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Mascov, Johann Jakob: Geschichte der Teutschen. Bd. 1. Leipzig, 1726.

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Andres Buch. Kriege der Teutschen
re Schilder über den Köpfen so fest an einander hielten, daß sie gleichsam ein
Dach, da kein Schwerdt durchgieng, ausmachten, und selbst immer mit ihren Spies-
sen eindrungen. Aber die Römischen Soldaten hatten das Hertz und Geschicklich-
keit, oben auf die Schilder zu springen, sie von einander zu reissen, und von oben ein-
zuhauen, 4 bis sie die Glieder brechen, und ihren Landsleuten Platz machen konten.
Der rechte Flügel der Teutschen ward zuerst zu weichen genöthiget; aber der lin-
cke, hätte den Römischen rechten übern Hauffen geworffen, wenn nicht P. Crassus
mit der Reuterey, die das dritte Heer ausmachte, dazu gekommen wäre. Dieser
brachte die Römer wieder zu Stande, und die Teutschen wurden völlig in die
Flucht geschlagen, von der sie weder die Wagenburg, noch das Wehklagen ihrer
Weiber, und Kinder abhalten konnte. Die Römer verfolgten die Flüchtlinge bis
an den Rhein. 5 Einige retteten sich mit schwimmen, andere, und selbst Ariovist, setz-
ten auf Nachen über den Fluß. Hin und wieder mögen etliche den Nachsetzenden
entwischet seyn, das meiste aber ward von den Römern gefangen, oder umgebracht:
welches letztere die beyde Gemahlinnen des Königes Ariouisti traff. Die eine war
aus Schvevischem Geblüth, und hatte ihn geheyrathet, ehe er noch über den
Rhein gegangen war: Die andre war des Norischen Königs Voccionis
Schwester, und war von diesem ihrem Bruder, der sich durch solche Schwäger-
schafft in Ansehen zu setzen gedachte, Ariouisto, als er bereits in Gallien gestanden,
vermählet worden. Denn ob gleich die alten Teutschen sich insgemein nur mit ei-
nem Weibe zu verheyrathen pflegten, so nahmen doch die Fürsten bisweilen, wenn
ein besonderer Staats-Vortheil zu hoffen war, mehr als eine Gemahlin. 6 Cae-
sar
selbst, befreyete seinen Freund M. Valerium Procillum, indem er den Flüch-
tigen nachsetzte, einen vornehmen Gallier, von der Gefahr, die ihm die Teutschen
androheten. Weil er von ihm versichert, daß er gut Römisch gesinnet wäre, hatte
er ihn nach der letzten Unterredung zu Ariouisto, als Gesandten geschicket,
in Ansehung, daß er mit demselben, der die Gallische Sprache durch langen
Umgang gelernet hatte, ohne Dolmetscher reden konnte. 7 Aber Ariovist hatte

ihn
4 [Beginn Spaltensatz] Dieser Umstand scheinet fast unglaublich. cae-
sar
L. I. c.
52. erzehlet ihn mit folgenden Worten:
At Germani celeriter, ex consuetudine sua, phalan-
ge facta impetus gladiorum exceperunt. Reperti sunt
complures nostri milites, qui in phalangas insilirent
& scuta manibus reuellerent, & desuper uulnerarent.
5 Jn einigen alten Editionen heist es bey dem
caesare L. I. c. 53. Neque prius fugere de-
stiterunt, quam ad flumen Rhenum, millia passuum
ex eo loco circiter QVINQVE peruenerunt:
daraus
b. rhenanvs schliessen wollen, das Treffen wä-
re nicht weit von Basel gehalten worden. Er spricht
L. I. Rer. Germanicar. cap. de Maxima Sequano-
rum: Caesar, in Sequanis cum Ariouisto conflixit,
quae pugna ad D. Apollinaris facta putatur. Is lo-
cus milliario Germanico a Rheno & Basilea distat.

