herrn und des Mutessarif bist, so will ich vorher, ehe ich meine ganze Macht entwickle, in Güte mit dir reden. Daß du noch lebst, du und die Deinen, das habt ihr nur meiner Milde und Nachsicht zu verdanken. Nun sage, wer das Recht hat, zu erwarten, daß der andere zu ihm komme, du oder ich!"
Der Kaimakam machte ein ganz erstauntes Gesicht, denn eine solche Ausführung hatte er jedenfalls nicht er- wartet. Er besann sich noch, was er sagen solle; doch der Makredsch, über dessen Stößerphysiognomie es wie ein flammender Grimm zuckte, ergriff das Wort:
"Ali Bey, was wagest du! Du nennst uns Diebe und Mörder, uns, die wir als Vertreter des Padischah und des Generalgouverneur hier sitzen! Nimm dich in acht, sonst wirst du es bereuen!"
Der Bey wandte sich in vollkommenster Ruhe an den Offizier:
"Oberstlieutenant, wer ist dieser Verrückte?"
Der Gefragte machte eine erschrockene Gebärde.
"Wahre deine Zunge, Ali Bey! Dieser Effendi ist der Makredsch von Mossul!"
"Du scherzest! Ein Makredsch muß im Besitze seiner Besinnung sein. Der Makredsch von Mossul hat den Mutessarif zu dem Kriegszuge gegen mich beredet; er würde, wenn er nicht verrückt ist, es nie wagen, zu mir zu kommen; denn er muß wissen, was in diesem Falle seiner wartet!"
"Ich scherze nicht. Er ist es wirklich."
"Ich sehe, daß du weder träumst, noch betrunken bist; darum muß ich dir glauben. Aber bedenke, daß ich nur dich allein zu mir gefordert habe!"
"Er ist mit mir gegangen als Vertreter und Abge- sandter des Mutessarif."
herrn und des Muteſſarif biſt, ſo will ich vorher, ehe ich meine ganze Macht entwickle, in Güte mit dir reden. Daß du noch lebſt, du und die Deinen, das habt ihr nur meiner Milde und Nachſicht zu verdanken. Nun ſage, wer das Recht hat, zu erwarten, daß der andere zu ihm komme, du oder ich!“
Der Kaimakam machte ein ganz erſtauntes Geſicht, denn eine ſolche Ausführung hatte er jedenfalls nicht er- wartet. Er beſann ſich noch, was er ſagen ſolle; doch der Makredſch, über deſſen Stößerphyſiognomie es wie ein flammender Grimm zuckte, ergriff das Wort:
„Ali Bey, was wageſt du! Du nennſt uns Diebe und Mörder, uns, die wir als Vertreter des Padiſchah und des Generalgouverneur hier ſitzen! Nimm dich in acht, ſonſt wirſt du es bereuen!“
Der Bey wandte ſich in vollkommenſter Ruhe an den Offizier:
„Oberſtlieutenant, wer iſt dieſer Verrückte?“
Der Gefragte machte eine erſchrockene Gebärde.
„Wahre deine Zunge, Ali Bey! Dieſer Effendi iſt der Makredſch von Moſſul!“
„Du ſcherzeſt! Ein Makredſch muß im Beſitze ſeiner Beſinnung ſein. Der Makredſch von Moſſul hat den Muteſſarif zu dem Kriegszuge gegen mich beredet; er würde, wenn er nicht verrückt iſt, es nie wagen, zu mir zu kommen; denn er muß wiſſen, was in dieſem Falle ſeiner wartet!“
„Ich ſcherze nicht. Er iſt es wirklich.“
„Ich ſehe, daß du weder träumſt, noch betrunken biſt; darum muß ich dir glauben. Aber bedenke, daß ich nur dich allein zu mir gefordert habe!“
„Er iſt mit mir gegangen als Vertreter und Abge- ſandter des Muteſſarif.“
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herrn und des Muteſſarif biſt, ſo will ich vorher, ehe ich
meine ganze Macht entwickle, in Güte mit dir reden.
Daß du noch lebſt, du und die Deinen, das habt ihr nur
meiner Milde und Nachſicht zu verdanken. Nun ſage, wer
das Recht hat, zu erwarten, daß der andere zu ihm komme,
du oder ich!“
Der Kaimakam machte ein ganz erſtauntes Geſicht,
denn eine ſolche Ausführung hatte er jedenfalls nicht er-
wartet. Er beſann ſich noch, was er ſagen ſolle; doch der
Makredſch, über deſſen Stößerphyſiognomie es wie ein
flammender Grimm zuckte, ergriff das Wort:
„Ali Bey, was wageſt du! Du nennſt uns Diebe
und Mörder, uns, die wir als Vertreter des Padiſchah
und des Generalgouverneur hier ſitzen! Nimm dich in
acht, ſonſt wirſt du es bereuen!“
Der Bey wandte ſich in vollkommenſter Ruhe an den
Offizier:
„Oberſtlieutenant, wer iſt dieſer Verrückte?“
Der Gefragte machte eine erſchrockene Gebärde.
„Wahre deine Zunge, Ali Bey! Dieſer Effendi iſt
der Makredſch von Moſſul!“
„Du ſcherzeſt! Ein Makredſch muß im Beſitze ſeiner
Beſinnung ſein. Der Makredſch von Moſſul hat den
Muteſſarif zu dem Kriegszuge gegen mich beredet; er
würde, wenn er nicht verrückt iſt, es nie wagen, zu mir
zu kommen; denn er muß wiſſen, was in dieſem Falle
ſeiner wartet!“
„Ich ſcherze nicht. Er iſt es wirklich.“
„Ich ſehe, daß du weder träumſt, noch betrunken
biſt; darum muß ich dir glauben. Aber bedenke, daß ich
nur dich allein zu mir gefordert habe!“
„Er iſt mit mir gegangen als Vertreter und Abge-
ſandter des Muteſſarif.“
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/84>, abgerufen am 22.12.2024.
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