"an derselben, wohin du es haben willst, gen "Mitternacht, Morgen oder Mittag? -- Du "wirst blaß? du schweigst? -- Theure, wie "oft versprachst mir du sonst ungebeten "das zu thun! Halte mir es nun auch, da "ich dich darum bitte!"
Das Mädchen, durch diese lezte Rede über- rascht, sah freilich sich in ihrer eignen Schlin- ge gefangen; aber sie nahm zum gewöhnli- chen Hülfsmittel falscher Seelen, zur Hart- näckigkeit, ihre Zuflucht. Seinen Gründen sezte sie Thränen, seinen Bitten zehnmal wi- derlegte Einwürfe entgegen; und der arme junge Mann ging trostlos von ihr. -- Er sah, beim einsamen Erwägen des ihm gesche- henen Vorschlags, gar wohl die Tücken ein, die hier auf ihn lauerten; er war bereits fest entschlossen, sich nicht umsonst betrügen zu lassen; aber er wollte doch auch zuvor ganz überzeugt seyn, eh' er es glaube und sich räche.
„an derſelben, wohin du es haben willſt, gen „Mitternacht, Morgen oder Mittag? — Du „wirſt blaß? du ſchweigſt? — Theure, wie „oft verſprachſt mir du ſonſt ungebeten „das zu thun! Halte mir es nun auch, da „ich dich darum bitte!“
Das Maͤdchen, durch dieſe lezte Rede uͤber- raſcht, ſah freilich ſich in ihrer eignen Schlin- ge gefangen; aber ſie nahm zum gewoͤhnli- chen Huͤlfsmittel falſcher Seelen, zur Hart- naͤckigkeit, ihre Zuflucht. Seinen Gruͤnden ſezte ſie Thraͤnen, ſeinen Bitten zehnmal wi- derlegte Einwuͤrfe entgegen; und der arme junge Mann ging troſtlos von ihr. — Er ſah, beim einſamen Erwaͤgen des ihm geſche- henen Vorſchlags, gar wohl die Tuͤcken ein, die hier auf ihn lauerten; er war bereits feſt entſchloſſen, ſich nicht umſonſt betruͤgen zu laſſen; aber er wollte doch auch zuvor ganz uͤberzeugt ſeyn, eh' er es glaube und ſich raͤche.
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„an derſelben, wohin du es haben willſt, gen
„Mitternacht, Morgen oder Mittag? — Du
„wirſt blaß? du ſchweigſt? — Theure, wie
„oft verſprachſt mir du ſonſt ungebeten
„das zu thun! Halte mir es nun auch, da
„ich dich darum bitte!“
Das Maͤdchen, durch dieſe lezte Rede uͤber-
raſcht, ſah freilich ſich in ihrer eignen Schlin-
ge gefangen; aber ſie nahm zum gewoͤhnli-
chen Huͤlfsmittel falſcher Seelen, zur Hart-
naͤckigkeit, ihre Zuflucht. Seinen Gruͤnden
ſezte ſie Thraͤnen, ſeinen Bitten zehnmal wi-
derlegte Einwuͤrfe entgegen; und der arme
junge Mann ging troſtlos von ihr. — Er
ſah, beim einſamen Erwaͤgen des ihm geſche-
henen Vorſchlags, gar wohl die Tuͤcken ein,
die hier auf ihn lauerten; er war bereits feſt
entſchloſſen, ſich nicht umſonſt betruͤgen zu
laſſen; aber er wollte doch auch zuvor ganz
uͤberzeugt ſeyn, eh' er es glaube und ſich
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Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/36>, abgerufen am 23.11.2024.
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