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Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783.

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Weltalls; sondern Gott, als Schutzherr und
Bundesfreund ihrer Vorfahren, als Befreyer,
Stifter und Anführer, als König und Ober-
haupt dieses Volks; und er gab seinen Gesetzen
die feyerlichste Sanktion, öffentlich und auf eine
nie erhörte, wundervolle Weise, wodurch sie der
Nation und allen ihren Nachkommen, als unab-
änderliche Pflicht und Schuldigkeit auferlegt
worden sind.

Diese Gesetze wurden geoffenbaret, d. i.
von Gott durch Worte und Schrift bekannt ge-
macht. Jedoch ist nur das Wesentlichste da-
von den Buchstaben anvertrauet worden; und
auch diese niedergeschriebenen Gesetze sind, ohne
die ungeschriebenen, mündlich überlieferten und
durch mündlichen, lebendigen Unterricht fortzu-
pflanzenden Erläuterungen, Einschränkungen
und näheren Bestimmungen, gröstentheils un-
verständlich, oder mußten es mit der Zeit werden;
weil alle Worte und Schriftzeichen kein Men-
schenalter hindurch ihren Sinn unverändert be-
halten.

Sowohl die geschriebenen, als die ungeschrie-
benen Gesetze haben unmittelbar, als Vorschrif-

ten
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Weltalls; ſondern Gott, als Schutzherr und
Bundesfreund ihrer Vorfahren, als Befreyer,
Stifter und Anfuͤhrer, als Koͤnig und Ober-
haupt dieſes Volks; und er gab ſeinen Geſetzen
die feyerlichſte Sanktion, oͤffentlich und auf eine
nie erhoͤrte, wundervolle Weiſe, wodurch ſie der
Nation und allen ihren Nachkommen, als unab-
aͤnderliche Pflicht und Schuldigkeit auferlegt
worden ſind.

Dieſe Geſetze wurden geoffenbaret, d. i.
von Gott durch Worte und Schrift bekannt ge-
macht. Jedoch iſt nur das Weſentlichſte da-
von den Buchſtaben anvertrauet worden; und
auch dieſe niedergeſchriebenen Geſetze ſind, ohne
die ungeſchriebenen, muͤndlich uͤberlieferten und
durch muͤndlichen, lebendigen Unterricht fortzu-
pflanzenden Erlaͤuterungen, Einſchraͤnkungen
und naͤheren Beſtimmungen, groͤſtentheils un-
verſtaͤndlich, oder mußten es mit der Zeit werden;
weil alle Worte und Schriftzeichen kein Men-
ſchenalter hindurch ihren Sinn unveraͤndert be-
halten.

Sowohl die geſchriebenen, als die ungeſchrie-
benen Geſetze haben unmittelbar, als Vorſchrif-

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[115/0217] Weltalls; ſondern Gott, als Schutzherr und Bundesfreund ihrer Vorfahren, als Befreyer, Stifter und Anfuͤhrer, als Koͤnig und Ober- haupt dieſes Volks; und er gab ſeinen Geſetzen die feyerlichſte Sanktion, oͤffentlich und auf eine nie erhoͤrte, wundervolle Weiſe, wodurch ſie der Nation und allen ihren Nachkommen, als unab- aͤnderliche Pflicht und Schuldigkeit auferlegt worden ſind. Dieſe Geſetze wurden geoffenbaret, d. i. von Gott durch Worte und Schrift bekannt ge- macht. Jedoch iſt nur das Weſentlichſte da- von den Buchſtaben anvertrauet worden; und auch dieſe niedergeſchriebenen Geſetze ſind, ohne die ungeſchriebenen, muͤndlich uͤberlieferten und durch muͤndlichen, lebendigen Unterricht fortzu- pflanzenden Erlaͤuterungen, Einſchraͤnkungen und naͤheren Beſtimmungen, groͤſtentheils un- verſtaͤndlich, oder mußten es mit der Zeit werden; weil alle Worte und Schriftzeichen kein Men- ſchenalter hindurch ihren Sinn unveraͤndert be- halten. Sowohl die geſchriebenen, als die ungeſchrie- benen Geſetze haben unmittelbar, als Vorſchrif- ten H 2

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Zitationshilfe: Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/217>, abgerufen am 17.05.2024.