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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

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bung einging, kam bald drauf heim, besuchte
ihn, und that, was schon die ganzeStadt gethan
-- das heißt, er tadelte seine vorhabende Hei-
rath. Aufrichtig entdeckte dieser demTadler den
innern Stand seiner Handlung, und doch nahm
jener sein Urtheil -- nicht zurück. "Deine
Lage," sprach er, "ist nur bedenklich, dein
Schritt verzweifelnd. Warum solten deine
Gläubiger dich stürzen wollen? Sie verlieren ja
sicher auch, wenn du fällst; und verlieren wahr-
scheinlich -- nichts, wenn sie dich aufrecht
halten. Du hast den Ruf von Ordnung und
Geschicklichkeit für dich; beide erwerben Zu-
trauen. Die Schulden deines Vaters sind
nicht die deinigen; sogar der Verkauf der
Handlung hätte daher dir keine Schande,
Erhaltung durch eigne Kraft Ehre gemacht.
Für Unterkommen darf ein Mensch, wie du,
nicht bangen. Auf den schlimsten Fall aber ist es
besser noch eineZeitlang derDiener eines andern
als durchs ganze Leben der Knecht eines al-
ten Weibes zu seyn! Geht es nicht hier, so

N 4

bung einging, kam bald drauf heim, beſuchte
ihn, und that, was ſchon die ganzeStadt gethan
— das heißt, er tadelte ſeine vorhabende Hei-
rath. Aufrichtig entdeckte dieſer demTadler den
innern Stand ſeiner Handlung, und doch nahm
jener ſein Urtheil — nicht zuruͤck. „Deine
Lage,“ ſprach er, „iſt nur bedenklich, dein
Schritt verzweifelnd. Warum ſolten deine
Glaͤubiger dich ſtuͤrzen wollen? Sie verlieren ja
ſicher auch, wenn du faͤllſt; und verlieren wahr-
ſcheinlich — nichts, wenn ſie dich aufrecht
halten. Du haſt den Ruf von Ordnung und
Geſchicklichkeit fuͤr dich; beide erwerben Zu-
trauen. Die Schulden deines Vaters ſind
nicht die deinigen; ſogar der Verkauf der
Handlung haͤtte daher dir keine Schande,
Erhaltung durch eigne Kraft Ehre gemacht.
Fuͤr Unterkommen darf ein Menſch, wie du,
nicht bangen. Auf den ſchlimſten Fall aber iſt es
beſſer noch eineZeitlang derDiener eines andern
als durchs ganze Leben der Knecht eines al-
ten Weibes zu ſeyn! Geht es nicht hier, ſo

N 4
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[263/0271] bung einging, kam bald drauf heim, beſuchte ihn, und that, was ſchon die ganzeStadt gethan — das heißt, er tadelte ſeine vorhabende Hei- rath. Aufrichtig entdeckte dieſer demTadler den innern Stand ſeiner Handlung, und doch nahm jener ſein Urtheil — nicht zuruͤck. „Deine Lage,“ ſprach er, „iſt nur bedenklich, dein Schritt verzweifelnd. Warum ſolten deine Glaͤubiger dich ſtuͤrzen wollen? Sie verlieren ja ſicher auch, wenn du faͤllſt; und verlieren wahr- ſcheinlich — nichts, wenn ſie dich aufrecht halten. Du haſt den Ruf von Ordnung und Geſchicklichkeit fuͤr dich; beide erwerben Zu- trauen. Die Schulden deines Vaters ſind nicht die deinigen; ſogar der Verkauf der Handlung haͤtte daher dir keine Schande, Erhaltung durch eigne Kraft Ehre gemacht. Fuͤr Unterkommen darf ein Menſch, wie du, nicht bangen. Auf den ſchlimſten Fall aber iſt es beſſer noch eineZeitlang derDiener eines andern als durchs ganze Leben der Knecht eines al- ten Weibes zu ſeyn! Geht es nicht hier, ſo N 4

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Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/271>, abgerufen am 23.11.2024.