Aber da cellarivs in seiner Dissertation de
bello Iul. Caesaris aduersus Ariouistum
§. 17. be-
reits erwiesen, daß solcher Zahl beym Caesare nicht
[Spaltenumbruch] zu trauen, und in den neuesten Editionen qvinqva-
ginta
gelesen wird, so ist wegen des Orts nichts
auszumachen, ausser daß er scheint nordlicher, als Rhe-
nanus
muthmasset, gelegen zu haben; weil die Leuci,
und Lingones, Caesari Proviant zuführen müssen.
6 tacitvs de M. G. c. 8. Prope soli barba-
rorum singulis uxoribus contenti sunt, exceptis ad-
modum paucis, qui non libidine, sed ob nobilitatem,
pluribus nuptiis ambiuntur.
7 caesar L. I. c. 47. Commodissimum ui-
sum est, C. Valerium Procillum, C. Valerii Cabari
filium, summa uirtute & humanitate adolescentem,
cuius pater a C. Valerio Flacco ciuitate donatus
erat, & propter fidem, & propter linguae Gallicae
scientiam, qua multa iam Ariouistus, longinqua
consuetudine utebatur, & quod in eo peccandi Germa-
nis caussa non esset, ad eum mittere.
Welche Stelle
ziemlich deutlich an die Hand giebet, wie weit die Cel-
tische Sprache von der Teutschen, so Ariouistus
[Ende Spaltensatz]
gere-

Andres Buch. Kriege der Teutſchen
re Schilder uͤber den Koͤpfen ſo feſt an einander hielten, daß ſie gleichſam ein
Dach, da kein Schwerdt durchgieng, ausmachten, und ſelbſt im̃er mit ihren Spieſ-
ſen eindrungen. Aber die Roͤmiſchen Soldaten hatten das Hertz und Geſchicklich-
keit, oben auf die Schilder zu ſpringen, ſie von einander zu reiſſen, und von oben ein-
zuhauen, 4 bis ſie die Glieder brechen, und ihren Landsleuten Platz machen konten.
Der rechte Fluͤgel der Teutſchen ward zuerſt zu weichen genoͤthiget; aber der lin-
cke, haͤtte den Roͤmiſchen rechten uͤbern Hauffen geworffen, wenn nicht P. Craſſus
mit der Reuterey, die das dritte Heer ausmachte, dazu gekommen waͤre. Dieſer
brachte die Roͤmer wieder zu Stande, und die Teutſchen wurden voͤllig in die
Flucht geſchlagen, von der ſie weder die Wagenburg, noch das Wehklagen ihrer
Weiber, und Kinder abhalten konnte. Die Roͤmer verfolgten die Fluͤchtlinge bis
an den Rhein. 5 Einige retteten ſich mit ſchwimmen, andere, und ſelbſt Arioviſt, ſetz-
ten auf Nachen uͤber den Fluß. Hin und wieder moͤgen etliche den Nachſetzenden
entwiſchet ſeyn, das meiſte aber ward von den Roͤmern gefangen, oder umgebracht:
welches letztere die beyde Gemahlinnen des Koͤniges Ariouiſti traff. Die eine war
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Rhein gegangen war: Die andre war des Noriſchen Koͤnigs Voccionis
Schweſter, und war von dieſem ihrem Bruder, der ſich durch ſolche Schwaͤger-
ſchafft in Anſehen zu ſetzen gedachte, Ariouiſto, als er bereits in Gallien geſtanden,
vermaͤhlet worden. Denn ob gleich die alten Teutſchen ſich insgemein nur mit ei-
nem Weibe zu verheyrathen pflegten, ſo nahmen doch die Fuͤrſten bisweilen, wenn
ein beſonderer Staats-Vortheil zu hoffen war, mehr als eine Gemahlin. 6 Cae-
ſar
ſelbſt, befreyete ſeinen Freund M. Valerium Procillum, indem er den Fluͤch-
tigen nachſetzte, einen vornehmen Gallier, von der Gefahr, die ihm die Teutſchen
androheten. Weil er von ihm verſichert, daß er gut Roͤmiſch geſinnet waͤre, hatte
er ihn nach der letzten Unterredung zu Ariouiſto, als Geſandten geſchicket,
in Anſehung, daß er mit demſelben, der die Galliſche Sprache durch langen
Umgang gelernet hatte, ohne Dolmetſcher reden konnte. 7 Aber Arioviſt hatte

ihn
4 [Beginn Spaltensatz] Dieſer Umſtand ſcheinet faſt unglaublich. cae-
sar
L. I. c.
52. erzehlet ihn mit folgenden Worten:
At Germani celeriter, ex conſuetudine ſua, phalan-
ge facta impetus gladiorum exceperunt. Reperti ſunt
complures noſtri milites, qui in phalangas inſilirent
& ſcuta manibus reuellerent, & deſuper uulnerarent.
5 Jn einigen alten Editionen heiſt es bey dem
caesare L. I. c. 53. Neque prius fugere de-
ſtiterunt, quam ad flumen Rhenum, millia paſſuum
ex eo loco circiter QVINQVE peruenerunt:
daraus
b. rhenanvs ſchlieſſen wollen, das Treffen waͤ-
re nicht weit von Baſel gehalten worden. Er ſpricht
L. I. Rer. Germanicar. cap. de Maxima Sequano-
rum: Caeſar, in Sequanis cum Ariouiſto conflixit,
quae pugna ad D. Apollinaris facta putatur. Is lo-
cus milliario Germanico a Rheno & Baſilea diſtat.

Aber da cellarivs in ſeiner Diſſertation de
bello Iul. Caeſaris aduerſus Ariouiſtum
§. 17. be-
reits erwieſen, daß ſolcher Zahl beym Caeſare nicht
[Spaltenumbruch] zu trauen, und in den neueſten Editionen qvinqva-
ginta
geleſen wird, ſo iſt wegen des Orts nichts
auszumachen, auſſer daß er ſcheint nordlicher, als Rhe-
nanus
muthmaſſet, gelegen zu haben; weil die Leuci,
und Lingones, Caeſari Proviant zufuͤhren muͤſſen.
6 tacitvs de M. G. c. 8. Prope ſoli barba-
rorum ſingulis uxoribus contenti ſunt, exceptis ad-
modum paucis, qui non libidine, ſed ob nobilitatem,
pluribus nuptiis ambiuntur.
7 caesar L. I. c. 47. Commodiſſimum ui-
ſum eſt, C. Valerium Procillum, C. Valerii Cabari
filium, ſumma uirtute & humanitate adoleſcentem,
cuius pater a C. Valerio Flacco ciuitate donatus
erat, & propter fidem, & propter linguae Gallicae
ſcientiam, qua multa iam Ariouiſtus, longinqua
conſuetudine utebatur, & quod in eo peccandi Germa-
nis cauſſa non eſſet, ad eum mittere.
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ziemlich deutlich an die Hand giebet, wie weit die Cel-
tiſche Sprache von der Teutſchen, ſo Ariouiſtus
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[24/0058] Andres Buch. Kriege der Teutſchen re Schilder uͤber den Koͤpfen ſo feſt an einander hielten, daß ſie gleichſam ein Dach, da kein Schwerdt durchgieng, ausmachten, und ſelbſt im̃er mit ihren Spieſ- ſen eindrungen. Aber die Roͤmiſchen Soldaten hatten das Hertz und Geſchicklich- keit, oben auf die Schilder zu ſpringen, ſie von einander zu reiſſen, und von oben ein- zuhauen, 4 bis ſie die Glieder brechen, und ihren Landsleuten Platz machen konten. Der rechte Fluͤgel der Teutſchen ward zuerſt zu weichen genoͤthiget; aber der lin- cke, haͤtte den Roͤmiſchen rechten uͤbern Hauffen geworffen, wenn nicht P. Craſſus mit der Reuterey, die das dritte Heer ausmachte, dazu gekommen waͤre. Dieſer brachte die Roͤmer wieder zu Stande, und die Teutſchen wurden voͤllig in die Flucht geſchlagen, von der ſie weder die Wagenburg, noch das Wehklagen ihrer Weiber, und Kinder abhalten konnte. Die Roͤmer verfolgten die Fluͤchtlinge bis an den Rhein. 