nichts wissen wölle von der Zauberei, und argumentire daß alle Hexen melancholische Personen wären, die sich selbsten nur einbildeten, daß sie einen pactum mit dem Teufel hätten und ihm mehr erbarmens -- denn straf¬ würdig fürkämen? Hierauf gabe ich zur Antwort, daß ich solchen zwar nit gelesen, (denn sage, wer kann Al¬ lens lesen, was die Narren schreiben?) aber der Augen¬ schein zeige ja hier und aller Orten, daß es ein unge¬ heurer Irrthumb sei, die Zauberei zu leugnen, immas¬ sen man alsdann auch leugnen könnte, daß es Mord, Ehebruch und Diebstahl gäb.
Aber dieses Argumentum nannte er ein Dilemma *) und nachdeme er viel von dem Teufel gedisputiret, so ich vergessen, da es arg nach Ketzereien roche, sagete er: er wölle nur von einem Zauber in Wittenberg erzählen, so er selbsten gesehen.
Als dorten nämblich ein kaiserlicher Haubtmann vor dem Elsterthore eines Morgens sein gutes Roß bestie¬ gen, um sein Fähnlein zu inspiciren, hebet solches also¬ bald an, so grimmig zu toben bäumet, schüttelt mit dem Kopfe, prustet, rennet und brüllet, nit wie Pferde sonst thun, daß sie wiehern, sondern es ist anzuhören gewest
dern, selbst für den ärgsten Hexenmeister verschrieen wurde. Und allerdings ist es auffallend daß derselbe freidenkende Mann früher in einer andern Schrift de praestigiis Daemo¬ num, die Beschwörungen der Geister gelehrt, und darin die ganze Hölle mit dem Namen und Zunamen ihrer 572 Teu¬ felsfürsten beschrieben hatte.
*) verfänglicher Schluß.
nichts wiſſen wölle von der Zauberei, und argumentire daß alle Hexen melancholiſche Perſonen wären, die ſich ſelbſten nur einbildeten, daß ſie einen pactum mit dem Teufel hätten und ihm mehr erbarmens — denn ſtraf¬ würdig fürkämen? Hierauf gabe ich zur Antwort, daß ich ſolchen zwar nit geleſen, (denn ſage, wer kann Al¬ lens leſen, was die Narren ſchreiben?) aber der Augen¬ ſchein zeige ja hier und aller Orten, daß es ein unge¬ heurer Irrthumb ſei, die Zauberei zu leugnen, immaſ¬ ſen man alsdann auch leugnen könnte, daß es Mord, Ehebruch und Diebſtahl gäb.
Aber dieſes Argumentum nannte er ein Dilemma *) und nachdeme er viel von dem Teufel gedisputiret, ſo ich vergeſſen, da es arg nach Ketzereien roche, ſagete er: er wölle nur von einem Zauber in Wittenberg erzählen, ſo er ſelbſten geſehen.
Als dorten nämblich ein kaiſerlicher Haubtmann vor dem Elſterthore eines Morgens ſein gutes Roß beſtie¬ gen, um ſein Fähnlein zu inſpiciren, hebet ſolches alſo¬ bald an, ſo grimmig zu toben bäumet, ſchüttelt mit dem Kopfe, pruſtet, rennet und brüllet, nit wie Pferde ſonſt thun, daß ſie wiehern, ſondern es iſt anzuhören geweſt
dern, ſelbſt für den ärgſten Hexenmeiſter verſchrieen wurde. Und allerdings iſt es auffallend daß derſelbe freidenkende Mann früher in einer andern Schrift de praestigiis Daemo¬ num, die Beſchwörungen der Geiſter gelehrt, und darin die ganze Hölle mit dem Namen und Zunamen ihrer 572 Teu¬ felsfürſten beſchrieben hatte.
*) verfänglicher Schluß.
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nichts wiſſen wölle von der Zauberei, und argumentire
daß alle Hexen melancholiſche Perſonen wären, die ſich
ſelbſten nur einbildeten, daß ſie einen pactum mit dem
Teufel hätten und ihm mehr erbarmens — denn ſtraf¬
würdig fürkämen? Hierauf gabe ich zur Antwort, daß
ich ſolchen zwar nit geleſen, (denn ſage, wer kann Al¬
lens leſen, was die Narren ſchreiben?) aber der Augen¬
ſchein zeige ja hier und aller Orten, daß es ein unge¬
heurer Irrthumb ſei, die Zauberei zu leugnen, immaſ¬
ſen man alsdann auch leugnen könnte, daß es Mord,
Ehebruch und Diebſtahl gäb.
Aber dieſes Argumentum nannte er ein Dilemma *)
und nachdeme er viel von dem Teufel gedisputiret, ſo
ich vergeſſen, da es arg nach Ketzereien roche, ſagete er:
er wölle nur von einem Zauber in Wittenberg erzählen,
ſo er ſelbſten geſehen.
Als dorten nämblich ein kaiſerlicher Haubtmann vor
dem Elſterthore eines Morgens ſein gutes Roß beſtie¬
gen, um ſein Fähnlein zu inſpiciren, hebet ſolches alſo¬
bald an, ſo grimmig zu toben bäumet, ſchüttelt mit dem
Kopfe, pruſtet, rennet und brüllet, nit wie Pferde ſonſt
thun, daß ſie wiehern, ſondern es iſt anzuhören geweſt
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*) verfänglicher Schluß.
**) dern, ſelbſt für den ärgſten Hexenmeiſter verſchrieen wurde.
Und allerdings iſt es auffallend daß derſelbe freidenkende
Mann früher in einer andern Schrift de praestigiis Daemo¬
num, die Beſchwörungen der Geiſter gelehrt, und darin die
ganze Hölle mit dem Namen und Zunamen ihrer 572 Teu¬
felsfürſten beſchrieben hatte.
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Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/107>, abgerufen am 18.02.2025.
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