctum se rebellione Che-
rusca, iussu Arminii, referens, mox Tiberio, &
Germanico, ducibus, stipendia meruisse. Quinqua-
ginta annorum obsequio id quoque adiungere, quod
gentem suam ditioni nostrae subiiceret. Quotam
partem campi iacere, in quam pecora & armenta
militum aliquando transmitterentur? Seruarent fane
[Spaltenumbruch] receptus gregibus inter hominum famam; modo ne
vastitatem, & solitudinem, mallent, quam amicos po-
pulos. Chamauorum quondam ea arua, mox Tu-
bantum, & post Vsipiorum, fuisse. Sicut coelum
Diis, ita terras generi mortalium datas, quaeque
uacuae, eas publicas esse. Solem inde despiciens, &
caetera sidera uocans, quasi coram interrogabat,
uellentne contueri inane solum? potius mare super-
funderent aduersus terrarum ereptores. Et commo-
tus his Auitus: patienda meliorum imperia. Id
Diis quos implorarent, placitum, ut arhitrium penes
Romanos maneret, quid durent, quid adimerent:
neque alios iudices, quam se ipsos, paterentur. Haec
in publicum Ansibariis respondit; ipsi Boiocalo, ob
memoriam amicitiae, daturum agros. Quod ille, ut
proditionis pretium, aspernatus addidit: deesse no-
bis terra, in qua viuamus, in qua moriamur, non
potest. Atque ita, infensis utrimque animis, disces-

[Ende Spaltensatz]
sum.

Viertes Buch. Geſchichte der Teutſchen
peii, damit ſie daſelbſt, aus der Menge der Zuſchauer, von der Anzahl der Einwoh-
ner, moͤchten urtheilen koͤnnen. Die beyden Frieſiſchen Printzen ſahen nicht ſo be-
gierig auf das Schauſpiel ſelbſt, als auf die Zuſchauer, und lieſſen ſich erklaͤren,
wer in Cavea, wo die aus dem Rath, und die von der Ritterſchafft ſaͤſſen: und
als ſie einige fremde mitten unter dem Rathe ſitzen ſahen, frageten ſie, wie ſelbige
dahin kaͤmen? Als man ihnen nun erklaͤrete, daß es auslaͤndiſche Geſandten waͤ-
ren, und daß einigen Voͤlckern wegen ihrer Tugenden, oder Freundſchafft gegen
die Roͤmer, dergleichen Ehre zugeſtanden wuͤrde; gingen ſie von ihrer Stellen, ſag-
ten uͤberlaut, es uͤbertraͤffe kein Volck in der Welt die Teutſchen an Tapfferkeit,
und Ehrlichkeit, und ſetzeten ſich gleichfalls unter die Herren des Raths, die ihnen
um ſo viel williger Platz machten, ie neuer ihnen dergleichen ruhmbegierige Dreu-
ſtigkeit vorkam. Sie wurden auch bey Hofe, fuͤr ihre Perſon, wohl gehalten. Ne-
ro
gab beyden das Roͤmiſche Buͤrger-Recht. Aber die Haupt-Sache ward ih-
nen abgeſchlagen, und da die Frieſen dennoch nicht gleich weichen wollten, ſchickete
Avitus die fremde Reuterey ihnen uͤber den Hals, die ſie mit Gewalt dazu
noͤthigte.*

XXXIV. Das Land kriegte aber bald neuen Anſpruch von den Anſiba-
Die Anſibarii
werden ver-
tilget.
riern, ſo eben von den Chaucen, aus ihrem Vaterlande, am rechten Ufer der Ems1,
vertrieben waren, und andere Wohnung ſuchen muſten. Boiocalus der ſie an-
fuͤhrete, hoffete, dieſes, wegen ſeiner den Roͤmern geleiſteten langen Dienſte, deſto
eher zu erlangen. Avitus ſchlug es ab, und both zwar Boiocalo in geheim an,
daß er, fuͤr ſich, und ſein Haus, ſo viel Land, als er brauche, haben ſollte: aber
Boiocalus war zu ehrlich, als daß er, um ſeines eigenen Vortheils halber, ein
Volck, ſo ſich ihm anvertrauet, haͤtte verlaſſen ſollen. Er wollte alſo verſuchen,
ſich mit Gewalt feſte zu ſetzen, wozu die Bructerer, Tenchterer, und andere benach-
barte Voͤlcker ihm ihre Huͤlffe anbothen. Avitus aber daͤmpffete gleich die erſten
Funcken. Er ſchrieb an Curtilium Manciam, der die Armee am Ober-Rheine
commandirete, daß er uͤber den Fluß gehen, und von ſelbiger Seiten die Teutſchen in
2

