Aber richtig ist, dass gerade an dieser Seite der Finanzgewalt, wo es sich um Bestimmung des persönlichen Verhaltens der Unter- thanen handelt, ihre Verwandtschaft mit der Polizei am deutlichsten zu Tage tritt. Denn diese Einwirkung auf die Unterthanen vollzieht sich geradezu in Formen, welche denen der Polizeigewalt entsprechen: Befehl, Strafsetzung, Zwang. Die Regeln, nach welchen diese Begriffe dort sich entfalteten, gelten in weitem Umfange auch hier: es sind gemeinsame Begriffe. Nur haben sie eben hier ihre besondere Aus- prägung ebenso wie dort: sie sind Finanzbefehle, Finanzstrafen, Finanz- zwang.
Das Verhältnis zwischen Finanzbefehl und Finanzstrafe, die uns zunächst angehen, ist dasselbe wie zwischen Polizeibefehl und Polizeistrafe: sie decken sich nicht, gehören aber doch zusammen. Der Finanzbefehl ist nicht notwendig ausgestattet mit einer rechts- satzmässigen Strafdrohung; er hat noch andere Mittel, sich wirksam zu erweisen; wohl aber ist die Strafdrohung das wichtigste. Die Finanzstrafe andererseits ist nicht notwendig auf den Ungehorsam gegen einen Finanzbefehl gesetzt; es findet sich auch hier daneben die unmittelbare Verpönung (oben § 22, I n. 2); aber in dieser liegt, wie dort, zugleich ein rechtliches Nichtsollen ausgesprochen, das dem Befehle verwandte Wirkungen äussert. Eine Norm für den Unter- thanen in diesem allgemeinen Sinne ist beiden gemeinsam.
I. Befehl ist die obrigkeitliche Willenserklärung zu bindender Bestimmung des Verhaltens des Unterthanen (oben S. 271); der Finanzbefehl ist ein solcher, der Gehorsamspflichten auferlegt zum Besten der Staatseinnahmen, Pflichten zum Handeln, Unterlassen, Dulden.
Derartige Befehle kommen in verschiedenen Zusammenhängen zur Verwendung und danach unterscheiden sich Arten von Finanzbefehlen.
1. Sie begleiten vor allem die Steuerauflage und ihre Durch- führung. Ihr Hauptzweck ist dabei, der Verwaltung die Erkenntnis der Steuerpflicht zu erleichtern. Deshalb erscheinen sie thatsächlich in desto grösserem Umfange, je schwerer die Steuerpflicht an sich der Verwaltung wahrnehmbar ist, je leichter sie sich dieser Wahrnehmung entziehen kann3.
Bei den direkten Steuern beschränken sie sich demgemäss auf Gebote der Anzeige der eingetretenen Steuerpflicht, der Auskunft- erteilung darüber oder auch der ausführlichen Darstellung des Sach- verhaltes.
3 Über diesen Zusammenhang Meisel in Finanzarchiv V, 1 S. 14 ff.
Binding, Handbuch. VI. 1: Otto Mayer, Verwaltungsr. I. 28
§ 30. Der Finanzbefehl.
Aber richtig ist, daſs gerade an dieser Seite der Finanzgewalt, wo es sich um Bestimmung des persönlichen Verhaltens der Unter- thanen handelt, ihre Verwandtschaft mit der Polizei am deutlichsten zu Tage tritt. Denn diese Einwirkung auf die Unterthanen vollzieht sich geradezu in Formen, welche denen der Polizeigewalt entsprechen: Befehl, Strafsetzung, Zwang. Die Regeln, nach welchen diese Begriffe dort sich entfalteten, gelten in weitem Umfange auch hier: es sind gemeinsame Begriffe. Nur haben sie eben hier ihre besondere Aus- prägung ebenso wie dort: sie sind Finanzbefehle, Finanzstrafen, Finanz- zwang.
Das Verhältnis zwischen Finanzbefehl und Finanzstrafe, die uns zunächst angehen, ist dasselbe wie zwischen Polizeibefehl und Polizeistrafe: sie decken sich nicht, gehören aber doch zusammen. Der Finanzbefehl ist nicht notwendig ausgestattet mit einer rechts- satzmäſsigen Strafdrohung; er hat noch andere Mittel, sich wirksam zu erweisen; wohl aber ist die Strafdrohung das wichtigste. Die Finanzstrafe andererseits ist nicht notwendig auf den Ungehorsam gegen einen Finanzbefehl gesetzt; es findet sich auch hier daneben die unmittelbare Verpönung (oben § 22, I n. 2); aber in dieser liegt, wie dort, zugleich ein rechtliches Nichtsollen ausgesprochen, das dem Befehle verwandte Wirkungen äuſsert. Eine Norm für den Unter- thanen in diesem allgemeinen Sinne ist beiden gemeinsam.