5 Einige retteten ſich mit ſchwimmen, andere, und ſelbſt Arioviſt, ſetz- ten auf Nachen uͤber den Fluß. Hin und wieder moͤgen etliche den Nachſetzenden entwiſchet ſeyn, das meiſte aber ward von den Roͤmern gefangen, oder umgebracht: welches letztere die beyde Gemahlinnen des Koͤniges Ariouiſti traff. Die eine war aus Schveviſchem Gebluͤth, und hatte ihn geheyrathet, ehe er noch uͤber den Rhein gegangen war: Die andre war des Noriſchen Koͤnigs Voccionis Schweſter, und war von dieſem ihrem Bruder, der ſich durch ſolche Schwaͤger- ſchafft in Anſehen zu ſetzen gedachte, Ariouiſto, als er bereits in Gallien geſtanden, vermaͤhlet worden. Denn ob gleich die alten Teutſchen ſich insgemein nur mit ei- nem Weibe zu verheyrathen pflegten, ſo nahmen doch die Fuͤrſten bisweilen, wenn ein beſonderer Staats-Vortheil zu hoffen war, mehr als eine Gemahlin. 6 Cae- ſar ſelbſt, befreyete ſeinen Freund M. Valerium Procillum, indem er den Fluͤch- tigen nachſetzte, einen vornehmen Gallier, von der Gefahr, die ihm die Teutſchen androheten. Weil er von ihm verſichert, daß er gut Roͤmiſch geſinnet waͤre, hatte er ihn nach der letzten Unterredung zu Ariouiſto, als Geſandten geſchicket, in Anſehung, daß er mit demſelben, der die Galliſche Sprache durch langen Umgang gelernet hatte, ohne Dolmetſcher reden konnte. 7 Aber Arioviſt hatte ihn 4 Dieſer Umſtand ſcheinet faſt unglaublich. cae- sar L. I. c. 52. erzehlet ihn mit folgenden Worten: At Germani celeriter, ex conſuetudine ſua, phalan- ge facta impetus gladiorum exceperunt. Reperti ſunt complures noſtri milites, qui in phalangas inſilirent & ſcuta manibus reuellerent, & deſuper uulnerarent. 5 Jn einigen alten Editionen heiſt es bey dem caesare L. I. c. 53. Neque prius fugere de- ſtiterunt, quam ad flumen Rhenum, millia paſſuum ex eo loco circiter QVINQVE peruenerunt: daraus b. rhenanvs ſchlieſſen wollen, das Treffen waͤ- re nicht weit von Baſel gehalten worden. Er ſpricht L. I. Rer. Germanicar. cap. de Maxima Sequano- rum: Caeſar, in Sequanis cum Ariouiſto conflixit, quae pugna ad D. Apollinaris facta putatur. Is lo- cus milliario Germanico a Rheno & Baſilea diſtat. Aber da cellarivs in ſeiner Diſſertation de bello Iul. Caeſaris aduerſus Ariouiſtum §. 17. be- reits erwieſen, daß ſolcher Zahl beym Caeſare nicht zu trauen, und in den neueſten Editionen qvinqva- ginta geleſen wird, ſo iſt wegen des Orts nichts auszumachen, auſſer daß er ſcheint nordlicher, als Rhe- nanus muthmaſſet, gelegen zu haben; weil die Leuci, und Lingones, Caeſari Proviant zufuͤhren muͤſſen. 6 tacitvs de M. G. c. 8. Prope ſoli barba- rorum ſingulis uxoribus contenti ſunt, exceptis ad- modum paucis, qui non libidine, ſed ob nobilitatem, pluribus nuptiis ambiuntur. 7 caesar L. I. c. 47. Commodiſſimum ui- ſum eſt, C. Valerium Procillum, C. Valerii Cabari filium, ſumma uirtute & humanitate adoleſcentem, cuius pater a C. Valerio Flacco ciuitate donatus erat, & propter fidem, & propter linguae Gallicae ſcientiam, qua multa iam Ariouiſtus, longinqua conſuetudine utebatur, & quod in eo peccandi Germa- nis cauſſa non eſſet, ad eum mittere. Welche Stelle ziemlich deutlich an die Hand giebet, wie weit die Cel- tiſche Sprache von der Teutſchen, ſo Ariouiſtus gere-

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Zitationshilfe: Mascov, Johann Jakob: Geschichte der Teutschen. Bd. 1. Leipzig, 1726, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mascov_geschichte01_1726/58>, abgerufen am 24.11.2024.