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Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783.

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ward dieser Streit geführt, wie alle Streitig-
keiten dieser Art geführt werden sollten: mit
Ernst und Eifer, aber ohn Haß und Bitterkeit;
und ob schon die dreyzehn Artikel des Majemo-
nides von dem größten Theile der Nation ange-
nommen worden sind; so hat doch meines Wis-
sens noch niemand den Albo verketzert, daß er
sie hat einschränken und auf weit allgemeinere
Vernunftsätze zurückführen wollen. Hierin ha-
ben wir den wichtigen Ausspruch unserer Weisen
noch nicht aus der Acht gelassen: "Obgleich
"dieser löset, jener bindet, so lehren sie
"doch beide Worte des lebendigen Got-
"tes."
*)

Im
*) Ich habe so manchen Pedanten diesen Spruch
zum Beweise anführen sehen, daß die Rab-
binen den Satz des Widersyruchs nicht glau-
ben. Ich wünsche die Tage zu erleben, da
alle Völker der Erde diese Ausnahme von dem
allgemeinen Satze des Widerspruchs werden
gelten lassen: der Fasttag des Vierten und
der Fasttag des Zehnten Monats mag in
Wonne und Freudentag verwandelt wer-
den, nur liebet Wahrheit und Frieden
.
(Zachar. 8, 19)
D 5

ward dieſer Streit gefuͤhrt, wie alle Streitig-
keiten dieſer Art gefuͤhrt werden ſollten: mit
Ernſt und Eifer, aber ohn Haß und Bitterkeit;
und ob ſchon die dreyzehn Artikel des Majemo-
nides von dem groͤßten Theile der Nation ange-
nommen worden ſind; ſo hat doch meines Wiſ-
ſens noch niemand den Albo verketzert, daß er
ſie hat einſchraͤnken und auf weit allgemeinere
Vernunftſaͤtze zuruͤckfuͤhren wollen. Hierin ha-
ben wir den wichtigen Ausſpruch unſerer Weiſen
noch nicht aus der Acht gelaſſen: „Obgleich
„dieſer loͤſet, jener bindet, ſo lehren ſie
„doch beide Worte des lebendigen Got-
„tes.“
*)

Im
*) Ich habe ſo manchen Pedanten dieſen Spruch
zum Beweiſe anfuͤhren ſehen, daß die Rab-
binen den Satz des Widerſyruchs nicht glau-
ben. Ich wuͤnſche die Tage zu erleben, da
alle Voͤlker der Erde dieſe Ausnahme von dem
allgemeinen Satze des Widerſpruchs werden
gelten laſſen: der Faſttag des Vierten und
der Faſttag des Zehnten Monats mag in
Wonne und Freudentag verwandelt wer-
den, nur liebet Wahrheit und Frieden
.
(Zachar. 8, 19)
D 5
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[57/0159] ward dieſer Streit gefuͤhrt, wie alle Streitig- keiten dieſer Art gefuͤhrt werden ſollten: mit Ernſt und Eifer, aber ohn Haß und Bitterkeit; und ob ſchon die dreyzehn Artikel des Majemo- nides von dem groͤßten Theile der Nation ange- nommen worden ſind; ſo hat doch meines Wiſ- ſens noch niemand den Albo verketzert, daß er ſie hat einſchraͤnken und auf weit allgemeinere Vernunftſaͤtze zuruͤckfuͤhren wollen. Hierin ha- ben wir den wichtigen Ausſpruch unſerer Weiſen noch nicht aus der Acht gelaſſen: „Obgleich „dieſer loͤſet, jener bindet, ſo lehren ſie „doch beide Worte des lebendigen Got- „tes.“ *) Im *) Ich habe ſo manchen Pedanten dieſen Spruch zum Beweiſe anfuͤhren ſehen, daß die Rab- binen den Satz des Widerſyruchs nicht glau- ben. Ich wuͤnſche die Tage zu erleben, da alle Voͤlker der Erde dieſe Ausnahme von dem allgemeinen Satze des Widerſpruchs werden gelten laſſen: der Faſttag des Vierten und der Faſttag des Zehnten Monats mag in Wonne und Freudentag verwandelt wer- den, nur liebet Wahrheit und Frieden. (Zachar. 8, 19) D 5

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Zitationshilfe: Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/159>, abgerufen am 21.11.2024.