Furcht
* [Beginn Spaltensatz] §. XXXIII. * tacitvs Ann. L. XIII. c. 54.
1 §. XXXIV. 1. Conf. menso altingivs L.
c. Tab. II. & p.
6. Er meynet der Name Amſibari,
Amſivarii, &c.
komme von dem Teutſchen Worte
Ems-Bauern her.
2 tacit. A. L. XIII. c. 55. Eosdem agros Anſibarii
occupauere, ualidior gens, non modo ſua copia,
ſed adiacentium populorum miſeratione: quia pulſi
a Chaucts, & ſedis inopes, tutum exſilium orabant.
Aderatque iis clarus per illas gentes, & nobis quoque
fidus, nomine Boiocalus, uinctum ſe rebellione Che-
ruſca, iuſſu Arminii, referens, mox Tiberio, &
Germanico, ducibus, ſtipendia meruiſſe. Quinqua-
ginta annorum obſequio id quoque adiungere, quod
gentem ſuam ditioni noſtrae ſubiiceret. Quotam
partem campi iacere, in quam pecora & armenta
militum aliquando transmitterentur? Seruarent fane
[Spaltenumbruch] receptus gregibus inter hominum famam; modo ne
vaſtitatem, & ſolitudinem, mallent, quam amicos po-
pulos. Chamauorum quondam ea arua, mox Tu-
bantum, & poſt Vſipiorum, fuiſſe. Sicut coelum
Diis, ita terras generi mortalium datas, quaeque
uacuae, eas publicas eſſe. Solem inde deſpiciens, &
caetera ſidera uocans, quaſi coram interrogabat,
uellentne contueri inane ſolum? potius mare ſuper-
funderent aduerſus terrarum ereptores. Et commo-
tus his Auitus: patienda meliorum imperia. Id
Diis quos implorarent, placitum, ut arhitrium penes
Romanos maneret, quid durent, quid adimerent:
neque alios iudices, quam ſe ipſos, paterentur. Haec
in publicum Anſibariis reſpondit; ipſi Boiocalo, ob
memoriam amicitiae, daturum agros. Quod ille, ut
proditionis pretium, aſpernatus addidit: deeſſe no-
bis terra, in qua viuamus, in qua moriamur, non
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[114/0148] Viertes Buch. Geſchichte der Teutſchen peii, damit ſie daſelbſt, aus der Menge der Zuſchauer, von der Anzahl der Einwoh- ner, moͤchten urtheilen koͤnnen. Die beyden Frieſiſchen Printzen ſahen nicht ſo be- gierig auf das Schauſpiel ſelbſt, als auf die Zuſchauer, und lieſſen ſich erklaͤren, wer in Cavea, wo die aus dem Rath, und die von der Ritterſchafft ſaͤſſen: und als ſie einige fremde mitten unter dem Rathe ſitzen ſahen, frageten ſie, wie ſelbige dahin kaͤmen? Als man ihnen nun erklaͤrete, daß es auslaͤndiſche Geſandten waͤ- ren, und daß einigen Voͤlckern wegen ihrer Tugenden, oder Freundſchafft gegen die Roͤmer, dergleichen Ehre zugeſtanden wuͤrde; gingen ſie von ihrer Stellen, ſag- ten uͤberlaut, es uͤbertraͤffe kein Volck in der Welt die Teutſchen an Tapfferkeit, und Ehrlichkeit, und ſetzeten ſich gleichfalls unter die Herren des Raths, die ihnen um ſo viel williger Platz machten, ie neuer ihnen dergleichen ruhmbegierige Dreu- ſtigkeit vorkam. Sie wurden auch bey Hofe, fuͤr ihre Perſon, wohl gehalten. Ne- ro gab beyden das Roͤmiſche Buͤrger-Recht. Aber die Haupt-Sache ward ih- nen abgeſchlagen, und da die Frieſen dennoch nicht gleich weichen wollten, ſchickete Avitus die fremde Reuterey ihnen uͤber den