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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

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R. sah sich nun vor Mangel ge-
deckt; sah sich geschäzt
im Kreis,
worinnen er lebte.
Mehr verlangte er
nicht! Jezt war er daher ganz derjenige wieder,
der er immer gewesen seyn würde, hätte er nicht
nach väterlichem Tode sich so unerwartet in ein
Labirinth verwickelt gesehn; oder hätte jener
freundschaftliche Rath, den er späterhin nur
halb und misgedeutet befolgte, ihn früher un-
terstüzt. Ob die Liebe zum Leben, und dieSehn-
sucht nach Weib und Kindern, sein nachmali-
ges Läugnen entschuldigt; ob man gegen den
Gefolterten mehr Mitleid, seiner Standhaftig-
keit halber, oder mehr Misbilligung, seiner al-
lerdings hartnäckigen Erdichtung wegen, zu
äußern hat, -- wag ich nicht zu entscheiden;
und möchte ungern hierinnen dem Gefühl mei-
ner Leser vorgreifen.

Aber sehr müste ich mich irren: oder der
größte Theil derselben hat mit Misfallen sein
Auge von Falkens Verfahren abgewandt;
hat es unedel, tückisch, -- grausam sogar ge-

X

R. ſah ſich nun vor Mangel ge-
deckt; ſah ſich geſchaͤzt
im Kreis,
worinnen er lebte.
Mehr verlangte er
nicht! Jezt war er daher ganz derjenige wieder,
der er immer geweſen ſeyn wuͤrde, haͤtte er nicht
nach vaͤterlichem Tode ſich ſo unerwartet in ein
Labirinth verwickelt geſehn; oder haͤtte jener
freundſchaftliche Rath, den er ſpaͤterhin nur
halb und misgedeutet befolgte, ihn fruͤher un-
terſtuͤzt. Ob die Liebe zum Leben, und dieSehn-
ſucht nach Weib und Kindern, ſein nachmali-
ges Laͤugnen entſchuldigt; ob man gegen den
Gefolterten mehr Mitleid, ſeiner Standhaftig-
keit halber, oder mehr Misbilligung, ſeiner al-
lerdings hartnaͤckigen Erdichtung wegen, zu
aͤußern hat, — wag ich nicht zu entſcheiden;
und moͤchte ungern hierinnen dem Gefuͤhl mei-
ner Leſer vorgreifen.

Aber ſehr muͤſte ich mich irren: oder der
groͤßte Theil derſelben hat mit Misfallen ſein
Auge von Falkens Verfahren abgewandt;
hat es unedel, tuͤckiſch, — grauſam ſogar ge-

X
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[321/0329] R. ſah ſich nun vor Mangel ge- deckt; ſah ſich geſchaͤzt im Kreis, worinnen er lebte. Mehr verlangte er nicht! Jezt war er daher ganz derjenige wieder, der er immer geweſen ſeyn wuͤrde, haͤtte er nicht nach vaͤterlichem Tode ſich ſo unerwartet in ein Labirinth verwickelt geſehn; oder haͤtte jener freundſchaftliche Rath, den er ſpaͤterhin nur halb und misgedeutet befolgte, ihn fruͤher un- terſtuͤzt. Ob die Liebe zum Leben, und dieSehn- ſucht nach Weib und Kindern, ſein nachmali- ges Laͤugnen entſchuldigt; ob man gegen den Gefolterten mehr Mitleid, ſeiner Standhaftig- keit halber, oder mehr Misbilligung, ſeiner al- lerdings hartnaͤckigen Erdichtung wegen, zu aͤußern hat, — wag ich nicht zu entſcheiden; und moͤchte ungern hierinnen dem Gefuͤhl mei- ner Leſer vorgreifen. Aber ſehr muͤſte ich mich irren: oder der groͤßte Theil derſelben hat mit Misfallen ſein Auge von Falkens Verfahren abgewandt; hat es unedel, tuͤckiſch, — grauſam ſogar ge- X

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Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/329>, abgerufen am 23.11.2024.