Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

Löbliches gewesen seyn müße. Er befahl ihr
mit umzukehren; sie that es, weil sie es nicht
abschlagen durfte. Der Bediente stieg beim
Gebüsche ab; das Päcktchen war bald gefun-
den und aufgehoben. Man öfnete es, und
in ihm lag -- ein todtes, mit sichtlicher Ge-
waltthat ermordetes Kind.

Man kann sich hier leicht den Schrecken der
armen Weibsperson vorstellen. Daß sie jezt
in einen bösenHandel verwickelt werden dürfte,
sah sie wohl ein. Zwar erzählte sie nun buch-
stäblich die Wahrheit; aber wer glaubte ihr
diese? Zwar bat sie himmelhoch, sie gehn zu
lassen; aber wie war das möglich? Mit der
einen Hand an das Pferd des Bedienten ge-
bunden muste sie nun nach Bar* zurück, und
ihr Weg ging gradezu ins Gefängniß. Jn
der ganzen Stadt war wohl kein Mensch, der
nur zweifelte, daß sie die Mörderin sei. Die
Untersuchung nahm ihren Anfang.

Aber freilich nicht ganz so, wie sie wohl
sollte! Ein wichtiger Umstand ward verab-

Loͤbliches geweſen ſeyn muͤße. Er befahl ihr
mit umzukehren; ſie that es, weil ſie es nicht
abſchlagen durfte. Der Bediente ſtieg beim
Gebuͤſche ab; das Paͤcktchen war bald gefun-
den und aufgehoben. Man oͤfnete es, und
in ihm lag — ein todtes, mit ſichtlicher Ge-
waltthat ermordetes Kind.

Man kann ſich hier leicht den Schrecken der
armen Weibsperſon vorſtellen. Daß ſie jezt
in einen boͤſenHandel verwickelt werden duͤrfte,
ſah ſie wohl ein. Zwar erzaͤhlte ſie nun buch-
ſtaͤblich die Wahrheit; aber wer glaubte ihr
dieſe? Zwar bat ſie himmelhoch, ſie gehn zu
laſſen; aber wie war das moͤglich? Mit der
einen Hand an das Pferd des Bedienten ge-
bunden muſte ſie nun nach Bar* zuruͤck, und
ihr Weg ging gradezu ins Gefaͤngniß. Jn
der ganzen Stadt war wohl kein Menſch, der
nur zweifelte, daß ſie die Moͤrderin ſei. Die
Unterſuchung nahm ihren Anfang.

Aber freilich nicht ganz ſo, wie ſie wohl
ſollte! Ein wichtiger Umſtand ward verab-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0094" n="86"/>
Lo&#x0364;bliches gewe&#x017F;en &#x017F;eyn mu&#x0364;ße. Er befahl ihr<lb/>
mit umzukehren; &#x017F;ie that es, weil &#x017F;ie es nicht<lb/>
ab&#x017F;chlagen durfte. Der Bediente &#x017F;tieg beim<lb/>
Gebu&#x0364;&#x017F;che ab; das Pa&#x0364;cktchen war bald gefun-<lb/>
den und aufgehoben. Man o&#x0364;fnete es, und<lb/>
in ihm lag &#x2014; ein todtes, mit &#x017F;ichtlicher Ge-<lb/>
waltthat ermordetes Kind.</p><lb/>
          <p>Man kann &#x017F;ich hier leicht den Schrecken der<lb/>
armen Weibsper&#x017F;on vor&#x017F;tellen. Daß &#x017F;ie jezt<lb/>
in einen bo&#x0364;&#x017F;enHandel verwickelt werden du&#x0364;rfte,<lb/>
&#x017F;ah &#x017F;ie wohl ein. Zwar erza&#x0364;hlte &#x017F;ie nun buch-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;blich die Wahrheit; aber wer glaubte ihr<lb/>
die&#x017F;e? Zwar bat &#x017F;ie himmelhoch, &#x017F;ie gehn zu<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en; aber wie war das mo&#x0364;glich? Mit der<lb/>
einen Hand an das Pferd des Bedienten ge-<lb/>
bunden mu&#x017F;te &#x017F;ie nun nach Bar* zuru&#x0364;ck, und<lb/>
ihr Weg ging gradezu ins Gefa&#x0364;ngniß. Jn<lb/>
der ganzen Stadt war wohl kein Men&#x017F;ch, der<lb/>
nur zweifelte, daß &#x017F;ie die Mo&#x0364;rderin &#x017F;ei. Die<lb/>
Unter&#x017F;uchung nahm ihren Anfang.</p><lb/>
          <p>Aber freilich nicht ganz &#x017F;o, wie &#x017F;ie wohl<lb/>
&#x017F;ollte! Ein wichtiger Um&#x017F;tand ward verab-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[86/0094] Loͤbliches geweſen ſeyn muͤße. Er befahl ihr mit umzukehren; ſie that es, weil ſie es nicht abſchlagen durfte. Der Bediente ſtieg beim Gebuͤſche ab; das Paͤcktchen war bald gefun- den und aufgehoben. Man oͤfnete es, und in ihm lag — ein todtes, mit ſichtlicher Ge- waltthat ermordetes Kind. Man kann ſich hier leicht den Schrecken der armen Weibsperſon vorſtellen. Daß ſie jezt in einen boͤſenHandel verwickelt werden duͤrfte, ſah ſie wohl ein. Zwar erzaͤhlte ſie nun buch- ſtaͤblich die Wahrheit; aber wer glaubte ihr dieſe? Zwar bat ſie himmelhoch, ſie gehn zu laſſen; aber wie war das moͤglich? Mit der einen Hand an das Pferd des Bedienten ge- bunden muſte ſie nun nach Bar* zuruͤck, und ihr Weg ging gradezu ins Gefaͤngniß. Jn der ganzen Stadt war wohl kein Menſch, der nur zweifelte, daß ſie die Moͤrderin ſei. Die Unterſuchung nahm ihren Anfang. Aber freilich nicht ganz ſo, wie ſie wohl ſollte! Ein wichtiger Umſtand ward verab-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/94
Zitationshilfe: Meißner, August Gottlieb: Kriminal Geschichten. Wien, 1796, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meissner_krimi_1796/94>, abgerufen am 23.11.2024.