Meißner, Alfred: Der Müller vom Höft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 177–274. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.III. Die Mühle Reinbacher's, die Mühle am Höft*) genannt, stand auf einer Insel, die der mächtige, stolze Strom, die Weser, in seiner Krümmung zwischen Nienburg und Hoya bildet. Kam man von Nienburg die Straße daher, so sah man zuerst den Strom in zwei beinahe gleich große Arme auseinander weichen. Weiter hinauf kam man damals zu einem Wehr, welches schräg durch den linken Flußarm hindurchgelegt war, einem langen Bau aus übereinander gestellten Holzrosten, und nun zeigte sich die Insel, lang, schmal und niedrig, von Pappeln und Erlen umsäumt, in deren Mitte, im Sommer kaum durch die Wipfel sichtbar, die Mühle stand. Eine Brücke, dort angelegt, wo der Arm sich bereits zurückkrümmte, führte zu ihr hinüber. Auf der Insel selbst war Platz genug für eine Mahlmühle und die dazu gehörige Brettsäge. Die erstere war ein sehr ansehnliches Gebäude. Drei mächtige, schwarze Räder, oberhalb mit einer Bedachung versehen, tummelten sich kräftig. Der Hofraum vor dem Hause war nicht übergroß, doch geräumig genug, daß die Mühlgäste mit ihren Getreidefuhren bequem zu- *) Der Höft heißt in der Schiffersprache eigentlich die hervorspringende Spitze Landes, womit der Wasserstrich abgewiesen wird.
III. Die Mühle Reinbacher's, die Mühle am Höft*) genannt, stand auf einer Insel, die der mächtige, stolze Strom, die Weser, in seiner Krümmung zwischen Nienburg und Hoya bildet. Kam man von Nienburg die Straße daher, so sah man zuerst den Strom in zwei beinahe gleich große Arme auseinander weichen. Weiter hinauf kam man damals zu einem Wehr, welches schräg durch den linken Flußarm hindurchgelegt war, einem langen Bau aus übereinander gestellten Holzrosten, und nun zeigte sich die Insel, lang, schmal und niedrig, von Pappeln und Erlen umsäumt, in deren Mitte, im Sommer kaum durch die Wipfel sichtbar, die Mühle stand. Eine Brücke, dort angelegt, wo der Arm sich bereits zurückkrümmte, führte zu ihr hinüber. Auf der Insel selbst war Platz genug für eine Mahlmühle und die dazu gehörige Brettsäge. Die erstere war ein sehr ansehnliches Gebäude. Drei mächtige, schwarze Räder, oberhalb mit einer Bedachung versehen, tummelten sich kräftig. Der Hofraum vor dem Hause war nicht übergroß, doch geräumig genug, daß die Mühlgäste mit ihren Getreidefuhren bequem zu- *) Der Höft heißt in der Schiffersprache eigentlich die hervorspringende Spitze Landes, womit der Wasserstrich abgewiesen wird.
<TEI> <text> <body> <pb facs="#f0024"/> <div type="chapter" n="3"> <head>III.</head> <p>Die Mühle Reinbacher's, die Mühle am Höft<note place="foot" n="*)">Der Höft heißt in der Schiffersprache eigentlich die hervorspringende Spitze Landes, womit der Wasserstrich abgewiesen wird.</note> genannt, stand auf einer Insel, die der mächtige, stolze Strom, die Weser, in seiner Krümmung zwischen Nienburg und Hoya bildet. Kam man von Nienburg die Straße daher, so sah man zuerst den Strom in zwei beinahe gleich große Arme auseinander weichen. Weiter hinauf kam man damals zu einem Wehr, welches schräg durch den linken Flußarm hindurchgelegt war, einem langen Bau aus übereinander gestellten Holzrosten, und nun zeigte sich die Insel, lang, schmal und niedrig, von Pappeln und Erlen umsäumt, in deren Mitte, im Sommer kaum durch die Wipfel sichtbar, die Mühle stand. Eine Brücke, dort angelegt, wo der Arm sich bereits zurückkrümmte, führte zu ihr hinüber.</p><lb/> <p>Auf der Insel selbst war Platz genug für eine Mahlmühle und die dazu gehörige Brettsäge. Die erstere war ein sehr ansehnliches Gebäude. Drei mächtige, schwarze Räder, oberhalb mit einer Bedachung versehen, tummelten sich kräftig. Der Hofraum vor dem Hause war nicht übergroß, doch geräumig genug, daß die Mühlgäste mit ihren Getreidefuhren bequem zu-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0024]
III. Die Mühle Reinbacher's, die Mühle am Höft *) genannt, stand auf einer Insel, die der mächtige, stolze Strom, die Weser, in seiner Krümmung zwischen Nienburg und Hoya bildet. Kam man von Nienburg die Straße daher, so sah man zuerst den Strom in zwei beinahe gleich große Arme auseinander weichen. Weiter hinauf kam man damals zu einem Wehr, welches schräg durch den linken Flußarm hindurchgelegt war, einem langen Bau aus übereinander gestellten Holzrosten, und nun zeigte sich die Insel, lang, schmal und niedrig, von Pappeln und Erlen umsäumt, in deren Mitte, im Sommer kaum durch die Wipfel sichtbar, die Mühle stand. Eine Brücke, dort angelegt, wo der Arm sich bereits zurückkrümmte, führte zu ihr hinüber.
Auf der Insel selbst war Platz genug für eine Mahlmühle und die dazu gehörige Brettsäge. Die erstere war ein sehr ansehnliches Gebäude. Drei mächtige, schwarze Räder, oberhalb mit einer Bedachung versehen, tummelten sich kräftig. Der Hofraum vor dem Hause war nicht übergroß, doch geräumig genug, daß die Mühlgäste mit ihren Getreidefuhren bequem zu-
*) Der Höft heißt in der Schiffersprache eigentlich die hervorspringende Spitze Landes, womit der Wasserstrich abgewiesen wird.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-15T14:41:19Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-15T14:41:19Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |