Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

ist er verpflichtet, solche zum Theil zum Be-
sten seines Nebenmenschen, zum Wohlwol-
len
anzuwenden; denn Besserseyn ist von
Wohlwollen unzertrennlich.

Er hat aber auch aus ähnlichen Ursachen
ein Recht auf seines Nebenmenschen Wohl-
wollen. Er kan erwarten, und Anspruch
darauf machen, daß ihm andere mit ihren
entbehrlichen Gütern beystehen, und zu sei-
ner Vollkommenheit beförderlich seyn wer-
den. Man erinnere sich nur immer, was
wir unter dem Worte Güter verstehen. Alles
innere und äussere Vermögen des Menschen,
in so weit es ihm, oder andern, ein Mittel
zur Glückseligkeit werden kann. Was also
der Mensch im Stande der Natur an Fleiß,
Vermögen und Kräften besitzet; alles, was
er Sein nennen kan, ist Theils zum Selbst-
gebrauch
(eigenen Nutzen), Theils zum
Wohlwollen gewidmet.

Wie aber das Vermögen der Menschen
eingeschränkt, und also erschöpflich ist; so
kann dasselbe Vermögen oder Gut zuweilen
nicht mir und meinem Nebenmenschen zu-
gleich dienen. So kan ich auch dasselbe

Vermö-

iſt er verpflichtet, ſolche zum Theil zum Be-
ſten ſeines Nebenmenſchen, zum Wohlwol-
len
anzuwenden; denn Beſſerſeyn iſt von
Wohlwollen unzertrennlich.

Er hat aber auch aus aͤhnlichen Urſachen
ein Recht auf ſeines Nebenmenſchen Wohl-
wollen. Er kan erwarten, und Anſpruch
darauf machen, daß ihm andere mit ihren
entbehrlichen Guͤtern beyſtehen, und zu ſei-
ner Vollkommenheit befoͤrderlich ſeyn wer-
den. Man erinnere ſich nur immer, was
wir unter dem Worte Guͤter verſtehen. Alles
innere und aͤuſſere Vermoͤgen des Menſchen,
in ſo weit es ihm, oder andern, ein Mittel
zur Gluͤckſeligkeit werden kann. Was alſo
der Menſch im Stande der Natur an Fleiß,
Vermoͤgen und Kraͤften beſitzet; alles, was
er Sein nennen kan, iſt Theils zum Selbſt-
gebrauch
(eigenen Nutzen), Theils zum
Wohlwollen gewidmet.

Wie aber das Vermoͤgen der Menſchen
eingeſchraͤnkt, und alſo erſchoͤpflich iſt; ſo
kann daſſelbe Vermoͤgen oder Gut zuweilen
nicht mir und meinem Nebenmenſchen zu-
gleich dienen. So kan ich auch daſſelbe

Vermoͤ-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0040" n="34"/>
i&#x017F;t er verpflichtet, &#x017F;olche zum Theil zum Be-<lb/>
&#x017F;ten &#x017F;eines Nebenmen&#x017F;chen, zum <hi rendition="#fr">Wohlwol-<lb/>
len</hi> anzuwenden; denn <hi rendition="#fr">Be&#x017F;&#x017F;er&#x017F;eyn</hi> i&#x017F;t von<lb/><hi rendition="#fr">Wohlwollen</hi> unzertrennlich.</p><lb/>
      <p>Er hat aber auch aus a&#x0364;hnlichen Ur&#x017F;achen<lb/>
ein Recht auf &#x017F;eines Nebenmen&#x017F;chen Wohl-<lb/>
wollen. Er kan erwarten, und An&#x017F;pruch<lb/>
darauf machen, daß ihm andere mit ihren<lb/>
entbehrlichen Gu&#x0364;tern bey&#x017F;tehen, und zu &#x017F;ei-<lb/>
ner Vollkommenheit befo&#x0364;rderlich &#x017F;eyn wer-<lb/>
den. Man erinnere &#x017F;ich nur immer, was<lb/>
wir unter dem Worte <hi rendition="#fr">Gu&#x0364;ter</hi> ver&#x017F;tehen. Alles<lb/><hi rendition="#fr">innere</hi> und <hi rendition="#fr">a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;ere</hi> Vermo&#x0364;gen des Men&#x017F;chen,<lb/>
in &#x017F;o weit es ihm, oder andern, ein Mittel<lb/>
zur Glu&#x0364;ck&#x017F;eligkeit werden kann. Was al&#x017F;o<lb/>
der Men&#x017F;ch im Stande der Natur an Fleiß,<lb/>
Vermo&#x0364;gen und Kra&#x0364;ften be&#x017F;itzet; alles, was<lb/>
er <hi rendition="#fr">Sein</hi> nennen kan, i&#x017F;t Theils zum <hi rendition="#fr">Selb&#x017F;t-<lb/>
gebrauch</hi> (eigenen Nutzen), Theils zum<lb/><hi rendition="#fr">Wohlwollen</hi> gewidmet.</p><lb/>
      <p>Wie aber das Vermo&#x0364;gen der Men&#x017F;chen<lb/>
einge&#x017F;chra&#x0364;nkt, und al&#x017F;o er&#x017F;cho&#x0364;pflich i&#x017F;t; &#x017F;o<lb/>
kann da&#x017F;&#x017F;elbe Vermo&#x0364;gen oder Gut zuweilen<lb/>
nicht mir und meinem Nebenmen&#x017F;chen zu-<lb/>
gleich dienen. So kan ich auch da&#x017F;&#x017F;elbe<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Vermo&#x0364;-</fw><lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[34/0040] iſt er verpflichtet, ſolche zum Theil zum Be- ſten ſeines Nebenmenſchen, zum Wohlwol- len anzuwenden; denn Beſſerſeyn iſt von Wohlwollen unzertrennlich. Er hat aber auch aus aͤhnlichen Urſachen ein Recht auf ſeines Nebenmenſchen Wohl- wollen. Er kan erwarten, und Anſpruch darauf machen, daß ihm andere mit ihren entbehrlichen Guͤtern beyſtehen, und zu ſei- ner Vollkommenheit befoͤrderlich ſeyn wer- den. Man erinnere ſich nur immer, was wir unter dem Worte Guͤter verſtehen. Alles innere und aͤuſſere Vermoͤgen des Menſchen, in ſo weit es ihm, oder andern, ein Mittel zur Gluͤckſeligkeit werden kann. Was alſo der Menſch im Stande der Natur an Fleiß, Vermoͤgen und Kraͤften beſitzet; alles, was er Sein nennen kan, iſt Theils zum Selbſt- gebrauch (eigenen Nutzen), Theils zum Wohlwollen gewidmet. Wie aber das Vermoͤgen der Menſchen eingeſchraͤnkt, und alſo erſchoͤpflich iſt; ſo kann daſſelbe Vermoͤgen oder Gut zuweilen nicht mir und meinem Nebenmenſchen zu- gleich dienen. So kan ich auch daſſelbe Vermoͤ-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/40
Zitationshilfe: Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/40>, abgerufen am 03.12.2024.