ich konnte mich, wenigstens für einige Stunden, zur Ruhe legen, die ich denn auch in einem sehr tiefen, traumlosen Schlafe genoß. Ich erwachte nicht von selbst aus dem- selben, sondern es weckte mich eine sehr laute, hastige Stimme:
"Effendi! Emir! Wache auf! Schnell!"
Ich blickte von meinem Lager empor. Selim Agha stand vor mir, ohne Oberkleid und Turban. Die Scheitel- locke hing ihm schreckensmatt in das Gesicht hinab; der Schnurrbart sträubte sich voll Entsetzen zu ihr empor, und die von dem genossenen Weine noch trüben Augen versuchten ein Rollen, welches sehr unglücklich ausfiel.
"Was giebt es?" fragte ich sehr ruhig.
"Erhebe dich! Es ist etwas Entsetzliches geschehen!"
Erst nach und nach brachte ich aus ihm heraus, daß der Mutesselim die Flucht des jungen Arabers entdeckt habe und nun in fürchterlicher Wut sei. Der geängstigte Agha bat mich inständig, mit ihm in das Gefängnis zu gehen und den Mutesselim zu beschwichtigen.
In kurzer Zeit befanden wir uns auf dem Wege. Unter der Gefängnisthüre wartete der Mutesselim auf den Agha. Er dachte gar nicht daran, mich zu begrüßen, sondern faßte Selim beim Arme und zog ihn in den Gang hinein, in welchem die zitternden Wächter standen.
"Unglücklicher, was hast du gethan!" brüllte er ihn an.
"Ich, Herr? Nichts, gar nichts habe ich gethan!"
"Das ist ja eben dein Verbrechen, daß du nichts, gar nichts gethan hast! Du hast nicht aufgepaßt!"
"Wo sollte ich aufpassen, Effendi?"
"Hier im Gefängnisse natürlich!"
"Ich konnte ja nicht herein!"
Der Mutesselim starrte ihn an. Dieser Gedanke schien ihm noch gar nicht gekommen zu sein.
ich konnte mich, wenigſtens für einige Stunden, zur Ruhe legen, die ich denn auch in einem ſehr tiefen, traumloſen Schlafe genoß. Ich erwachte nicht von ſelbſt aus dem- ſelben, ſondern es weckte mich eine ſehr laute, haſtige Stimme:
„Effendi! Emir! Wache auf! Schnell!“
Ich blickte von meinem Lager empor. Selim Agha ſtand vor mir, ohne Oberkleid und Turban. Die Scheitel- locke hing ihm ſchreckensmatt in das Geſicht hinab; der Schnurrbart ſträubte ſich voll Entſetzen zu ihr empor, und die von dem genoſſenen Weine noch trüben Augen verſuchten ein Rollen, welches ſehr unglücklich ausfiel.
„Was giebt es?“ fragte ich ſehr ruhig.
„Erhebe dich! Es iſt etwas Entſetzliches geſchehen!“
Erſt nach und nach brachte ich aus ihm heraus, daß der Muteſſelim die Flucht des jungen Arabers entdeckt habe und nun in fürchterlicher Wut ſei. Der geängſtigte Agha bat mich inſtändig, mit ihm in das Gefängnis zu gehen und den Muteſſelim zu beſchwichtigen.
In kurzer Zeit befanden wir uns auf dem Wege. Unter der Gefängnisthüre wartete der Muteſſelim auf den Agha. Er dachte gar nicht daran, mich zu begrüßen, ſondern faßte Selim beim Arme und zog ihn in den Gang hinein, in welchem die zitternden Wächter ſtanden.
„Unglücklicher, was haſt du gethan!“ brüllte er ihn an.
„Ich, Herr? Nichts, gar nichts habe ich gethan!“
„Das iſt ja eben dein Verbrechen, daß du nichts, gar nichts gethan haſt! Du haſt nicht aufgepaßt!“
„Wo ſollte ich aufpaſſen, Effendi?“
„Hier im Gefängniſſe natürlich!“
„Ich konnte ja nicht herein!“
Der Muteſſelim ſtarrte ihn an. Dieſer Gedanke ſchien ihm noch gar nicht gekommen zu ſein.
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ich konnte mich, wenigſtens für einige Stunden, zur Ruhe
legen, die ich denn auch in einem ſehr tiefen, traumloſen
Schlafe genoß. Ich erwachte nicht von ſelbſt aus dem-
ſelben, ſondern es weckte mich eine ſehr laute, haſtige
Stimme:
„Effendi! Emir! Wache auf! Schnell!“
Ich blickte von meinem Lager empor. Selim Agha
ſtand vor mir, ohne Oberkleid und Turban. Die Scheitel-
locke hing ihm ſchreckensmatt in das Geſicht hinab; der
Schnurrbart ſträubte ſich voll Entſetzen zu ihr empor,
und die von dem genoſſenen Weine noch trüben Augen
verſuchten ein Rollen, welches ſehr unglücklich ausfiel.
„Was giebt es?“ fragte ich ſehr ruhig.
„Erhebe dich! Es iſt etwas Entſetzliches geſchehen!“
Erſt nach und nach brachte ich aus ihm heraus, daß
der Muteſſelim die Flucht des jungen Arabers entdeckt
habe und nun in fürchterlicher Wut ſei. Der geängſtigte
Agha bat mich inſtändig, mit ihm in das Gefängnis zu
gehen und den Muteſſelim zu beſchwichtigen.
In kurzer Zeit befanden wir uns auf dem Wege.
Unter der Gefängnisthüre wartete der Muteſſelim auf den
Agha. Er dachte gar nicht daran, mich zu begrüßen,
ſondern faßte Selim beim Arme und zog ihn in den Gang
hinein, in welchem die zitternden Wächter ſtanden.
„Unglücklicher, was haſt du gethan!“ brüllte er ihn an.
„Ich, Herr? Nichts, gar nichts habe ich gethan!“
„Das iſt ja eben dein Verbrechen, daß du nichts, gar
nichts gethan haſt! Du haſt nicht aufgepaßt!“
„Wo ſollte ich aufpaſſen, Effendi?“
„Hier im Gefängniſſe natürlich!“
„Ich konnte ja nicht herein!“
Der Muteſſelim ſtarrte ihn an. Dieſer Gedanke
ſchien ihm noch gar nicht gekommen zu ſein.
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/340>, abgerufen am 23.12.2024.
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