I. Befehl ist die obrigkeitliche Willenserklärung zu bindender Bestimmung des Verhaltens des Unterthanen (oben S. 271); der Finanzbefehl ist ein solcher, der Gehorsamspflichten auferlegt zum Besten der Staatseinnahmen, Pflichten zum Handeln, Unterlassen, Dulden.
Derartige Befehle kommen in verschiedenen Zusammenhängen zur Verwendung und danach unterscheiden sich Arten von Finanzbefehlen.
1. Sie begleiten vor allem die Steuerauflage und ihre Durch- führung. Ihr Hauptzweck ist dabei, der Verwaltung die Erkenntnis der Steuerpflicht zu erleichtern. Deshalb erscheinen sie thatsächlich in desto gröſserem Umfange, je schwerer die Steuerpflicht an sich der Verwaltung wahrnehmbar ist, je leichter sie sich dieser Wahrnehmung entziehen kann3.
Bei den direkten Steuern beschränken sie sich demgemäſs auf Gebote der Anzeige der eingetretenen Steuerpflicht, der Auskunft- erteilung darüber oder auch der ausführlichen Darstellung des Sach- verhaltes.
3 Über diesen Zusammenhang Meisel in Finanzarchiv V, 1 S. 14 ff.
Binding, Handbuch. VI. 1: Otto Mayer, Verwaltungsr. I. 28
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><pbfacs="#f0453"n="433"/><fwplace="top"type="header">§ 30. Der Finanzbefehl.</fw><lb/><p>Aber richtig ist, daſs gerade an dieser Seite der Finanzgewalt,<lb/>
wo es sich um Bestimmung des persönlichen Verhaltens der Unter-<lb/>
thanen handelt, ihre Verwandtschaft mit der Polizei am deutlichsten<lb/>
zu Tage tritt. Denn diese Einwirkung auf die Unterthanen vollzieht<lb/>
sich geradezu in Formen, welche denen der Polizeigewalt entsprechen:<lb/>
Befehl, Strafsetzung, Zwang. Die Regeln, nach welchen diese Begriffe<lb/>
dort sich entfalteten, gelten in weitem Umfange auch hier: es sind<lb/>
gemeinsame Begriffe. Nur haben sie eben hier ihre besondere Aus-<lb/>
prägung ebenso wie dort: sie sind Finanzbefehle, Finanzstrafen, Finanz-<lb/>
zwang.</p><lb/><p>Das Verhältnis zwischen <hirendition="#g">Finanzbefehl</hi> und <hirendition="#g">Finanzstrafe,</hi><lb/>
die uns zunächst angehen, ist dasselbe wie zwischen Polizeibefehl und<lb/>
Polizeistrafe: sie decken sich nicht, gehören aber doch zusammen.<lb/>
Der Finanzbefehl ist nicht notwendig ausgestattet mit einer rechts-<lb/>
satzmäſsigen Strafdrohung; er hat noch andere Mittel, sich wirksam<lb/>
zu erweisen; wohl aber ist die Strafdrohung das wichtigste. Die<lb/>
Finanzstrafe andererseits ist nicht notwendig auf den Ungehorsam<lb/>
gegen einen Finanzbefehl gesetzt; es findet sich auch hier daneben<lb/>
die unmittelbare Verpönung (oben § 22, I n. 2); aber in dieser liegt,<lb/>
wie dort, zugleich ein rechtliches Nichtsollen ausgesprochen, das dem<lb/>
Befehle verwandte Wirkungen äuſsert. Eine Norm für den Unter-<lb/>
thanen in diesem allgemeinen Sinne ist beiden gemeinsam.</p><lb/><p>I. <hirendition="#g">Befehl</hi> ist die obrigkeitliche Willenserklärung zu bindender<lb/>
Bestimmung des Verhaltens des Unterthanen (oben S. 271); der<lb/><hirendition="#g">Finanzbefehl</hi> ist ein solcher, der Gehorsamspflichten auferlegt<lb/>
zum Besten der Staatseinnahmen, Pflichten zum Handeln, Unterlassen,<lb/>
Dulden.</p><lb/><p>Derartige Befehle kommen in verschiedenen Zusammenhängen zur<lb/>
Verwendung und danach unterscheiden sich Arten von Finanzbefehlen.</p><lb/><p>1. Sie begleiten vor allem die <hirendition="#g">Steuerauflage</hi> und ihre Durch-<lb/>
führung. Ihr Hauptzweck ist dabei, der Verwaltung die Erkenntnis<lb/>
der Steuerpflicht zu erleichtern. Deshalb erscheinen sie thatsächlich<lb/>
in desto gröſserem Umfange, je schwerer die Steuerpflicht an sich der<lb/>
Verwaltung wahrnehmbar ist, je leichter sie sich dieser Wahrnehmung<lb/>
entziehen kann<noteplace="foot"n="3">Über diesen Zusammenhang <hirendition="#g">Meisel</hi> in Finanzarchiv V, 1 S. 14 ff.</note>.</p><lb/><p>Bei den direkten Steuern beschränken sie sich demgemäſs auf<lb/>
Gebote der Anzeige der eingetretenen Steuerpflicht, der Auskunft-<lb/>
erteilung darüber oder auch der ausführlichen Darstellung des Sach-<lb/>
verhaltes.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#g">Binding,</hi> Handbuch. VI. 1: <hirendition="#g">Otto Mayer,</hi> Verwaltungsr. I. 28</fw><lb/></div></div></div></div></body></text></TEI>
[433/0453]
§ 30. Der Finanzbefehl.