Hals, die ſie mit Gewalt dazu noͤthigte. * XXXIV. Das Land kriegte aber bald neuen Anſpruch von den Anſiba- riern, ſo eben von den Chaucen, aus ihrem Vaterlande, am rechten Ufer der Ems 1, vertrieben waren, und andere Wohnung ſuchen muſten. Boiocalus der ſie an- fuͤhrete, hoffete, dieſes, wegen ſeiner den Roͤmern geleiſteten langen Dienſte, deſto eher zu erlangen. Avitus ſchlug es ab, und both zwar Boiocalo in geheim an, daß er, fuͤr ſich, und ſein Haus, ſo viel Land, als er brauche, haben ſollte: aber Boiocalus war zu ehrlich, als daß er, um ſeines eigenen Vortheils halber, ein Volck, ſo ſich ihm anvertrauet, haͤtte verlaſſen ſollen. Er wollte alſo verſuchen, ſich mit Gewalt feſte zu ſetzen, wozu die Bructerer, Tenchterer, und andere benach- barte Voͤlcker ihm ihre Huͤlffe anbothen. Avitus aber daͤmpffete gleich die erſten Funcken. Er ſchrieb an Curtilium Manciam, der die Armee am Ober-Rheine commandirete, daß er uͤber den Fluß gehen, und von ſelbiger Seiten die Teutſchen in Furcht 2 Die Anſibarii werden ver- tilget. * §. XXXIII. * tacitvs Ann. L. XIII. c. 54. 1 §. XXXIV. 1. Conf. menso altingivs L. c. Tab. II. & p. 6. Er meynet der Name Amſibari, Amſivarii, &c. komme von dem Teutſchen Worte Ems-Bauern her. 2 tacit. A. L. XIII. c. 55. Eosdem agros Anſibarii occupauere, ualidior gens, non modo ſua copia, ſed adiacentium populorum miſeratione: quia pulſi a Chaucts, & ſedis inopes, tutum exſilium orabant. Aderatque iis clarus per illas gentes, & nobis quoque fidus, nomine Boiocalus, uinctum ſe rebellione Che- ruſca, iuſſu Arminii, referens, mox Tiberio, & Germanico, ducibus, ſtipendia meruiſſe. Quinqua- ginta annorum obſequio id quoque adiungere, quod gentem ſuam ditioni noſtrae ſubiiceret. Quotam partem campi iacere, in quam pecora & armenta militum aliquando transmitterentur? Seruarent fane receptus gregibus inter hominum famam; modo ne vaſtitatem, & ſolitudinem, mallent, quam amicos po- pulos. Chamauorum quondam ea arua, mox Tu- bantum, & poſt Vſipiorum, fuiſſe. Sicut coelum Diis, ita terras generi mortalium datas, quaeque uacuae, eas publicas eſſe. Solem inde deſpiciens, & caetera ſidera uocans, quaſi coram interrogabat, uellentne contueri inane ſolum? potius mare ſuper- funderent aduerſus terrarum ereptores. Et commo- tus his Auitus: patienda meliorum imperia. Id Diis quos implorarent, placitum, ut arhitrium penes Romanos maneret, quid durent, quid adimerent: neque alios iudices, quam ſe ipſos, paterentur. Haec in publicum Anſibariis reſpondit; ipſi Boiocalo, ob memoriam amicitiae, daturum agros. Quod ille, ut proditionis pretium, aſpernatus addidit: deeſſe no- bis terra, in qua viuamus, in qua moriamur, non poteſt. Atque ita, infenſis utrimque animis, diſceſ- ſum.

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Zitationshilfe: Mascov, Johann Jakob: Geschichte der Teutschen. Bd. 1. Leipzig, 1726, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mascov_geschichte01_1726/148>, abgerufen am 24.11.2024.