An Gewaltthätigleit, an eigentlichen Be- trug gedacht' er damals gewiß noch nicht. Sichrer wäre ja dann für ihn die Ehlichung der Witwe gewesen; sich ihrer wieder zu ent- ledigen, und doch ihr Vermögen zu behalten, wäre ihm wahrscheinlich um ein gutes Theil leichter geworden. Nur die unseelige Gele- genheit, die sich ihm darbot, nur die Ver- zweiflung auf der andern Seite manche Be- mühung fruchtlos angewandt zu haben, rißen ihn hin. Von der That nun kein Wort wei- ter! Sie spricht von sich selbst.
"Aber die Vorsicht, mit welcher er nicht "nur entflieht, sondern auch auf der Flucht "selbst sich beträgt, spricht diese nicht von einem "nun vollendeten Bösewicht?" Auf den ersten Anschein allerdings fast mehr noch, als jene blutige That selbst! Aber man vergeße nicht: daß R. auf diese Entweichung, auf die Mittel seinen Namen zu verbergen, auf die Art und Weise, wie er auswärts sich betragen solle, schon vorher, ehe noch ein Gedanke des Mordes
An Gewaltthaͤtigleit, an eigentlichen Be- trug gedacht' er damals gewiß noch nicht. Sichrer waͤre ja dann fuͤr ihn die Ehlichung der Witwe geweſen; ſich ihrer wieder zu ent- ledigen, und doch ihr Vermoͤgen zu behalten, waͤre ihm wahrſcheinlich um ein gutes Theil leichter geworden. Nur die unſeelige Gele- genheit, die ſich ihm darbot, nur die Ver- zweiflung auf der andern Seite manche Be- muͤhung fruchtlos angewandt zu haben, rißen ihn hin. Von der That nun kein Wort wei- ter! Sie ſpricht von ſich ſelbſt.
„Aber die Vorſicht, mit welcher er nicht „nur entflieht, ſondern auch auf der Flucht „ſelbſt ſich betraͤgt, ſpricht dieſe nicht von einem „nun vollendeten Boͤſewicht?“ Auf den erſten Anſchein allerdings faſt mehr noch, als jene blutige That ſelbſt! Aber man vergeße nicht: daß R. auf dieſe Entweichung, auf die Mittel ſeinen Namen zu verbergen, auf die Art und Weiſe, wie er auswaͤrts ſich betragen ſolle, ſchon vorher, ehe noch ein Gedanke des Mordes
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0327"n="319"/>
An Gewaltthaͤtigleit, an eigentlichen Be-<lb/>
trug gedacht' er damals gewiß noch nicht.<lb/>
Sichrer waͤre ja dann fuͤr ihn die Ehlichung<lb/>
der Witwe geweſen; ſich ihrer wieder zu ent-<lb/>
ledigen, und doch ihr Vermoͤgen zu behalten,<lb/>
waͤre ihm wahrſcheinlich um ein gutes Theil<lb/>
leichter geworden. Nur die unſeelige Gele-<lb/>
genheit, die ſich ihm darbot, nur die Ver-<lb/>
zweiflung auf der andern Seite manche Be-<lb/>
muͤhung fruchtlos angewandt zu haben, rißen<lb/>
ihn hin. Von der That nun kein Wort wei-<lb/>
ter! Sie ſpricht von ſich ſelbſt.</p><lb/><p>„Aber die <hirendition="#g">Vorſicht</hi>, mit welcher er nicht<lb/>„nur entflieht, ſondern auch auf der Flucht<lb/>„ſelbſt ſich betraͤgt, ſpricht dieſe nicht von einem<lb/>„nun vollendeten Boͤſewicht?“ Auf den erſten<lb/>
Anſchein allerdings faſt mehr noch, als jene<lb/>
blutige That ſelbſt! Aber man vergeße nicht:<lb/>
daß R. auf dieſe Entweichung, auf die Mittel<lb/>ſeinen Namen zu verbergen, auf die Art und<lb/>
Weiſe, wie er auswaͤrts ſich betragen ſolle,<lb/>ſchon vorher, ehe noch ein Gedanke des Mordes<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[319/0327]
An Gewaltthaͤtigleit, an eigentlichen Be-
trug gedacht' er damals gewiß noch nicht.
Sichrer waͤre ja dann fuͤr ihn die Ehlichung
der Witwe geweſen; ſich ihrer wieder zu ent-
ledigen, und doch ihr Vermoͤgen zu behalten,
waͤre ihm wahrſcheinlich um ein gutes Theil
leichter geworden. Nur die unſeelige Gele-
genheit, die ſich ihm darbot, nur die Ver-
zweiflung auf der andern Seite manche Be-
muͤhung fruchtlos angewandt zu haben, rißen
ihn hin. Von der That nun kein Wort wei-
ter! Sie ſpricht von ſich ſelbſt.
„Aber die Vorſicht, mit welcher er nicht
„nur entflieht, ſondern auch auf der Flucht
„ſelbſt ſich betraͤgt, ſpricht dieſe nicht von einem
„nun vollendeten Boͤſewicht?“ Auf den erſten
Anſchein allerdings faſt mehr noch, als jene
blutige That ſelbſt! Aber man vergeße nicht:
daß R. auf dieſe Entweichung, auf die Mittel
ſeinen Namen zu verbergen, auf die Art und
Weiſe, wie er auswaͤrts ſich betragen ſolle,
ſchon vorher, ehe noch ein Gedanke des Mordes
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/327>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.