uns bösere Nachricht, denn das Geschreie uns gebracht, sagende: die Burgleute hätten ihm verzählet, daß ihr junger Herre gleich noch selbigen Tages abgeritten, als er die Jungfer gerettet. Und wär er zwar nach dreien Tagen zur Begräbnüß seines Vaters retourniret, aber auch gleich hierauf wieder abgeritten, und hätten sie nun¬ mehro an die fünf Wochen weiter Nichtes von ihme ge¬ höret, wußten auch nicht wohin er gefahren und vermei¬ neten, daß ihn böse Lotterbuben wohl geschlagen hätten.
Und nunmehro hube mein Jammer größer an, denn er jemalen gewesen; denn so geduldig und gottergeben sie sich vorhero erwiesen, daß keine Märtyrin hat mügen stärker in Gott und Christo ihrem letzten Stündlein ent¬ gegen gehen, so ungeduldig und verzweifelt war sie an¬ jetzo. Hatte alle Hoffnung aufgeben, und sich steif in den Kopf gesetzt, daß in dieser schweren Kriegeszeit die Schnapphanichen den Junker geschlagen. Nichtes wollte davor helfen auch das Beten nit, denn wenn ich mit ihr auf meinen Knieen den Herren anrief, fing sie letz¬ lich immer an so erschröcklich zu lamentiren, daß sie der Herre verstoßen, und sie nur zum Unglück auf Erden erwählet sei, daß es mir wie ein Messer mein Herze durchschnitt, und mir die Gedanken mit denen Worten vergingen. Lag auch des Nachts und winselte wie eine Schwalbe und ein Kranich und girrete wie eine Taube, und ihre Augen wollten ihr brechen *), dieweil sie kei¬
*) Jesaias 38, 14.
uns böſere Nachricht, denn das Geſchreie uns gebracht, ſagende: die Burgleute hätten ihm verzählet, daß ihr junger Herre gleich noch ſelbigen Tages abgeritten, als er die Jungfer gerettet. Und wär er zwar nach dreien Tagen zur Begräbnüß ſeines Vaters retourniret, aber auch gleich hierauf wieder abgeritten, und hätten ſie nun¬ mehro an die fünf Wochen weiter Nichtes von ihme ge¬ höret, wußten auch nicht wohin er gefahren und vermei¬ neten, daß ihn böſe Lotterbuben wohl geſchlagen hätten.
Und nunmehro hube mein Jammer größer an, denn er jemalen geweſen; denn ſo geduldig und gottergeben ſie ſich vorhero erwieſen, daß keine Märtyrin hat mügen ſtärker in Gott und Chriſto ihrem letzten Stündlein ent¬ gegen gehen, ſo ungeduldig und verzweifelt war ſie an¬ jetzo. Hatte alle Hoffnung aufgeben, und ſich ſteif in den Kopf geſetzt, daß in dieſer ſchweren Kriegeszeit die Schnapphanichen den Junker geſchlagen. Nichtes wollte davor helfen auch das Beten nit, denn wenn ich mit ihr auf meinen Knieen den Herren anrief, fing ſie letz¬ lich immer an ſo erſchröcklich zu lamentiren, daß ſie der Herre verſtoßen, und ſie nur zum Unglück auf Erden erwählet ſei, daß es mir wie ein Meſſer mein Herze durchſchnitt, und mir die Gedanken mit denen Worten vergingen. Lag auch des Nachts und winſelte wie eine Schwalbe und ein Kranich und girrete wie eine Taube, und ihre Augen wollten ihr brechen *), dieweil ſie kei¬
*) Jeſaias 38, 14.
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uns böſere Nachricht, denn das Geſchreie uns gebracht,
ſagende: die Burgleute hätten ihm verzählet, daß ihr
junger Herre gleich noch ſelbigen Tages abgeritten, als
er die Jungfer gerettet. Und wär er zwar nach dreien
Tagen zur Begräbnüß ſeines Vaters retourniret, aber
auch gleich hierauf wieder abgeritten, und hätten ſie nun¬
mehro an die fünf Wochen weiter Nichtes von ihme ge¬
höret, wußten auch nicht wohin er gefahren und vermei¬
neten, daß ihn böſe Lotterbuben wohl geſchlagen hätten.
Und nunmehro hube mein Jammer größer an, denn
er jemalen geweſen; denn ſo geduldig und gottergeben
ſie ſich vorhero erwieſen, daß keine Märtyrin hat mügen
ſtärker in Gott und Chriſto ihrem letzten Stündlein ent¬
gegen gehen, ſo ungeduldig und verzweifelt war ſie an¬
jetzo. Hatte alle Hoffnung aufgeben, und ſich ſteif in
den Kopf geſetzt, daß in dieſer ſchweren Kriegeszeit die
Schnapphanichen den Junker geſchlagen. Nichtes wollte
davor helfen auch das Beten nit, denn wenn ich mit
ihr auf meinen Knieen den Herren anrief, fing ſie letz¬
lich immer an ſo erſchröcklich zu lamentiren, daß ſie
der Herre verſtoßen, und ſie nur zum Unglück auf Erden
erwählet ſei, daß es mir wie ein Meſſer mein Herze
durchſchnitt, und mir die Gedanken mit denen Worten
vergingen. Lag auch des Nachts und winſelte wie eine
Schwalbe und ein Kranich und girrete wie eine Taube,
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*) Jeſaias 38, 14.
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Meinhold, Wilhelm: Maria Schweidler die Bernsteinhexe. Berlin, 1843, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meinhold_bernsteinhexe_1843/299>, abgerufen am 24.11.2024.
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