später, der treffliche Thomasius dem Unwesen all¬ mählig Einhalt thaten.
Nachdem ich mich auf das Eifrigste mit dem Hexenwesen beschäftigt hatte, sah ich bald ein, daß unter allen diesen, zum Theil so abenteuerlichen Geschichten, keine einzige an lebendigem Interesse von meiner "Bernsteinhexe" übertroffen würde, und ich nahm mir vor, ihre Schicksale in die Ge¬ stalt einer Novelle zu bringen. Doch glücklicher Weise sagte ich mir bald: aber wie? ist ihre Ge¬ schichte denn nicht schon an und für sich die in¬ teressanteste Novelle? Laß sie ganz in ihrer alten ursprünglichen Gestalt; laß fort daraus, was für den gegenwärtigen Leser, von keinem Interesse mehr, oder sonst allgemein bekannt ist, und wenn du auch den fehlenden Anfang und das fehlende Ende nicht wiederherstellen kannst, so siehe zu, ob der Zusammenhang es dir nicht möglich macht, die fehlenden Blätter aus der Mitte zu ergänzen, und fahre dann ganz in dem Ton und der Sprache deines alten Biographen fort, so daß wenigstens der Unterschied der Darstellung und die gemachten Einschiebsel nicht gerade ins Auge fallen.
Dies habe ich denn mit vieler Mühe und nach mancherlei vergeblichen Versuchen gethan, ver¬ schweige aber, an welchen Orten es geschehen ist, um das historische Interesse der größten Anzahl
ſpäter, der treffliche Thomaſius dem Unweſen all¬ mählig Einhalt thaten.
Nachdem ich mich auf das Eifrigſte mit dem Hexenweſen beſchäftigt hatte, ſah ich bald ein, daß unter allen dieſen, zum Theil ſo abenteuerlichen Geſchichten, keine einzige an lebendigem Intereſſe von meiner „Bernſteinhexe“ übertroffen würde, und ich nahm mir vor, ihre Schickſale in die Ge¬ ſtalt einer Novelle zu bringen. Doch glücklicher Weiſe ſagte ich mir bald: aber wie? iſt ihre Ge¬ ſchichte denn nicht ſchon an und für ſich die in¬ tereſſanteſte Novelle? Laß ſie ganz in ihrer alten urſprünglichen Geſtalt; laß fort daraus, was für den gegenwärtigen Leſer, von keinem Intereſſe mehr, oder ſonſt allgemein bekannt iſt, und wenn du auch den fehlenden Anfang und das fehlende Ende nicht wiederherſtellen kannſt, ſo ſiehe zu, ob der Zuſammenhang es dir nicht möglich macht, die fehlenden Blätter aus der Mitte zu ergänzen, und fahre dann ganz in dem Ton und der Sprache deines alten Biographen fort, ſo daß wenigſtens der Unterſchied der Darſtellung und die gemachten Einſchiebſel nicht gerade ins Auge fallen.
Dies habe ich denn mit vieler Mühe und nach mancherlei vergeblichen Verſuchen gethan, ver¬ ſchweige aber, an welchen Orten es geſchehen iſt, um das hiſtoriſche Intereſſe der größten Anzahl
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[VIII/0014]
ſpäter, der treffliche Thomaſius dem Unweſen all¬
mählig Einhalt thaten.
Nachdem ich mich auf das Eifrigſte mit dem
Hexenweſen beſchäftigt hatte, ſah ich bald ein, daß
unter allen dieſen, zum Theil ſo abenteuerlichen
Geſchichten, keine einzige an lebendigem Intereſſe
von meiner „Bernſteinhexe“ übertroffen würde,
und ich nahm mir vor, ihre Schickſale in die Ge¬
ſtalt einer Novelle zu bringen. Doch glücklicher
Weiſe ſagte ich mir bald: aber wie? iſt ihre Ge¬
ſchichte denn nicht ſchon an und für ſich die in¬
tereſſanteſte Novelle? Laß ſie ganz in ihrer alten
urſprünglichen Geſtalt; laß fort daraus, was für
den gegenwärtigen Leſer, von keinem Intereſſe
mehr, oder ſonſt allgemein bekannt iſt, und wenn
du auch den fehlenden Anfang und das fehlende
Ende nicht wiederherſtellen kannſt, ſo ſiehe zu,
ob der Zuſammenhang es dir nicht möglich macht,
die fehlenden Blätter aus der Mitte zu ergänzen,
und fahre dann ganz in dem Ton und der Sprache
deines alten Biographen fort, ſo daß wenigſtens
der Unterſchied der Darſtellung und die gemachten
Einſchiebſel nicht gerade ins Auge fallen.
Dies habe ich denn mit vieler Mühe und nach
mancherlei vergeblichen Verſuchen gethan, ver¬
ſchweige aber, an welchen Orten es geſchehen iſt,
um das hiſtoriſche Intereſſe der größten Anzahl
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Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. VIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/14>, abgerufen am 21.11.2024.
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