Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

ßete Herzeleid zugefüget, inmassen sie sich die rothen Haare
bei ganzen Fluschen ausriße, wie sie von dem Grünspecht
durch mein Töchterlein und den alten Paassch hörete und
lamentirte, daß sie nunmehro auch eine arme Wittib sei,
und wer sie in Zukunft verpflegen würd etc.

Hierzwischen feierten wir auch an dieser öden Kü¬
sten, so gut wir kunnten und mochten mit der ganzen
protestantischen Kirchen den 25sten Tag mensis Junii,
wo für nunmehro 100 Jahren die Stände des heil. Rö¬
mischen Reichs dem großmächtigsten Kaiser Carolo V
ihre Confession zu Augsburg fürgeleget, und hielte ich
die Predigt über Matth. 10, 32. von der rechten Be¬
kenntnüß unsers Herrn und Heilandes Jesu Christi, wor¬
auf die ganze Gemeine zum Nachtmahl ging. Doch ge¬
gen den Abend desselbigen Tages, als ich mit meinem
Töchterlein zur Sehe gespatziret war, sahen wir umb den
Ruden viel hundert Masten von großen und kleinen Schif¬
fen, höreten auch ein merklich Schießen und judicirten
alsbald daß es der großmächtigste König Gustavus Adol¬
phus
sein möchte, so nunmehro, wie er versprochen, der
armen bedrängeten Christenheit zur Hülf käme. Im wäh¬
renden Judiciren aber segelte ein Boot von der Oie *)
heran, worinnen Käthe Berowsche ihr Sohn saß, so dor¬
ten ein Bauer ist und seine alte Mutter heimbsuchen
wollte. Selbiger verzählete, daß es würklich der König

*) Ruden und Oie, zwei kleine Inseln zwischen Usedom
und Rügen.

ßete Herzeleid zugefüget, inmaſſen ſie ſich die rothen Haare
bei ganzen Fluſchen ausriße, wie ſie von dem Grünſpecht
durch mein Töchterlein und den alten Paaſsch hörete und
lamentirte, daß ſie nunmehro auch eine arme Wittib ſei,
und wer ſie in Zukunft verpflegen würd etc.

Hierzwiſchen feierten wir auch an dieſer öden Kü¬
ſten, ſo gut wir kunnten und mochten mit der ganzen
proteſtantiſchen Kirchen den 25ſten Tag mensis Junii,
wo für nunmehro 100 Jahren die Stände des heil. Rö¬
miſchen Reichs dem großmächtigſten Kaiſer Carolo V
ihre Confeſſion zu Augsburg fürgeleget, und hielte ich
die Predigt über Matth. 10, 32. von der rechten Be¬
kenntnüß unſers Herrn und Heilandes Jeſu Chriſti, wor¬
auf die ganze Gemeine zum Nachtmahl ging. Doch ge¬
gen den Abend deſſelbigen Tages, als ich mit meinem
Töchterlein zur Sehe geſpatziret war, ſahen wir umb den
Ruden viel hundert Maſten von großen und kleinen Schif¬
fen, höreten auch ein merklich Schießen und judicirten
alsbald daß es der großmächtigſte König Gustavus Adol¬
phus
ſein möchte, ſo nunmehro, wie er verſprochen, der
armen bedrängeten Chriſtenheit zur Hülf käme. Im wäh¬
renden Judiciren aber ſegelte ein Boot von der Oie *)
heran, worinnen Käthe Berowſche ihr Sohn ſaß, ſo dor¬
ten ein Bauer iſt und ſeine alte Mutter heimbſuchen
wollte. Selbiger verzählete, daß es würklich der König

*) Ruden und Oie, zwei kleine Inſeln zwiſchen Uſedom
und Rügen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0117" n="101"/>
ßete Herzeleid zugefüget, inma&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie &#x017F;ich die rothen Haare<lb/>
bei ganzen Flu&#x017F;chen ausriße, wie &#x017F;ie von dem Grün&#x017F;pecht<lb/>
durch mein Töchterlein und den alten Paa&#x017F;sch hörete und<lb/>
lamentirte, daß &#x017F;ie nunmehro auch eine arme Wittib &#x017F;ei,<lb/>
und wer &#x017F;ie in Zukunft verpflegen würd <hi rendition="#aq">etc</hi>.</p><lb/>
        <p>Hierzwi&#x017F;chen feierten wir auch an die&#x017F;er öden Kü¬<lb/>
&#x017F;ten, &#x017F;o gut wir kunnten und mochten mit der ganzen<lb/>
prote&#x017F;tanti&#x017F;chen Kirchen den 25&#x017F;ten Tag <hi rendition="#aq">mensis Junii</hi>,<lb/>
wo für nunmehro 100 Jahren die Stände des heil. Rö¬<lb/>
mi&#x017F;chen Reichs dem großmächtig&#x017F;ten Kai&#x017F;er <hi rendition="#aq">Carolo V</hi><lb/>
ihre Confe&#x017F;&#x017F;ion zu Augsburg fürgeleget, und hielte ich<lb/>
die Predigt über <hi rendition="#aq">Matth</hi>. 10, 32. von der rechten Be¬<lb/>
kenntnüß un&#x017F;ers Herrn und Heilandes Je&#x017F;u Chri&#x017F;ti, wor¬<lb/>
auf die ganze Gemeine zum Nachtmahl ging. Doch ge¬<lb/>
gen den Abend de&#x017F;&#x017F;elbigen Tages, als ich mit meinem<lb/>
Töchterlein zur Sehe ge&#x017F;patziret war, &#x017F;ahen wir umb den<lb/>
Ruden viel hundert Ma&#x017F;ten von großen und kleinen Schif¬<lb/>
fen, höreten auch ein merklich Schießen und judicirten<lb/>
alsbald daß es der großmächtig&#x017F;te König <hi rendition="#aq">Gustavus Adol¬<lb/>
phus</hi> &#x017F;ein möchte, &#x017F;o nunmehro, wie er ver&#x017F;prochen, der<lb/>
armen bedrängeten Chri&#x017F;tenheit zur Hülf käme. Im wäh¬<lb/>
renden Judiciren aber &#x017F;egelte ein Boot von der Oie <note place="foot" n="*)">Ruden und Oie, zwei kleine In&#x017F;eln zwi&#x017F;chen U&#x017F;edom<lb/>
und Rügen.</note><lb/>
heran, worinnen Käthe Berow&#x017F;che ihr Sohn &#x017F;aß, &#x017F;o dor¬<lb/>
ten ein Bauer i&#x017F;t und &#x017F;eine alte Mutter heimb&#x017F;uchen<lb/>
wollte. Selbiger verzählete, daß es würklich der König<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[101/0117] ßete Herzeleid zugefüget, inmaſſen ſie ſich die rothen Haare bei ganzen Fluſchen ausriße, wie ſie von dem Grünſpecht durch mein Töchterlein und den alten Paaſsch hörete und lamentirte, daß ſie nunmehro auch eine arme Wittib ſei, und wer ſie in Zukunft verpflegen würd etc. Hierzwiſchen feierten wir auch an dieſer öden Kü¬ ſten, ſo gut wir kunnten und mochten mit der ganzen proteſtantiſchen Kirchen den 25ſten Tag mensis Junii, wo für nunmehro 100 Jahren die Stände des heil. Rö¬ miſchen Reichs dem großmächtigſten Kaiſer Carolo V ihre Confeſſion zu Augsburg fürgeleget, und hielte ich die Predigt über Matth. 10, 32. von der rechten Be¬ kenntnüß unſers Herrn und Heilandes Jeſu Chriſti, wor¬ auf die ganze Gemeine zum Nachtmahl ging. Doch ge¬ gen den Abend deſſelbigen Tages, als ich mit meinem Töchterlein zur Sehe geſpatziret war, ſahen wir umb den Ruden viel hundert Maſten von großen und kleinen Schif¬ fen, höreten auch ein merklich Schießen und judicirten alsbald daß es der großmächtigſte König Gustavus Adol¬ phus ſein möchte, ſo nunmehro, wie er verſprochen, der armen bedrängeten Chriſtenheit zur Hülf käme. Im wäh¬ renden Judiciren aber ſegelte ein Boot von der Oie *) heran, worinnen Käthe Berowſche ihr Sohn ſaß, ſo dor¬ ten ein Bauer iſt und ſeine alte Mutter heimbſuchen wollte. Selbiger verzählete, daß es würklich der König *) Ruden und Oie, zwei kleine Inſeln zwiſchen Uſedom und Rügen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/117
Zitationshilfe: Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/117>, abgerufen am 18.05.2024.