Kosten. Beide waren auch nicht vergebens angewandt. Das Mädchen hatte, als sie herangewachsen, alle Eigenschaften, die man jezt von einem wohlgebildeten Frauenzimmer fordert; und besaß überdieß noch ein gutes, unverdorbenes Herz. Kein Wunder daher, daß dieses reizende Geschöpf bald ein Augen- merk vieler junger Männer ward; und daß manche Mütter bei ihrem Anblick mit sehnli- chem Wunsch an die Lieblinge unter ihren Söhnen dachten.
Jezt, als sie so eben kaum zur völligen Blüthe gekommen war, bewarben sich zwei Kaufleute um sie. Auch hier fand sich der so gewöhnliche Fall: daß der angenehmere Mann nicht reich, der Reichere nicht angenehm war; daß dieser an den Vater, jener ans Mädchen selbst sich wendete; und daß die- ser älterliche Vertröstung, jener aber Gegen- liebe erhielt. Als der Vater, in der Person seines Begünstigten, der Tochter einen künfti- gen Gemal vorstellte, sparte diese weder Bit- ten, noch Gründe, noch Schmeicheleien um ihn
A 5
Koſten. Beide waren auch nicht vergebens angewandt. Das Maͤdchen hatte, als ſie herangewachſen, alle Eigenſchaften, die man jezt von einem wohlgebildeten Frauenzimmer fordert; und beſaß uͤberdieß noch ein gutes, unverdorbenes Herz. Kein Wunder daher, daß dieſes reizende Geſchoͤpf bald ein Augen- merk vieler junger Maͤnner ward; und daß manche Muͤtter bei ihrem Anblick mit ſehnli- chem Wunſch an die Lieblinge unter ihren Soͤhnen dachten.
Jezt, als ſie ſo eben kaum zur voͤlligen Bluͤthe gekommen war, bewarben ſich zwei Kaufleute um ſie. Auch hier fand ſich der ſo gewoͤhnliche Fall: daß der angenehmere Mann nicht reich, der Reichere nicht angenehm war; daß dieſer an den Vater, jener ans Maͤdchen ſelbſt ſich wendete; und daß die- ſer aͤlterliche Vertroͤſtung, jener aber Gegen- liebe erhielt. Als der Vater, in der Perſon ſeines Beguͤnſtigten, der Tochter einen kuͤnfti- gen Gemal vorſtellte, ſparte dieſe weder Bit- ten, noch Gruͤnde, noch Schmeicheleien um ihn
A 5
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0017"n="9"/>
Koſten. Beide waren auch nicht vergebens<lb/>
angewandt. Das Maͤdchen hatte, als ſie<lb/>
herangewachſen, alle Eigenſchaften, die man<lb/>
jezt von einem wohlgebildeten Frauenzimmer<lb/>
fordert; und beſaß uͤberdieß noch ein gutes,<lb/>
unverdorbenes Herz. Kein Wunder daher,<lb/>
daß dieſes reizende Geſchoͤpf bald ein Augen-<lb/>
merk vieler junger Maͤnner ward; und daß<lb/>
manche Muͤtter bei ihrem Anblick mit ſehnli-<lb/>
chem Wunſch an die Lieblinge unter ihren<lb/>
Soͤhnen dachten.</p><lb/><p>Jezt, als ſie ſo eben kaum zur voͤlligen<lb/>
Bluͤthe gekommen war, bewarben ſich zwei<lb/>
Kaufleute um ſie. Auch hier fand ſich der<lb/>ſo gewoͤhnliche Fall: daß der angenehmere<lb/>
Mann nicht reich, der Reichere nicht angenehm<lb/>
war; daß dieſer an den Vater, jener ans<lb/>
Maͤdchen ſelbſt ſich wendete; und daß die-<lb/>ſer aͤlterliche Vertroͤſtung, jener aber Gegen-<lb/>
liebe erhielt. Als der Vater, in der Perſon<lb/>ſeines Beguͤnſtigten, der Tochter einen kuͤnfti-<lb/>
gen Gemal vorſtellte, ſparte dieſe weder Bit-<lb/>
ten, noch Gruͤnde, noch Schmeicheleien um ihn<lb/><fwplace="bottom"type="sig">A 5</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[9/0017]
Koſten. Beide waren auch nicht vergebens
angewandt. Das Maͤdchen hatte, als ſie
herangewachſen, alle Eigenſchaften, die man
jezt von einem wohlgebildeten Frauenzimmer
fordert; und beſaß uͤberdieß noch ein gutes,
unverdorbenes Herz. Kein Wunder daher,
daß dieſes reizende Geſchoͤpf bald ein Augen-
merk vieler junger Maͤnner ward; und daß
manche Muͤtter bei ihrem Anblick mit ſehnli-
chem Wunſch an die Lieblinge unter ihren
Soͤhnen dachten.
Jezt, als ſie ſo eben kaum zur voͤlligen
Bluͤthe gekommen war, bewarben ſich zwei
Kaufleute um ſie. Auch hier fand ſich der
ſo gewoͤhnliche Fall: daß der angenehmere
Mann nicht reich, der Reichere nicht angenehm
war; daß dieſer an den Vater, jener ans
Maͤdchen ſelbſt ſich wendete; und daß die-
ſer aͤlterliche Vertroͤſtung, jener aber Gegen-
liebe erhielt. Als der Vater, in der Perſon
ſeines Beguͤnſtigten, der Tochter einen kuͤnfti-
gen Gemal vorſtellte, ſparte dieſe weder Bit-
ten, noch Gruͤnde, noch Schmeicheleien um ihn
A 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/17>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.