Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].

Bild:
<< vorherige Seite

"Wer war es?" fragte der Engländer.

"Der Besitzer dieses Hauses."

"Was will er da oben?"

"Er that, als habe er geschlafen."

"Nicht geschlafen! Kenne den Kerl! War derselbe,
welcher fortritt. Ihr konntet das nicht bemerken, weil
Ihr mit dem Schießen zu thun hattet. Yes!"

"So ist es sicher, daß man eine feindselige Absicht
hegt!"

"Denke es auch. Aber welche?"

"Unser Leben wollen sie nicht, aber unser Eigentum."

"Kerl wird hinaufgestiegen sein, um zu sehen, wann
wir schlafen. Dann giebt er Zeichen, andere kommen,
holen Pferde und alles."

Derselben Ansicht waren auch die anderen Gefährten.
Es war jetzt vollständig dunkel in den beiden Stuben,
so daß man nicht erkennen konnte, ob man von dem Dache
aus auch in das Innere des Hauses gelangen könne;
doch schien mir dies wahrscheinlich zu sein. Schon stand
ich im Begriff, aus Mangel an irgend einer Beleuchtung
ein Stück Holz anzubrennen, als draußen an den Ein-
gang geklopft wurde. Ich ging hinaus und öffnete. Der
Nezanum war es mit noch zwei Männern, welche Essen,
Wasser und zwei Kerzen brachten. Die Kerzen waren sehr
roh aus ungereinigtem Wachs bereitet und konnten nur
wenig Helligkeit verbreiten. Ich zündete eine derselben an.

Noch hatte keiner der drei Männer ein anderes Wort
gesprochen als die Namen der Gegenstände, welche sie auf
den Lehmboden legten. Nun aber fragte ich den Dorfvorsteher:

"Ich fand einen Mann auf dem Dache. War es
wirklich der Besitzer dieses Hauses?"

"Ja," antwortete er einsilbig.

"Was wollte er oben?"

„Wer war es?“ fragte der Engländer.

„Der Beſitzer dieſes Hauſes.“

„Was will er da oben?“

„Er that, als habe er geſchlafen.“

„Nicht geſchlafen! Kenne den Kerl! War derſelbe,
welcher fortritt. Ihr konntet das nicht bemerken, weil
Ihr mit dem Schießen zu thun hattet. Yes!

„So iſt es ſicher, daß man eine feindſelige Abſicht
hegt!“

„Denke es auch. Aber welche?“

„Unſer Leben wollen ſie nicht, aber unſer Eigentum.“

„Kerl wird hinaufgeſtiegen ſein, um zu ſehen, wann
wir ſchlafen. Dann giebt er Zeichen, andere kommen,
holen Pferde und alles.“

Derſelben Anſicht waren auch die anderen Gefährten.
Es war jetzt vollſtändig dunkel in den beiden Stuben,
ſo daß man nicht erkennen konnte, ob man von dem Dache
aus auch in das Innere des Hauſes gelangen könne;
doch ſchien mir dies wahrſcheinlich zu ſein. Schon ſtand
ich im Begriff, aus Mangel an irgend einer Beleuchtung
ein Stück Holz anzubrennen, als draußen an den Ein-
gang geklopft wurde. Ich ging hinaus und öffnete. Der
Nezanum war es mit noch zwei Männern, welche Eſſen,
Waſſer und zwei Kerzen brachten. Die Kerzen waren ſehr
roh aus ungereinigtem Wachs bereitet und konnten nur
wenig Helligkeit verbreiten. Ich zündete eine derſelben an.

Noch hatte keiner der drei Männer ein anderes Wort
geſprochen als die Namen der Gegenſtände, welche ſie auf
den Lehmboden legten. Nun aber fragte ich den Dorfvorſteher:

„Ich fand einen Mann auf dem Dache. War es
wirklich der Beſitzer dieſes Hauſes?“

„Ja,“ antwortete er einſilbig.

„Was wollte er oben?“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0400" n="386"/>
        <p>&#x201E;Wer war es?&#x201C; fragte der Engländer.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Der Be&#x017F;itzer die&#x017F;es Hau&#x017F;es.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Was will er da oben?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Er that, als habe er ge&#x017F;chlafen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nicht ge&#x017F;chlafen! Kenne den Kerl! War der&#x017F;elbe,<lb/>
welcher fortritt. Ihr konntet das nicht bemerken, weil<lb/>
Ihr mit dem Schießen zu thun hattet. <hi rendition="#aq">Yes!</hi>&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;So i&#x017F;t es &#x017F;icher, daß man eine feind&#x017F;elige Ab&#x017F;icht<lb/>
hegt!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Denke es auch. Aber welche?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Un&#x017F;er Leben wollen &#x017F;ie nicht, aber un&#x017F;er Eigentum.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Kerl wird hinaufge&#x017F;tiegen &#x017F;ein, um zu &#x017F;ehen, wann<lb/>
wir &#x017F;chlafen. Dann giebt er Zeichen, andere kommen,<lb/>
holen Pferde und alles.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der&#x017F;elben An&#x017F;icht waren auch die anderen Gefährten.<lb/>
Es war jetzt voll&#x017F;tändig dunkel in den beiden Stuben,<lb/>
&#x017F;o daß man nicht erkennen konnte, ob man von dem Dache<lb/>
aus auch in das Innere des Hau&#x017F;es gelangen könne;<lb/>
doch &#x017F;chien mir dies wahr&#x017F;cheinlich zu &#x017F;ein. Schon &#x017F;tand<lb/>
ich im Begriff, aus Mangel an irgend einer Beleuchtung<lb/>
ein Stück Holz anzubrennen, als draußen an den Ein-<lb/>
gang geklopft wurde. Ich ging hinaus und öffnete. Der<lb/>
Nezanum war es mit noch zwei Männern, welche E&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er und zwei Kerzen brachten. Die Kerzen waren &#x017F;ehr<lb/>
roh aus ungereinigtem Wachs bereitet und konnten nur<lb/>
wenig Helligkeit verbreiten. Ich zündete eine der&#x017F;elben an.</p><lb/>
        <p>Noch hatte keiner der drei Männer ein anderes Wort<lb/>
ge&#x017F;prochen als die Namen der Gegen&#x017F;tände, welche &#x017F;ie auf<lb/>
den Lehmboden legten. Nun aber fragte ich den Dorfvor&#x017F;teher:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich fand einen Mann auf dem Dache. War es<lb/>
wirklich der Be&#x017F;itzer die&#x017F;es Hau&#x017F;es?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ja,&#x201C; antwortete er ein&#x017F;ilbig.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Was wollte er oben?&#x201C;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[386/0400] „Wer war es?“ fragte der Engländer. „Der Beſitzer dieſes Hauſes.“ „Was will er da oben?“ „Er that, als habe er geſchlafen.“ „Nicht geſchlafen! Kenne den Kerl! War derſelbe, welcher fortritt. Ihr konntet das nicht bemerken, weil Ihr mit dem Schießen zu thun hattet. Yes!“ „So iſt es ſicher, daß man eine feindſelige Abſicht hegt!“ „Denke es auch. Aber welche?“ „Unſer Leben wollen ſie nicht, aber unſer Eigentum.“ „Kerl wird hinaufgeſtiegen ſein, um zu ſehen, wann wir ſchlafen. Dann giebt er Zeichen, andere kommen, holen Pferde und alles.“ Derſelben Anſicht waren auch die anderen Gefährten. Es war jetzt vollſtändig dunkel in den beiden Stuben, ſo daß man nicht erkennen konnte, ob man von dem Dache aus auch in das Innere des Hauſes gelangen könne; doch ſchien mir dies wahrſcheinlich zu ſein. Schon ſtand ich im Begriff, aus Mangel an irgend einer Beleuchtung ein Stück Holz anzubrennen, als draußen an den Ein- gang geklopft wurde. Ich ging hinaus und öffnete. Der Nezanum war es mit noch zwei Männern, welche Eſſen, Waſſer und zwei Kerzen brachten. Die Kerzen waren ſehr roh aus ungereinigtem Wachs bereitet und konnten nur wenig Helligkeit verbreiten. Ich zündete eine derſelben an. Noch hatte keiner der drei Männer ein anderes Wort geſprochen als die Namen der Gegenſtände, welche ſie auf den Lehmboden legten. Nun aber fragte ich den Dorfvorſteher: „Ich fand einen Mann auf dem Dache. War es wirklich der Beſitzer dieſes Hauſes?“ „Ja,“ antwortete er einſilbig. „Was wollte er oben?“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/400
Zitationshilfe: May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/400>, abgerufen am 23.12.2024.