Aber richtig ist, daſs gerade an dieser Seite der Finanzgewalt,
wo es sich um Bestimmung des persönlichen Verhaltens der Unter-
thanen handelt, ihre Verwandtschaft mit der Polizei am deutlichsten
zu Tage tritt. Denn diese Einwirkung auf die Unterthanen vollzieht
sich geradezu in Formen, welche denen der Polizeigewalt entsprechen:
Befehl, Strafsetzung, Zwang. Die Regeln, nach welchen diese Begriffe
dort sich entfalteten, gelten in weitem Umfange auch hier: es sind
gemeinsame Begriffe. Nur haben sie eben hier ihre besondere Aus-
prägung ebenso wie dort: sie sind Finanzbefehle, Finanzstrafen, Finanz-
zwang.
Das Verhältnis zwischen Finanzbefehl und Finanzstrafe,
die uns zunächst angehen, ist dasselbe wie zwischen Polizeibefehl und
Polizeistrafe: sie decken sich nicht, gehören aber doch zusammen.
Der Finanzbefehl ist nicht notwendig ausgestattet mit einer rechts-
satzmäſsigen Strafdrohung; er hat noch andere Mittel, sich wirksam
zu erweisen; wohl aber ist die Strafdrohung das wichtigste. Die
Finanzstrafe andererseits ist nicht notwendig auf den Ungehorsam
gegen einen Finanzbefehl gesetzt; es findet sich auch hier daneben
die unmittelbare Verpönung (oben § 22, I n. 2); aber in dieser liegt,
wie dort, zugleich ein rechtliches Nichtsollen ausgesprochen, das dem
Befehle verwandte Wirkungen äuſsert. Eine Norm für den Unter-
thanen in diesem allgemeinen Sinne ist beiden gemeinsam.
I. Befehl ist die obrigkeitliche Willenserklärung zu bindender
Bestimmung des Verhaltens des Unterthanen (oben S. 271); der
Finanzbefehl ist ein solcher, der Gehorsamspflichten auferlegt
zum Besten der Staatseinnahmen, Pflichten zum Handeln, Unterlassen,
Dulden.
Derartige Befehle kommen in verschiedenen Zusammenhängen zur
Verwendung und danach unterscheiden sich Arten von Finanzbefehlen.
1. Sie begleiten vor allem die Steuerauflage und ihre Durch-
führung. Ihr Hauptzweck ist dabei, der Verwaltung die Erkenntnis
der Steuerpflicht zu erleichtern. Deshalb erscheinen sie thatsächlich
in desto gröſserem Umfange, je schwerer die Steuerpflicht an sich der
Verwaltung wahrnehmbar ist, je leichter sie sich dieser Wahrnehmung
entziehen kann 3.
Bei den direkten Steuern beschränken sie sich demgemäſs auf
Gebote der Anzeige der eingetretenen Steuerpflicht, der Auskunft-
erteilung darüber oder auch der ausführlichen Darstellung des Sach-
verhaltes.
3 Über diesen Zusammenhang Meisel in Finanzarchiv V, 1 S. 14 ff.
Binding, Handbuch. VI. 1: Otto Mayer, Verwaltungsr. I. 28
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mayer, Otto: Deutsches Verwaltungsrecht. Bd. 1. Leipzig, 1895, S. 433. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mayer_verwaltungsrecht01_1895/453>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.